Donnerstag, 17. September 2015

Endura Alpentraum 2015 – Das Rennen

Nun stehe ich also am Start des Endura-Alpentraums. So gut 500 Teilnehmer haben sich für die lange Strecke von Sonthofen im Allgäu über 252 Kilometer und gut 6000 Höhenmeter nach Sulden in Südtirol entschieden.

Wieder war frühes aufstehen angesagt, denn der Start ist um 6:30 Uhr und vorher muss man noch auschecken, das Auto am Startgelände unterbringen und frühstücken. Leider war der Allgäustern nicht so richtig dem Rennen zugeneigt. An der Rezeption wurde man mit einem Zettel begrüßt, dass man doch gefälligst sein Rad im Park Ferme des Rennens unterbringen solle und nicht auf dem Zimmer. Außerdem gab es kein frühes Frühstück, sondern ein, für’s Rennen nutzloses, Lunchpaket. Das habe ich noch bei keinem Rennen erlebt, dass die Hotels im Ort nicht, zumindest ein einfaches Frühstück für die Radler anbieten. Schwache Leistung vom Allgäustern.

Anyway, mit etwas knapper KH-Versorgung und ohne Frühstückstee stehe ich ungefähr in der Mitte der Startaufstellung. Die Temperatur ist sehr angenehm bei 10°, die Wettervorhersage scheint sich zu bewahrheiten und ich fahre kurz/kurz. Der Moderator plaudert mit angenehmer Stimme. Er macht das wirklich gut, kein dummes Gelaber, vielen Dank :) Außerdem ist die Musik unaufdringlich, ebenfalls sehr angenehm. Zum Startcountdown gibt es dann AC/DC.

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Die ersten flachen Kilometer aus Sonthofen raus fahren wir quasi neutralisiert, dicht im Feld hinter dem Führungsfahrzeug der Rennleitung. Zweimal gibt es, durch den Ziehharmonikaeffekt recht heikle Momente. Beide Male ist gute Radkontrolle und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt. Ganz ohne Berührungen geht es nicht ab, aber alle bleiben auf dem Rad…

In Hindelang geht es endlich in den ersten Anstieg. Das Oberjoch führt uns hinauf ins Tannheimer Tal. Der Anstieg bleibt moderat. Ich lasse die Spitzengruppe natürlich ziehen und fahre mein eigenes Tempo. Dabei werde ich nicht oft überholt, ich denke mal ich befinde mich solide im Hauptfeld. Die Leistung liegt im oberen G2- bis EB-Bereich. Nach der Erfahrung vor zwei Wochen beim Alpenbrevet horche ich natürlich aufmerksam in meinen Körper hinein, aber alles ist normal. Ich merke zwar meinen großen Trainingsrückstand, aber ich fühle mich ok und habe mich auch damit arrangiert heute nur auf solides Ankommen zu fahren.

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Über einige Serpentinen schrauben wir uns nach oben und kommen nach ca. einer halben Stunde oben an. Schnell sammeln sich ein paar Fahrer zu einer kleinen Gruppe, die im Verlaufe der Fahrt auf diesem Hochplateau noch anwächst. Ich denke mal das ist jetzt das „Hauptfeld“.

Die Landschaft ist klasse, ich kann sie wirklich genießen, was ja in der Schweiz vor zwei Wochen praktisch gar nicht ging. Auch macht es einfach Spaß zum Sonnenaufgang bei gutem Wetter durch die Alpen zu radeln. Sehr geil.

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Ich kann mich gut in der Gruppe halten, viel Führungsarbeit muss ich nicht leisten, weil immer mal wieder welche nach vorne fahren. Sonderlich effektiv ist das nicht, die Gruppe könnte eigentlich deutlich schneller fahren, aber ist mir egal, ich schwimme so mit und hoffe, dass mein Knie hält.

Im ersten Anstieg habe ich es ganz schön im unteren Rücken gemerkt und das hat ausgestrahlt bis ins rechte Bein. Wäre mal eine Abwechslung zu den Schmerzen im linken Bein, aber keine die mir gefallen würde. Ich gehe einfach davon aus, dass sich das „rausfährt“. Jetzt im Flachen lässt das Ziehen im Bein auch nach.

Die Strecke durchs Tannheimer Tal zieht sich länger als ich gedacht habe, dann aber geht es über den Gaichtpass bergab. Bei weitem nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung dargestellt, eine ganz normale Abfahrt in den Alpen halt.

Ich verliere bergab allerdings etwas, weil die Vorderradbremse, wie auch schon in der Schweiz, ab 50 km/h heftig stottert, so dass ich die Kurven deutlich früher anbremsen muss. Etwas nervig, aber der Zeitverlust hält sich in Grenzen. Dabei hatte ich nochmal alles geprüft und nichts gefunden, Bremsbeläge ok und sauber, Felge schien auch ok. Schön wäre es gewesen, wenn ich nicht auch dieses Rennen ohne mein Mavic Ksyrium Vorderrad hätte fahren müssen, dass nach vier Renneinsätzen hinüber war und nun seit über zwei Wochen beim Service ist…

Auch am Ende der Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Auch diese fährt nicht sonderlich effektiv, aber mir reicht’s. Das ist der Vorteil wenn man nicht das Optimum als Ziel hat, man kann einfach mitfahren ohne sich viel Gedanken zu machen oder immer wieder wertvolle Körner für Führungsarbeit und Beschleunigung einzusetzen.

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Kurz hinter Elmen biegen wir dann links zum Hahntennjoch ab. Der Blick auf die recht lange Anfangsrampe ist beeindruckend. Die Labstation am Beginn der Rampe lasse ich aus, ich habe erst eine halbe Flasche Wasser getrunken und ein Gel gegessen. Ich bin vorsichtig mit der Nahrungsaufnahme, denn auf keinen Fall will ich wieder irgendwelche Probleme bekommen die mich schwächen. Ich hoffe aber, dass ich so trotz des mageren Frühstücks nicht in ein KH-Defizit fahre.

Es geht zunächst sehr gut am Berg. Ich bin in der Mitte einer Gruppe angekommen, von denen einige unten an der Verpflegungsstation gehalten haben, trotzdem überholt mich zunächst niemand und ich arbeite mich Fahrer um Fahrer langsam weiter nach vorne, bzw. nach oben.

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Die Leistung liegt im G2 Bereich, manchmal etwas darüber. Der Anstieg ist schon recht deftig, gerne um 11%. Das Schöne an dieser Auffahrt ist allerdings, dass es immer mal wieder flache Passagen gibt. So kann ich mich ganz gut erholen. Ich mache dann auch nicht wirklich Druck, sondern versuche wirklich etwas zu regenerieren. Noch bin ich etwas nervös wegen des linken Knies, aber das meldet sich nicht, alles ok.

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So komme ich gut durch bis Boden, einer kleinen Häuseransammlung. Ab dort zieht die Steigung wieder an. Und zwar recht ordentlich. Noch geht es ganz gut, aber ich muss gegen die zweistelligen Steigungsprozente kämpfen. Jetzt lässt die Steigung auch nicht mehr nach, sondern es gilt „durchziehen“. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lange die Auffahrt von dieser Seite eigentlich ist. Ich muss jetzt ganz schön kämpfen. Auf dem Garmin kann ich immer mal wieder 13% ablesen, wie gut, dass mir heute der Wiegetritt uneingeschränkt zur Verfügung steht.

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Als wir durch Pfafflar fahren bin ich mir nicht sicher, ob nicht schon bald die Passhöhe kommt oder ob es noch lange so weitergeht. Aber die Hoffnung beginnt in mir zu leuchten, soo weit kann es jetzt doch gar nicht mehr sein. Nochmal geht es steil eine recht gerade Rampe hoch, doch dann, nach einer Kurve, zeichnet sich schon die Passhöhe ab. Wie geil, ohne Knieprobleme, ohne Stehenbleiben bin ich hochgekommen. Selbst die Zeit dürfte mit ca. 55 Minuten noch völlig ok sein.

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Ich freue mich auf die Abfahrt. Da kann man es eigentlich ordentlich laufen lassen, allerdings ist der Straßenbelag nicht immer gerade perfekt. Außerdem verliere ich etwas Zeit durch das Bremsproblem, aber ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt, wenn es auch das Erste ist was ich nach dem Rennen beheben muss.

So ist Imst recht flott erreicht. Schon etwas oberhalb von Imst beginnt die neutralisierte Zone. Wegen des Verkehrs und Vorgaben der Polizei wird hier die Zeitnehmung ausgesetzt. Keine schlechte Regelung, so kann man sich das Vorbeiquetschen an Autos und Wohnmobilen sparen und einfach mitrollen. Allerdings ist der Verkehr überschaubar, nur einen besonders langsamen Autofahrer müssen wir überholen, sonst rollt es schön bis zum Kreisel an dem die Labstation aufgebaut ist.

An der Verpflegungsstation fülle ich meine Flaschen mit Wasser und Powerbar Iso auf. Außerdem schnappe ich mir ein Käsebrötchen. Dabei lasse ich mir etwas Zeit. Aber nicht zu lange, denn ich will ja auf der nun folgenden Fahrt durch das Inntal möglichst nicht alleine fahren.

Vom Kreisel geht es erst mal noch etwas bergauf, ein Anstieg der mir noch vertraut ist, da ich mal aus versehen hier irgendwo im Berg ein Hotel gebucht hatte…

Ich fahre an drei andere Fahrer ran, von hinten kommen auch noch ein paar, so kann ich in einer soliden Gruppe bis zum Beginn des Anstiegs zur Pillerhöhe fahren. Noch immer merke ich den unteren Rücken etwas und das rechte Bein, aber ich kann gut mitarbeiten.

Heute scheint es also deutlich besser zu laufen als vor zwei Wochen auf der Platinrunde des Alpenbrevets. Nur vor der Pillerhöhe habe ich großen Respekt. Die soll von dieser Seite wirklich steile Passagen enthalten, und das macht mir wegen des linken Knies und meines Leistungsdefizits doch etwas Sorgen.

Mein Respekt ist nicht unbegründet wie ich sofort nach dem Abzweig nach Fließ feststellen kann. Mittlerweile ist es deutlich wärmer geworden. Und jetzt wird es richtig steil. Recht unnachgiebig zieht die Straße in Richtung Pillerhöhe. Meine Leistung bricht nicht so dramatisch ein wie in der Schweiz, aber ich kämpfe jetzt schon um die 230 Watt und die Trittfrequenz sinkt ab.

So kurbele ich mich langsam nach oben, dabei überholen mich jetzt doch immer mehr andere Fahrer und Fahrerrinnen. Manche von denen sind erst in Landeck gestartet und fahren die „kurze“ Distanz, aber das macht keinen Unterschied. Ich muss heftig kämpfen. In mir steigt das Bedürfnis auf stehen zu bleiben. Dagegen muss ich wirklich ankämpfen, ich will mir das wirklich nicht angewöhnen, dass ich jetzt immer wenn’s ein bisserl schwerer wird stehen bleibe. Das wäre wirklich ein fatales Signal.

Ich kämpfe lange dagegen an. Aber der Anstieg ist lang und steil. Und meine Power lässt nach. Ich will nur die Labstation erreichen, dann darf ich Pause machen. Ich versuche auf dem Rad zu bleiben. Die Trittfrequenz sinkt. Und sinkt. 53, das ist keine Trittfrequenz, das ist nicht mal ein vernünftiger Ruhepuls! Der Kopf wehrt sich, aber die Beine geben nach. 49, 47, es ist nur noch Gurkerei. 45 und dann ist Schluss, ich muss vom Rad, ich kriege einfach die Kurbel nicht mehr rum.
Ich steige ab und trinke eine viertel Flasche Iso. Hier ist etwas Schatten, kurz verschnaufen. Ein Mädel fährt an mir vorbei und ruft „Komm Guido, auf geht’s“. Das weckt mich etwas auf und nach einem weiteren Schluck aus der Flasche setze ich mich wieder auf’s Rad. Ich finde es immer schön wenn die Vornamen der Teilnehmer auf den Startnummern aufgedruckt sind, so kann man jeden mit Namen ansprechen und ggf. auch mal aufmuntern (Übrigens, danke Steffi :)

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Das ich überhaupt angehalten habe ärgert mich zwar etwas, aber es hat mir gut getan, und ich kurbele ganz solide weiter. Natürlich ist auch dieser Anstieg viel länger als erhofft, aber ich kann meine Kräfte beisammenhalten und muss nicht mehr vom Rad. Ich kann sogar immer mal die herrliche Aussicht genießen. Naja, kurz jedenfalls.

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Es ist schon etwas Quälerei, und mental bin ich dieses Jahr einfach nicht so stark. Aber ich komme an der Labstation auf der Pillerhöhe an. Und sooo viel habe ich jetzt auch nicht verloren.

An der Verpflegungsstation fülle ich beide Flaschen mit dem Powerstar Iso auf, esse etwas Obst und vor allem Brot, Wurst und Käse. Riegel gibt es hier leider keine, so stecke ich mir ein paar Waffeln ins Trikot.

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Die Abfahrt beginnt zunächst moderat, es geht sogar nochmal bergauf, ich mache mir schon sorgen, ob es nochmal richtig steil berghoch geht, dann führt die Straße aber sehr schön am Hang über dem Inntal bergab. Auch diese Abfahrt ist eine normal Alpenabfahrt, also nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung angekündigt. Durch meine schlechte Vorderbremse ist für mich allerdings schon etwas mehr Vorsicht geboten. Zum Glück wird das Bremsverhalten mit der Zeit sogar etwas besser. Alles in allem hat mich das auf den Abfahrten bis jetzt aber sicher schon einige Minuten gekostet.

Auch nach dieser Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Zunächst nur so vier, fünf Fahrer, die Gruppe läuft auch ganz gut. Dann wird die Gruppe größer und uneffektiver. Wir sammeln immer mehr Fahrer und kleine Gruppen ein, mit jedem Fang scheint die gesamte Gruppe langsamer zu werden. Es arbeitet zwar in mir, aber ich halte mich zurück. Ich will nur unbedingt das Zeitlimit in Laatsch für den Aufstieg zum Umbailpass und Stilfser Joch schaffen. Ob ich dann wirklich drüber komme sei mal dahingestellt. Aber das ist mein Ziel.

So rolle ich in der Gruppe mit und akzeptiere das Gewusel. Nur als einer abreißen lässt ackere ich mich nach vorne und schließe mich dem vorderen Teil der Gruppe an, bzw. zieht sich dann alles wieder zusammen. Trotz der unruhigen Gruppe genieße ich zwischendurch die schöne Landschaft. Bis jetzt war die ganze Strecke traumhaft schön, das gute Wetter tut sein Übriges. Alpentraum ist also durchaus eine passende Bezeichnung für das Rennen.

Wir fahren immer auf der „Dorfstraße“, die die Bundesstraße immer mal wieder kreuzt und vor allem recht wellig ist. An den kleinen Hügeln muss ich öfters ordentlich kämpfen um dran zu bleiben. Dann entspannt sich das Ganze etwas und es geht überwiegend abwärts. So fahren wir eine ganze Weile durch das Tal. Mittlerweile ist die Gruppe sehr groß und sehr langsam. Vorne fahren zwei Radler die sich gemütlich unterhalten.

Irgendwann reicht’s mir dann aber. Als ein ziemlich grell pink-blau gekleideter Radfahrer nach vorne fährt um etwas Tempo reinzubringen schließe ich mich an, aber nach wenigen Metern fahren wir alleine, die Gruppe kommt nicht mit. Gibt’s doch nicht. Egal, wir fahren zu zweit, wobei mein Mitstreiter die meiste Führungsarbeit macht, er fährt wohl lieber vorne?! Anyway, vielen Dank für den Windschatten.

Den braucht man hier auch wirklich, denn schon seit dem Hahntennjoch haben wir praktisch immer Gegenwind. Mal stärker mal schwächer, aber auf jeden Fall nervig. Kurz vor dem Abzweig zum nächsten Anstieg holt uns aber die große Gruppe wieder ein. Ich überlege kurz ob ich mich ärgern soll weil ich etwas Körner verschwendet habe, aber vielleicht hätte die Gruppe auch nicht beschleunigt wenn wir nicht vorgefahren wären, so hatten doch letztlich alle was davon…

Den Anstieg in Richtung Nauders hatte ich anders in Erinnerung, ich bin bis jetzt immer nur über die Bundesstraße gefahren (im Rahmen einer geführten Tour, eigentlich ist der Reschenpass kein attraktiver Radlerpass, nicht steil genug und zu wenig Verkehr), so dass ich etwas die Orientierung verliere. Aber auch diese Seite steigt moderat an. Trotzdem fällt mir das Bergauffahren schwer.

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Wieder trete ich nur im G1 Bereich. Ich kann zwar verhindern, dass die Leistung unter 200 Watt absinkt, was ein deutlicher Unterschied zu der Katastrophe von vor zwei Wochen ist, aber richtig Power habe ich nicht. Mir ist auch warm, obwohl es gerade mal 17° C hat.

Mein Kopf schreit schon wieder absteigen. Oje, wenn’s an diesem Pässchen schon so weit ist, wird der Rest wirklich hart. Und die 15:30 Uhr Marke für Laatsch schwebt ja auch noch im Raum. Ich versuche mich zusammenzureißen, aber es fällt schwer. Eigentlich ist alles ok, ich fahre nicht mal im kleinsten Gang, trotzdem fällt es mir einfach schwer. Nach ein paar Kilometern bleibe ich stehen. Trinken, durchschnaufen, weiterfahren.

Jetzt geht es etwas besser. Es wird auch zunehmend kühler. Ich frage mich nur, wann die Serpentinen nach Nauders hoch kommen. Dann zeichnet sich die Passhöhe ab, aber wir sind ja noch nicht mal in Nauders. Es wird wieder schwerer. Irgendwie wünsche ich mir, dass Andrea und Jörg, die ja in Nauders fast so zu Hause sind wie im Westerwald, da oben stehen und mich anfeuern, das hat beim ersten Ötzi so gut getan, als sie da mit Maj-Britt am Timmelsjoch standen und nochmal die letzten Kräfte in mir frei gesetzt haben mit ihrer Unterstützung. Aber das wird natürlich nicht so sein.

Mittlerweile habe ich den höchsten Punkt erreicht, das ist die Norbertshöhe. Jetzt geht es nach kurzer Abfahrt erst mal durch Nauders. Es ist richtig kalt hier oben und windig. Herrlich, trotz kurz/kurz kann es mir gar nicht kalt genug sein, unter zehn Grad fühle ich mich erst halbwegs brauchbar. Meinem Wunsch wird entsprochen ;)

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Nach kurzer Fahrt durch den Ort ist die Verpflegungsstation erreicht. Ich lege mein Fahrrad an die Seite und futtere mich durch das Angebot, inkl. „Nudelsuppe Bolognese“. Außerdem fülle ich die Flaschen mit Iso auf. Das schmeckt heute richtig gut. Vier halbe Riegel stecke ich mir auch noch ein.

Weiter geht es auf einem Fahrradweg. So hundert Meter vor mir sind zwei, drei vereinzelte Fahrer, hinter mir kommt erst mal niemand. So fahre ich alleine gegen den jetzt recht heftigen Gegenwind.

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Ich hole die Fahrer vor mir zwar ein, aber keiner hängt sich dran, so fahre ich alleine weiter. Ich sehe von hinten auch nix kommen, so dass es keinen Sinn macht zu warten. Dann biegt der Fahrradweg auf die Bundesstraße ein. Die Polizei unterstützt uns und hält die Autofahrer an, so dass wir gefahrlos auf die Straße in Richtung Reschen einbiegen können. Jetzt habe ich die Orientierung wieder.

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Leider kommt immer noch keine Gruppe und vor mir ist auch nichts zu sehen. So fahre ich alleine am Reschensee entlang. Der Wind peitsch ordentlich von vorne, der See ist recht aufgewühlt und die Kitesurfer freuen sich. Ich finde es gerade nicht so lustig. Ich fahre etwas grummelnd vor mich hin, als dann endlich doch eine Gruppe von hinten kommt. Ich hatte auch nicht zu viel Gas gegeben, macht eh keinen Sinn.

So rollen wir am See entlang in Richtung Vinschgau. Die Beine haben sich ganz gut erholt, die Probleme im unteren Rücken und rechten Bein haben sich tatsächlich „ausgefahren“. Vor allem aber hatte ich noch keinerlei Knie- oder Oberschenkelbeschwerden im linken Bein. So hatte ich mir das gewünscht. Das Zeitlimit für den Aufstieg über den Umbrailpass sollte ich auch locker schaffen. Ich bin zwar jetzt eher am Ende des Hauptfeldes, aber noch über eine Stunde vor dem Timecut.

Ich überlege aber trotzdem ob ich nicht lieber die Umfahrung nehmen soll und eben nicht über das Stilfser Joch fahren soll. Ich fahre schon ziemlich schwach bergauf, und der Umbrail ist heftig. Mir ging es ja irgendwie hauptsächlich darum, dass Zeitlimit zu schaffen um mich entscheiden zu können.

Die Abfahrt ins Vinschgau ist geil. Diese riesige Talstufe fand ich schon bei meinem allerersten Besuch 2009 faszinierend. Außerdem ist es herrlich zu fahren mit sanften Kurven, so dass man die Bremsen kaum braucht und einfach ins Tal sausen kann.

Eine gute Stunde vor dem Zeitlimit ist Laatsch erreicht. Es gibt keine Streckenauswahl, es werden wohl nur die Fahrer umgeleitet die nach 15:30 Uhr dort ankommen. Also geht es in den langen Aufstieg in Richtung Stilfser Joch.

Denn schon nach kurzer Zeit steigt die Straße an, und man fährt, immer mit soliden Steigungsprozenten auf dem Radcomputer, den langen Weg durch das Münstair Tal in Richtung Santa Maria wo der Beginn des Umbrailpasses liegt.

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Hier ist es jetzt wieder ordentlich warm. Deutlich über 20° C. Aber nun komme ich besser damit zurecht. Die Beine funktionieren wieder ganz gut und ich kann die lange Steigung mit ca. 250 Watt bestreiten, was mir die Möglichkeit gibt zu dosieren und mit vernünftiger Trittfrequenz zu fahren. Ich fahre die meiste Zeit alleine, ein paar wenige Fahrer fahren weit verstreut auseinander. Das heißt ich bin wirklich ziemlich am Ende des Hauptfeldes, allerdings komme ich vorne denen näher und hinten die fallen zurück, auch ein Zeichen das es jetzt wieder besser geht.

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Nach einer Weile lässt die Steigung nach und es geht teils flach, teils moderat ansteigend durch einige Ortschaften. Da spricht ein anderer Fahrer mich an ob ich das mit dem steilberghoch.com Blog wäre. Offensichtlich liest er meine Bericht ab und zu. Cool, freut mich immer wenn den Leuten meine Berichte gefallen.

Kurz vor Santa Maria biegt die Strecke links in einen richtig steilen Feldweg. So richtig steil. Ich muss ganz schön ochsen, und komme gerade so hoch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir nicht die Standardstrecke durch das Dorf fahren.

Anyway, nach ein paar hundert Metern kommt die Verpflegungsstation. Nochmal fülle ich die Flaschen auf und esse noch ein bisschen was. Die Riegel hatte ich noch gar nicht angerührt, aber die kann ich sicher auf dem nun folgenden schweren Anstieg gebrauchen.

Zunächst geht es mal recht gerade eine steile Rampe hoch, bevor es über Serpentinen aus den Wiesen in den bewaldeten Abschnitt geht. Die Beine funktionieren. Zwar ist es sehr anstrengend, aber ich fühle mich ganz brauchbar. Ich habe auch genug Power um die Trittfrequenz in angenehmen Bereichen zu halten. Ich schätze mal der gesamte Anstieg bis auf die Passhöhe des Stilfser Joch dürfte so um 20 Kilometer liegen. Eigentlich ein normaler Alpenpass, aber für mich nach den letzten Wochen eine unvorstellbar lange Bergaufstrecke.

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Es folgt Serpentinengruppe auf Serpentinengruppe. Die Temperatur ist angenehm, aber die Steigung lässt selten nach und dann auch nur wenig. So wird es natürlich mit jedem Höhenmeter anstrengender. Die Kilometer vergehen überhaupt nicht. Ich schaue auf den Tacho, fahre und fahre und fahre, und schaue wieder auf den Tacho und da steht noch genau das Gleiche. Verdammt hat der Radcomputer das GPS-Signal verloren?

Nein, nach weiteren, gefühlt unendlich vielen Kurbelumdrehungen, springt die Anzeige endlich einen Kilometer weiter.

Die Temperatur sinkt. Es ist jetzt wirklich frisch. Die Beine jammern etwas, aber treten trotzdem weiter brav um 250 Watt. Ich denke vor mich hin und muss feststellen, dass es gut ist nicht abgesagt zu haben. Nach dem desaströsen Erlebnis beim Alpenbrevet tut es mir gut nochmal was „normales“ zu erleben. Normal im Sinne von „es ist sauanstrengend, weil es eben lang und steil ist, aber eben auch nur das und nicht mehr“. Aber eben auch nicht weniger, ich muss ganz schön kämpfen.

Die Straße führt aus dem Wald heraus, nachdem man eine Brücke überquert geht es recht lange eher gerade, aber genauso steil, berghoch.

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Das Stück Naturstraße, dass ich beim letzten Mal noch gefahren bin gibt es nicht mehr, jetzt ist alles geteert. Offenbar wurde der Pass insgesamt etwas ausgebaut, was sich auch in deutlich gesteigertem Verkehrsaufkommen bemerkbar macht. Immer mal wieder zerreißt ein kreischendes Motorrad die Stille. Ich glaube alle die sich gerade hier im Pass und den umliegenden Bergen befinden denken dasselbe darüber außer dem Motorradfahrer selbst. But anyway, ich genieße trotz der Anstrengung die geile Landschaft.

Auch wenn es schwerer und schwerer fällt. Denn die jetzt folgende Serpentinengruppe ist noch weit von der Passhöhe entfernt. Immer wieder hat man den Eindruck jetzt müsste man doch bald oben sein, nur um einzusehen, dass es noch etliche Höhenmeter, Serpentinen und Kilometer zu bewältigen gilt. Obwohl ich den Pass schon mal gefahren bin geht es mir so.

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Mittlerweile bin ich zehn Kilometer gefahren, also ungefährt die Hälfte? Oje, ich müsste ja nochmal so lange fahren bis ich oben bin…

Kurbeln, kurbeln, zum Glück aber kann ich das Gefühl absteigen zu wollen unterdrücken. Es ist jetzt wirklich sehr kalt und der Wind bläst wieder heftiger entgegen. Als ob die Steigung hier am Umbrailpass alleine nicht genug wäre. Mittlerweile bietet sich ein herrlicher Blick zurück ins Tal, aber bis oben ist es noch weit.

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Nochmal eine Serpentinengruppe und dann nochmal eine mehr als gedacht. Und dann geht es immer noch weiter, das gibt’s doch nicht, hört das verdammte Ding den überhaupt nicht auf?

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Aber schließlich zeichnet sich die Passhöhe ab. So ca. 13, 14 Kilometer sind es wohl bis hierher gewesen. Die Straße flacht ab, am Passschild vorbei geht es zur Verpflegungsstation. Der Blick auf die schneebedeckte Passhöhe des Stilfser Joch ist beeindruckend, so wie der Blick auf den Teil der Strecke der bis dorthin noch zu bewältigen ist.

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Ich fülle die Flaschen nochmal auf, ich habe immer noch die vier halben Riegel, dass dürfte wohl reichen bis Sulden. Allerdings soll der Schlussanstieg nochmal heftig sein. Ich finde, man hätte hier jetzt schön hinunter fahren können nach Bormio, als Belohnung für die ganze Anstrengung eine tolle Abfahrt ins Ziel. Aber es sollten wohl einfach mehr Höhenmeter als beim Ötzi sein, so haben wir noch einen Anstieg vor uns. Eigentlich noch zwei.

Es ist nur wenig über Null Grad hier hoben, der kalte Wind bläst heftig, so setze ich mich wieder auf’s Rad und fahre vorbei an den Schuppen die mir bei dem Hagel- und Schneesturm 2011 Unterschlupf geboten hatten.

Heute ist die Strecke schneefrei und trocken. Es hat etwas Gegenwind, aber je höher man kommt, desto mehr nimmt er ab. Interessant, ist mir aber nur recht. Der Schlussanstieg bis zur Stilfser Joch Passhöhe geht erstaunlich gut. Es sind nur drei Kilometer, da hatte ich mich zum Glück etwas verschätzt.

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Die letzten Meter zur Passhöhe fühlen sich gut an. Oben mache ich noch ein Foto und ziehe erstmals für heute die Weste zum Schutz vor Wind und Kälte an. Dann geht es in die lange Abfahrt durch die 48 Kehren der Stilfser Joch Nordseite hinunter nach Gomagoi.

Der Belag ist oben teils ziemlich vom Frost angegriffen, außerdem schlafen mir die Finger ein. Links kann ich bald kaum noch bremsen vor Kälte und Taubheit der Finger. Das rechte Knie schmerzt etwas so im Bereich Patellasehne. Links ist nach wie vor alles ok.

Die Abfahrt zieht sich sehr. Ich fahre ziemlich alleine, ich überhole zwei Fahrer und zwei Fahrer überholen mich, sonst heißt es einfach auf der Strecke bleiben. Durch die vielen Serpentinen muss man immer wieder antreten um Geschwindigkeit aufzunehmen. Das entspannt sich erst im unteren Teil.

Unten wird es auch etwas wärmer, aber ich bin an den Händen und am Kopf ganz schön kalt. Die Abfahrt zieht sich, aber als Gomagoi erreicht ist fühle ich mich eigentlich ganz wohl. Ich nehme den Abzweig nach Sulden, hineingewunken von freundlichen Helfern, die sicher schon ganz schön lange hier stehen.

Es geht erst mal ordentlich berghoch, dann aber flacht die Straße ab. Die letzte Verpflegungsstation fahre ich nicht mehr an, denn die Flaschen sind noch fast voll, immer noch habe ich die vier halben Powerbarriegel und sonst brauche ich nichts mehr. Im Augenwinkel nehme ich ein Schild war auf dem „noch 12“ draufsteht. Ich bin etwas unsicher ob die Strecke nun 252 oder 256 Kilometerlang ist. Wenn ich jetzt noch 12 Kilometer fahre komme ich auf 255. Hm, ich bin etwas verwirrt, außerdem sind es laut Garmin noch fast 900 Höhenmeter, ich hoffe einfach nur, dass das Teil die bisher gefahrenen Höhenmeter unterschätzt hat…

Ich halte nochmal kurz am Straßenrand an um die Weste auszuziehen, dann nehme ich den Schlussanstieg in Angriff.

Kurz geht es noch moderat aufwärts, dann zieht Steigung an. Wie angekündigt wird es wirklich nochmal steil, ich hoffe einfach, dass ich den Rest jetzt auch noch durchstehe.

Ich komme eigentlich relativ gut voran, kann sogar ein paar Fahrer einholen. Eine Radlerin schiebt ihr Rad, ich versuche ihr was aufmunterndes zuzurufen, aber sie reagiert nicht. Aber sie kommt sicherlich auf jeden Fall ins Ziel. Das ist es auch was ich mir erhoffe.

In einem kleinen Tunnel geht es recht steil bergauf, danach flacht die Straße aber immer mal wieder etwas ab. Und so geht es weiter, dass die Steigung immer mal zunimmt, teils so, dass man ordentlich kämpfen muss, dann aber wieder abflacht.

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Psychologisch ist es für mich immer am besten wenn man mir vorher erzählt, dass ein Anstieg unglaublich steil und böse ist und die Straßenführung dann aber gar nicht so schlimm ist. Genau das ist hier der Fall. Vor allem gegen Ende ist die Straße erstaunlich flach.

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Noch fürchte ich, dass irgendwas böses noch kommt, weil ich mir nicht sicher mit den noch zu fahrenden Kilometern bin, aber nach einem Abzweig fährt man schon auf Sulden zu, und ich weiß jetzt, dass das heute ein ganz ordentlicher Tag wird.

Ich überhole zwei Radler, die überholen mich wieder. Immer noch bin ich etwas misstrauisch ob noch was fieses kommt, aber dann steht da tatsächlich schon das 1000 Meter Schild. Wie geil. Es sind also 252 Kilometer.

Ich ziehe einen richtigen Schlussspurt an gebe nochmal alles was ich habe. Ich überhole die zwei wieder und rase durch Sulden, dann ein letzter Rechtsknick und das Ziel kommt in Sicht.

Fast hätte mich nochmal ein von rechts kommendes Auto abgeräumt, aber alles geht gut, und dann ist das Ziel erreicht! Über zwölf Stunden saß ich auf dem Rad, aber es war wirklich sehr geil. Die zwei Schwächemomente in der Auffahrt zur Pillerhöhe und am Anstieg zur Norbertshöhe sind vergessen. Und dunkel ist es auch noch nicht…

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