Freitag, 30. Dezember 2011

Saisonfazit 2011

2011 war ein wirklich ereignisreiches steilberghoch Jahr. Auch wenn es abrupt geendet hat, so kommt es mir in der Rückschau doch sehr lange vor. Ich kann kaum glauben, dass Trondheim - Oslo dieses Jahr war und nicht etwa schon 2010.

Wenn ich die Augen schließe habe ich andererseits sofort die Bilder vor mir, wie ich mich an der letzten Steigung auf der abgesperrten Autobahn kurz vor Oslo am Berg davon mache, und dann auf der riesigen, leeren, beleuchteten Straße alleine dem Ziel entgegen fahre. Und dann die Zieldurchfahrt, locker nach 540 Kilometern. Mein erster 500er in ganz ordentlicher Zeit. Ein wunderbares Rennen, ein herrliches Gefühl. So eindrucksvoll, dass noch viele weitere Bilder immer wieder vor meinem geistigen Auge auftauchen: das Racing auf den ersten 250 Kilometern, die Einsamkeit bei der langen Alleinfahrt zwichen Kilometer 300 und 400, das seltsame Gefühl auf dem Tacho 420 Km zu lesen, die jubelnde Menge bei einem Zwischensprint an einem Kontrollpunkt irgendwo zwischen Lillehammer und Oslo, die Lagerfeuer mit tanzenden, betrunkenen, anfeuernden Menschen vor Oslo, und so viele mehr, dass ich diesen ganzen Artikel nur mit Bildern vom styrkeproven füllen könnte.

Dabei habe ich ja die ersten schönen Bilder schon im Mai verinnerlichen können. Mit Marco auf der frisch geteerten Straße zum Fährhafen nach Carloforte auf San Pietro. Die bergige Landschaft Sardiniens auf der einen Seite, das Meer auf der anderen, dazu blauer Himmel und Sonne bei angenehmen Temperaturen. Einfach fantastisch. Dieses "Trainingslager" war eine wirklich gute Idee und hat sehr geholfen den Arbeitsstress vorher zu verarbeiten.

Dabei fing das Jahr nicht so richtig gut an, denn schon früh hatte ich mir beim Krafttraining eine Verletzung zugezogen, so dass ich nicht trainieren konnte wie ich es eigentlich geplant hatte. Ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass ich trotzdem durchgehalten habe, und mich auch nicht von dem dummen Geschwätz des Orthopäden habe einschüchtern lassen.

Meine Ziele für 2011 waren vielleicht etwas optimistisch gesteckt. Während ich anfangs nur mein Level vom Vorjahr halten wollte, hatte ich doch schnell die Idee ich könnte einen Sprung machen in meiner Leistungsfähigkeit. Aber gerade im Ausdauersport, und vor allem wenn man erst in hohem Alter mit umfangreicherem Training beginnt, geschehen Fortschritte nur allmählich, schließlich muss ich ja auch noch gegen den altersbedingten Kraft- und Fitnessverlust ankämpfen. So hatte ich mir für den Glocknerkönig eine zu ehrgeizige Zeit gesetzt, und obwohl ich mich verbessert hatte eine herbe Enttäuschung erlebt.

Ein bisschen enttäuscht war ich auch zunächst von meiner Zeit beim Alpenbrevet. Aber im nachhinein war das völlig ok. Ich habe doch einiges gelernt, gerade aus diesem Event. Erstens werde ich 2012 mehr Rennen fahren, der Trainignseffekt ist doch enorm, und ich bin nicht mehr so ängstlich mich zu überfordern. Zweitens weiß ich jetzt, dass ich nicht nur 500 Kilometer am Stück fahren kann, sondern auch, dass bei 7000 Höhenmetern am Tag noch nicht Schluss sein muss. Das hat mir das Selbstvertrauen gegeben mich für den Schweizer Radmarathon Bern-Bodensee-Bern anzumelden und die 720 Kilometer Strecke zu versuchen. Drittens habe ich gelernt, dass es tierisch Spaß macht vorne mitzufahren, und dass ich viertens von Anfang an mehr essen muss, sonst gibt es einen Einbuch wie am Lukmanier.

Aber das schönste am Alpenbrevet war wohl der Fakt, dass ich dadurch und durch das Training vorher die Schweizer Alpen, vor allem das Berner Oberland kennengelernt habe. Nicht zuletzt dadurch habe ich elf neue Pässe kennengelernt, mit ca. 30 Auffahrten. Allein diese Zahl zeigt schon was für ein intensives steilberghoch Jahr hinter mir liegt.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch für die netten Kommentare und Emails bedanken die ich von den Lesern von steilberghoch.com bekommen habe. Ich hoffe meine Berichte und Bilder sind nützlich für eure eigenen Touren, und unterhaltsam für die, die nicht selbst fahren.

Nicht nur die Schweizer Pässe waren spektakulär, auch die Kosten die anfallen, wenn man sie erleben will sind spektakulär. Somit habe die zwei sicher teuersten Radfahrländer Europas dieses Jahr bereist, nämlich Norwegen und die Schweiz.

Als Entschädigung gab es unbezahlbare Eindrücke, nicht nur wie oben beschrieben in Norwegen, sondern auch in der Schweiz. Der Blick von der Grimselpasshöhe hinunter nach Gletsch, mit gleichzeitigem Blick auf den Furkapass und den Rhone Gletscher sucht sicher seinesgleichen. Mit dem Gotthard Pass und der Auffahrt über die Tremola konnte ich einen weiteren echten Klassiker unter den Pässen in mein Palmares schreiben. Aber landschaftlich fantastisch sind alle schweizer Pässe, die ich dieses Jahr gefahren bin, und das waren wie gesagt eine ganze Menge...

Aber nicht nur die schweizer Alpen und die (für deutsche Rennradler) exotischen Orte wie Sardinien und Norwegen sind für eindrucksvolle Bilder in meiner Erinnerung verantwortlich. Auch meine Auffahrten in Österreich und Südtirol waren fantastisch. Das Hahntennjoch mit seiner wundervollen Abfahrt in Richtung Elmen, und vor allem am gleichen Tag die Auffahrt zum Rettenbachferner. Das erste mal, dass ich mich auf der Söldener Gletscherstraße nicht elend gequält habe. Vielleicht mein größter persönlicher Erfolg dieses Jahr. Aber auch das herrliche Gefühl im Gletscherrestaurant in der Sonne zu sitzen und Kaiserschmarrn zu essen, mit der Befriedigung soeben die Kaunertaler Gletscherstraße in annehmbarer Zeit bezwungen zu haben möchte ich nicht missen.

Das Wetterkapriolen wie am Stilfersjoch in Erinnerung bleiben ist klar, aber auch wenn ich am Col de l'Iseran schon fiesere Temperaturen und Eis überstanden habe, in Hagelsturm und Gewitter zu fahren bei über 2500 Metern Höhe und dann vor allem ein Sturm wie ich ihn noch nie erlebt habe, das war schon spektakulärer als mir lieb war. Die letzten Kilometer in der weißen Stille und die krasse Abfahrt im Schneematsch, solche Erlebnisse gibt es nur, wenn man sich der Natur aussetzt, und ich kenne momentan keinen schöneren Weg das zu tun als mit dem Rennrad in den Alpen. Selbstverständlich ist das Risiko kalkuliert. Aber gerade in den Bergen muss man Respekt und Demut vor der Natur und ihrer Gewalt haben, und wenn man das hat wird man mit unvergesslichen Erlebnissen belohnt.

Das man auch Respekt vor 18% Abfahrten haben sollte, habe ich bei meinem Saisonabschluss gelernt. Auf die harte Tour. Allerdings war meine "Saisonabschlussfahrt" 2011 ein echtes Highlight, trotz des abrupten Endes. Die zwei Nächte am Fuße des Mont Ventoux haben mir einen unglaublichen Fahrradtag beschert. Die drei Auffahrten hinauf auf den Ventoux waren fantastisch. Die klassische Auffahrt von Bedoin ein wirkliches Highlight. Dies nochmal zu toppen sollte eigentlich unmöglich sein, und doch, schon zwei Tage später stand ich auf dem Gipfel des Pico Veleta, bin mit dem Rennrad auf den höchsten asphaltierten Punkt Europas (präziser: höchster schlecht asphaltierten Punkt Europas) gefahren. Zusammen mit den beiden folgenden Auffahrtsvarianten über Guejar Sierra und Monachil war dies der Höhepunkt der ganzen Saison, ohne tatsächlich eine Reihenfolge meiner Erlebnisse in dieser spektakulären Saison aufstellen zu wollen.

Der Sturz in Monachil hat mir natürlich die Verletzlichkeit des Rennradlers drastisch vor Augen geführt. Aber auch die Widerstandsfähigkeit und die Heilungskräfte des menschlichen Körpers.

Von einer Sekunde auf die andere statt Hochgefühle im Kampf gegen Berg und Wetter nur noch ein jämmerliches Kriechen auf allen Vieren um nur die vier Treppenstufen zum Hotel hochzukommen, eine wirklich schwierige Situation. Dazu die Ungewissheit, ob auch alles wieder vollständig heilt, oder ob man vielleicht einen bleibenden Schaden behält.

An diesem Punkt kommt es darauf an, das Ganze psychisch wegzustecken. Wieder ins Training zu kommen, die Zwangspause als gegeben hinzunehmen und sich nicht entmutigen zu lassen. Eine der wenigen Situationen in denen erfolgreiche Sportler, auch aus dem Profibereich, als Vorbild dienen können. (Denen eine moralische Vorbildfunktion zuzusprechen halte ich für absurd.) Denn gerade die sind erfolgreich, die Verletzungen und Niederlagen am besten wegstecken können.

So werde ich meine Ergebnisse beim Glocknerkönig und Alpenbrevet, genauso wie meinen Sturz am Pico Veleta als lehrreiche Erfahrungen verbuchen, und mich in die Saison 2012 von den fantastischen Erlebnissen in 2011 hineintragen lassen. Mit neuen Zielen auf etwas längeren Strecken...

Freitag, 2. Dezember 2011

Auferstanden aus Ruinen!

Nach 7 Wochen ist mein Fahrrad wieder auferstanden! Neuer Rahmen, neuer Lenker und Vorbau, andere STI Hebel, neue Züge und Kabel, neue Kurbel, neue Laufräder, neue Reifen, neue Kassette, neue Sattelstütze, neuer Sattel. Mit anderen Worten, außer den Bremsen und dem Di2 Akku ein komplett neues Fahrrad.


Die Betrachtung der defekten Einzelteile hat mir nochmal die Wucht des Einschlages vom Fahrrad gegen die Felsböschung vor Augen geführt. Vor allem der gebrochene Lenker hat mich sehr beeindruckt. Der ist nämlich eigentlich enorm stabil. Zum Glück war das Fahrrad also nach dem Sturz durch das herausgeschlagene Hinterrad nicht mehr benutzbar, denn sonst wäre ich sicherlich wieder irgendwie aufgestiegen und hätte versucht noch abzufahren bis zum Hotel, was wohl zu einem erneutem Sturz durch "Bauteilversagen" geführt hätte.

Nun, so habe ich durch meinen Sturz, der allerdings auf "Fahrerversagen" zurückzuführen ist, doch was gelernt. Nämlich erstens muss man sich um hochwertige Carbonbauteile im Fahrradbau nicht die geringsten Sorgen machen, die halten enorme Belastungen aus. Zweitens, wenn man doch mal "richtig" stürzt trotzdem ab mit dem Zeug in die Tonne. Auch wenn es finanziell weh tut.

Das neue Fahrrad hätte eigentlich nochmal einen Motivationsschub bringen sollen, allerdings war der Verlauf der körperlichen Genesung gerade da scheinbar auf einem Tiefpunkt. Natürlich bin ich ungeduldig, aber nachdem es erst drei Wochen sehr langsam aber stetig bergauf ging, und ich fast jeden Tag ein kleines Erfolgserlebnis hatte, indem ich mich etwas besser bewegen konnte oder irgendwann sogar auf dem Rücken und schließlich sogar auf der rechten Seite liegen konnte, kam nach drei Wochen eine Wende zum Schlechteren.

Nun hatte ich Schmerzen in den Beinen, die zuvor eigentlich gar nicht betroffen waren. Offensichtlich drückte der sich änderende innere Bluterguss auf einen Nerv, so dass, verstärkt durch meine schiefe Schonhaltung, neue Schmerzen auftraten. Da sich drei Wochen lang nichts mehr verbesserte, sondern die Situation vor allem durch das Arbeiten eher immer schlechter wurde, war ich dann so verunsichert, dass ich mich nicht mehr auf mein Körpergefühl verlassen konnte. Mir war völlig unklar ob Bewegung oder Ruhigstellen die bessere Wahl ist.

Sowas frustriert natürlich. Und sich näher mit den verschiedenen Folgen und Ausprägungen von Prellungen zu beschäftigen hat eher zur Verunsicherung beigetragen. Schließlich bin ich nochmal zum Ortophäden gegangen und der hat zwei blockierte Wirbel im Lendenwirbelbereich gelöst. Nach einer weiteren Woche war es dann immer noch nicht wirklich besser, so dass ich mir gerade vorgenommen hatte nochmal einen Internisten aufzusuchen, als es von einem auf den anderen Tag sprunghaft besser wird.

Und wenn bis dahin alle "Glück im Unglück" Gedanken komplett aufgebraucht waren und ich anfing mir echt Sorgen über möglicherweise bleibenden Folgen meines Sturzes zu machen, so geht es seitdem wieder steil bergauf. Keine Schmerzen im Alltag mehr, und außer Seitstütz rechts kann ich eigentlich wieder alles trainieren. Selbst Kreuzheben mit leichten Gewichten geht.

Und die Erleichterung darüber hellt natürlich auch die Stimmung auf. Der Blick ins Blog mit dem hässlichen Damenfahrrad als erstes Bild hat mich so frustriert, dass ich den Browser immer gleich wieder geschlossen habe. Das SL3 Roubaix macht sich da doch gleich viel besser...

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Damenrad statt Carbonrenner

Anderthalb Wochen ist der blöde Sturz jetzt her, und heute bin ich das erste mal wieder Fahrrad gefahren. Mit dem Damenrad, weil ich auf meine Fahrräder nicht draufkomme.

Herzlichen Dank an Tina für das Ausleihen!

Mein geliebtes SL3 Roubaix geht tatsächlich in den Schredder! Es gibt einen Austauschrahmen zum halben Preis im Rahmen des Crashreplacement von Specialized. Ein kleiner Trost. Lenker und Vorbau wird auch geschreddert. Die Bremsschalthebel der Di2 und ein bisschen Kleinkram sind ebenfalls beschädigt.

Das ist natürlich teuer, aber letztlich zweitrangig, ärgerlich ist vielmehr, dass ich mittlerweile fast gar nicht mehr richtig gehen kann. Der Schmerz kommt eher stechend plötzlich, so dass ich unwillkürlich seltsame Ausweichbewegungen mache. Das schadet der eleganten Austrahlung meines Ganges ungemein.

Da stehen und liegen auch nicht so toll ist, bleibt nur sitzen. Am besten auf dem Ergometer, eigentlich fühle ich mich da noch am wohlsten, so dass ich seit Sonntag jeden Abend immerhin eine halbe bis dreiviertel Stunde "fahre" (Rekom um 120 Watt). Ich habe eh mit der Saison abgeschlossen, so kann ich mich schon mal auf das Wintertraining einstellen. Die Idee die Unfallstrecke dieses Jahr nochmal zu fahren habe ich verworfen, der Heilungsprozess braucht doch etwas länger wie ich mir das in meiner Ungeduld vorgestellt habe, und beruflich passt es auch nicht recht.

So habe ich mir das Ganze nochmal mit Google Streetview angeschaut, und bin immer wieder erstaunt, wie ich mich da so verschätzen konnte. Auch über Streeetview unterschätzt man das Gefälle bergab, während man bei Blick in die bergauf Richtung immerhin ahnen kann, dass es da recht steil ist. Die Kurve sieht überhaupt nicht eng oder so aus,  allerdings kann man auch erkennen, dass die mit sechzig nun wirklich nicht geht...

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Fazit Saisonabschlussfahrt Ventoux / Veleta

Dieses Fazit wollte ich eigentlich am Strand von Almeria schreiben... Aber auch so fällt es positiv aus.

Die zunächst etwas abwegige Idee mit dem Auto bis nach Andalusien zu fahren, statt zu fliegen hat sich eigentlich bewährt. Das langsame Ankommen, mit dem Durchqueren der unterschiedlichen, zum Teil für mich neuen Landschaften, hat mir gut gefallen.

Vor allem aber habe ich so den Mont Ventoux in einem Zwischenstopp noch mit eingebaut, den ich sonst wohl kaum für ein Wochenende angefahren hätte. Und das habe ich nun wirklich nicht bereut. Interessant sind alle drei Anfahrten auf die Passhöhe, wobei die von Bedoin für mich mit Abstand die attraktivste und interessanteste war, und zwar bergauf wie bergab.

Sportlich gesehen ist die Auffahrt von Malaucene fast ebenbürtig, wobei ich glaube, dass im Sommer bei Gluthitze die Auffahrt von Bedoin doch deutlich anstrengender ist. Die Auffahrt von Sault ist auf jedenfall auch interessant, aber der sportlich anspruchsvolle Teil ist genau jener Abschnitt, der mit der Auffahrt von Bedoin identisch ist. Außerdem ist der Straßenbelag von Sault bis zum Chalet Raynard wirklich schlecht, was vor allem in der Abfahrt nervt.

Mit dem Wetter hatte ich in der Provence Glück, so dass ich die ungewöhnliche Aussicht in vollen Zügen genießen konnte, dazu die netten Franzosen, die romantisch schöne Landschaft, die typisch provencalischen Örtchen Bedoin, Malaucene und Sault, wirklich perfekt. Die Reise zum Mont Ventoux lohnt sich auf jedenfall, auch wenn es von Deutschland aus sehr weit zu fahren ist.

Hochinteressant fand ich die Tatsache, dass sich an diesem Berg auch viele Radler versucht haben, deren Trainingszustand offensichtlich nicht ausreichend für einen richtigen Alpenpass war. Das hat mich sehr an Trondheim - Oslo erinnert, wo das Rennen für die Norweger so eine große Bedeutung hat, dass man sich auch daran versucht, wenn es eigentlich nicht reicht. Das scheint mit dem Ventoux in Frankreich ähnlich zu sein. Für jemanden der gut z.B. das Timmelsjoch hochkommt sollte der Berg, egal von welcher Seite, aber kein Problem darstellen. Der Myhtos rührt eher her von den fiesen Bedingungen mit Hitze und heftigem Wind her, die dort herrschen können, und natürlich durch den Tod von Tom Simpson bei der Tour 1967. (einige Fahrer dieser Zeit hatten krasse Erlebnisse dort, die nicht zuletzt mit dem damals üblichen Einsatz von Amphetaminen und Alkohol in Kombination mit Dehydrierung in der Gluthitze herrührten).

Ich wäre ehrlich gesagt am liebsten noch ein paar Tage in der Provence geblieben, aber letzlich muss ich sagen, dass die Tage in Andalusien die Erlebnisse am Mont Ventoux nochmal getoppt haben.

Die erste Auffahrt zum Pico Veleta war wirklich spannend, wenn ich auch etwas gebraucht habe um den richtigen Weg zu finden. Aber eine so lange Auffahrt macht schon richtig Spaß. Auch so lange in über 3000 Metern Höhe zu fahren ist einfach geil. Ständig hat man diese spektakuläre weite Aussicht, die Temperaturunterschiede von Granada bis zum Gipfel sind sehr groß, teils über 25°, der tolle Fahrbahnbelag im Abschnitt bis zur Schranke, der herausfordernde Belag der letzten elf Kilometer, und dann die letzten Kilometer durch die Mondlandschaft bis zum Gipfel machen diesen Anstieg zum Erlebnis.

Das hier meist gutes Wetter herrscht kommt natürlich noch dazu, auch wenn ich drei Anläufe gebraucht habe, bis ich den Gipfelblick einigermaßen wolkenfrei genießen konnte.

Die beiden Varianten über Guejar Sierra einerseits und Monachil andererseits sind beide wirklich fantastisch. Die muss man einfach fahren. Auch wenn die Steigungen mit 19% über zwei Kilometer (mit Erholungsstellen um 10%) und 12 bsi 15% (mit 18% Spitzen über ca. 150 bis 200 Meter), jeweils sehr herausfordernd sind. Beide Varanten treffen wieder auf die 395, so dass die Variation nur im unteren Drittel liegt.

Ich weiß nicht genau warum, aber hier konnte ich so abschalten wie seit vielen Jahren nicht mehr. Mehr als auf meinen beiden langen Radreisen. Um so mehr ärgert es mich natürlich, dass ich vorzeitig abreisen musste. Und vor allem, dass ich die vierte Auffahrt mit Zeitenjagd auf der Standardstrecke nicht mehr machen konnte.

Aber das Positive überwiegt, trotz des Sturzes, bei weitem. Nur muss ich so auf jeden Fall in nächster Zeit nochmal nach Andalusien. Denn mir ist immer noch nicht ganz klar warum ich mich so verschätzt habe. Auch nach der Analyse der Daten von PC7 und Garmin 800. Ich habe den Track auch nochmal auf Google Earth angeschaut. Und mir scheint die Kurve doch deutlich sanfter zu sein als die empfundenen 95°, eher so bei 110 bis 120°. Das einzige was mir Aufschluss bringen wird ist wohl eine genaue Ortsbesichtigung.

Jetzt muss ich aber erst mal wieder aufs Rad kommen, dass wird noch ein paar Tage dauern, jedenfalls stelle ich mir das so vor. Aber ich hatte ja auch direkt nach dem Sturz die Lage völlig falsch eingeschätzt und ernsthaft überlegt am nächsten Tag mit einem Leihrad die vierte Auffahrt zu machen, dabei konnte ich nicht mal alleine die paar Treppen des Hoteleingang gehen... Seltsam wie man da reagiert. Aber immerhin war mir recht schnell klar, dass ich immenses Glück hatte einer schweren Verletzung entgangen zu sein, so dass ich zu keinem Zeitpunkt irgendwie geschockt war, und dieses Ende meines "Saisonabschlussradurlaubs" nicht so schwer genommen habe, auch wenn es natürlich sehr schade ist, dass mir Calar Alto und Velfique entgangen sind.

Nur muss ich mich jetzt entscheiden, ob ich in die "Winterpause" gehe und dann das Training wieder für die neue Saison wie grob geplant aufbaue, oder die Saison nochmal verlängere und nach Genesung versuche dieses Jahr noch die Strecke nochmal zu fahren.

Dienstag, 4. Oktober 2011

Unfallanalyse

Noch immer bin ich etwas verwundert, dass ich die Steilheit und die entsprechenden Folgen so falsch eingeschätzt habe. Es ärgert mich natürlich, dass ich so einen Fehler gemacht habe. Aber ich war wohl etwas eingelullt von der herrlich sanften Abfahrt auf der Hauptstrecke über die 395.

Durch die schöne Landschaft und meinen Enthusiasmus habe ich das an dieser Stelle unauffällig aussehende 18% Gefälle komplett unterschätzt. Ich kann mich auch nicht erinnern auf dem Rennrad schon mal so steil bergab gefahren zu sein außer am Kühtai, aber da hat es so stark geschüttet, dass ich eh sehr langsam gefahren bin.

Die Beschleunigung an so einem Steilstück ist wirklich enorm. Das fühlt sich schon an der Gletscherstraße bei 13 bis 14% klasse an, bei 18% fällt man wirklich wie ein Stein. Schon nach wenigen Metern hatte ich 67 km/h drauf. Für ein Rennrad keine spektakuläre Geschwindigkeit, wenn allerdings dann direkt eine 95° Kurve kommt, die etwas schräg nach außen abfällt sieht die Sache schon anders aus.

Mein größtes Problem war allerdings die mangelnde Verzögerung. Durch die Steilheit und die Tatsache, dass ich fürs Berge fahren eigentlich viel zu schwer bin (Systemgewicht lag in dem Moment selbst mit leeren Trinkflaschen noch bei ca. 90 kg), waren die Bremsen komplett überfordert. Ich hatte auch das ganze Jahr über den Eindruck, dass die Citec 3000S Aero mit den Dura Ace Bremsen und Standardbelägen etwas schlechter Bremsen als die Mavic Ksyrium SL, die ich letztes Jahr benutzt habe. Im Bezug auf Dosierbarkeit und Verzögerung.

Bis ich das realisiert hatte, und die Gewalt der Hangabtriebskraft, die bei 18% Gefälle auf 90 kg wirkt richtig eingeschätzt hatte, war es einfach zu spät. Laut SRM, der die Geschwindigkeit über einen Magnet am Vorderrad abnimmt, war die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Blockierens des Vorderrads 51 km/h. Anhand der Garmindaten kann ich sehen, dass wohl so drei bis fünf Meter später der Überschlag begonnen haben muss.

Wie der Körper sich vom Fahrrad gelöst hat, und wie er vor allen Dingen innerhalb so kurzer Zeit die noch vorhandene Bewegungsenergie abgebaut hat, ist mir völlig unklar. Auch das Fahrrad hat sich unter diesen Aspekten gesehen doch ganz gut gegen die Felswand behauptet. Es ist wohl komplett seitlich (mit der linken Seite) dagegen geprallt, dabei wurde auch das Hinterrad und das Schaltauge rausgeschlagen und der Lenker beschädigt, aber der Rahmen sieht seitlich fast unversehrt aus. Auf der Straße ist es dann wohl mit dem Sattel aufgekommen, der etwas beschädigt ist und mit dem Lenkerhebel rechts beim zweiten Überschlag, der Rest sind Schlidderspuren.

Also insgesamt doch enormes Glück. Da ich nach dem Überschlag auf der rechten Seite aufgekommen bin, und das wohl recht "flach", hat sich die Aufprallenergie über mehrere Körperstellen auf der rechten Seite verteilt. Angefangen von Kopf über Schulter, Rücken und vor allem Hüfte.

Tatsächlich habe ich keinerlei Brüche davongetragen. Im Hüftbereich hat die etwas dickere Jacke im Trikot wohl noch ein bisschen gedämpft, dafür hat sich der Fotoapparat eher punktuell in den Körper gebohrt, was auch die heftigste Prellung verursacht hat. Der Helm ist an der Aufschlagstelle gebrochen, hat den Kopf also wohl vor einem größeren Schaden bewahrt.

Lange über den Asphalt bzw. Schotter bin ich nicht gerutscht, denn die Abschürfungen sind doch überschaubar. Das hat mir den Kontakt mit der Felswand erspart. So muss ich sagen, und das war auch mein Gefühl, direkt nach dem Sturz, nachdem ich alle Glieder und den Kopf bewegt hatte, dass der Sturz sehr glimpflich verlaufen ist.

Glück hatte ich auch damit, dass sofort Leute kamen und sich um mich gekümmert haben. Die Hilfsbereitschaft der Spanier vor Ort war wirklich enorm. Auch wenn die das hier sicher nicht lesen werden, nochmal Danke!

Auch die Erstversorgung im Hospital in Granada war einwandfrei. Und was wir mir sehr geholfen hat, war die Tatsache, dass ich zwar kaum Laufen konnte, und für's Einsteigen ins Auto echte fünf Minuten gebraucht habe, dann aber fast schmerzfrei Sitzen konnte, so konnte ich direkt die zweitägige Heimreise antreten (ok, der Weg ins Hotel an der Autobahnraststätte in Montpellier war hart, und hat pro Meter eine Minute gedauert...).

Die Untersuchung zu Hause mit Röntgen und Ultraschall hat keine Auffälligkeiten ergeben. D.h. wenn die Haut gut heilt, und hoffentlich bald die elenden Schmerzen von den heftigen Prellungen weggehen, kann ich demnächst wieder sanft mit dem Radtraining beginnen.

Gerne würde ich die Zeitlupe des Unfalls nochmal sehen, um das Ganze genauer zu analysieren, aber die gibt es natürlich nicht. Eines ist allerdings klar, diese Abfahrt muss ich möglichst zeitnah nochmal fahren, und mir das in Ruhe anschauen. Blöd nur, dass Granada nicht gerade in einer Autostunde zu erreichen ist.

Samstag, 1. Oktober 2011

Statistik Pico Veleta 3 (Variante Monachil)

Statistik Pico Veleta 3 (Variante Monachil)

Gesamttageskilometer: 80,2
Gesamtdauer: 4:56 h
Höhenmeter: 2810
Gesamte Arbeit an der Kurbel: 3011 kJ
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 202 Watt
Durchschnittliche Temperatur: ° C (min ° C / max ° C)
Durchschnittlicher Puls: 133

Pico Veleta von Granda (Variante über Monachil)
Kilometer: 43,9 (ab Ampel auf der GR-3202)
Gesamtdauer: 3:19:09 h
Schnitt:  13,2 km/h
Höhenmeter: 2671
Gesamte Arbeit an der Kurbel: 2813 kJ
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 226 Watt
Durchschnittliche Temperatur: ° C
Durchschnittlicher Puls: 144
Durchschnittliche Trittfrequenz: 81
Maximale Leistung an der Kurbel: 571 Watt

Fahrradgewicht: 10,7 kg inkl. Trinkflasche, Luftpumpe, Flickzeug, Schlauch, Radcomputer
Fahrergewicht: 77,35 kg
Kleidung und Nahrung: 3,65 kg
Gesamt(system)gewicht ca. 91,7 kg

Fahrrad:
Rahmen: Specialized S-Works Roubaix SL3 2011
Laufräder: Citec 3000S Aero 2011 mit Tune Schnellspanner DC 14
Schaltung: Shimano Dura Ace 7970 Di2 mit
SRM - Dura Ace 7800 Kompakt 34/50 vorne, SRAM (MTB) XX Kassette 11-32 hinten)
Bremsen und Kette: Shimano Dura Ace 7900
Pedale: Shimano Dura Ace SPD-SL
Lenker: Syntace Racelite 2 CDR Carbon
Sattel: Selle SMP Avant
Radcomputer: SRM Powercontrol 7 und Garmin Edge 800 

Pico Veleta 3 (Variante Monachil)

Der Wetterbericht für heute hat wolkenlosen Himmel angekündigt. Als ich morgens aus dem Fenster schaue scheint sich das zu bewahrheiten. Hoffentlich ist es auch am Pico Veleto noch wolkenlos wenn ich dann endlich oben bin. Die Aussicht vom Gipfel würde ich schon gerne sehen.

Als Fahrstrecke habe ich mir diesmal die dritte Möglichkeit ausgesucht, nämlich über Monachil und den Collado del Muero. Hier soll es heftige Steigungen bis 18% geben. Ich hoffe, dass ich die so gut verkrafte wie gestern die 19% über Guejar Sierra. Denn es wäre schade, wenn der Pico Veleta wolkenlos bliebe, ich aber nicht bis oben hin komme.

So fahre ich der Sonne entgegen auf einer Strecke, die ich schon aus Versehen bei der ersten Erkundungsfahrt über die Standardvariante kennengelernt hatte.


Ich finde auch die Ampel, die als Startpunkt in der Beschreibung stand. Zunächst geht es durch Barro del la Vega. Die Steigung zieht zunächst auf ca. 4% an, dann geht es aber gleich in 7 bis knapp 9% über.



Am Ortsausgang flacht die Straße aber schon wieder ab, und man fährt dann sogar etwas bergab nach Monachil rein. Hier muss ich mich entscheiden ob rechts oder links des kleinen Flusses, Schilder gibt es natürlich keine, und so fahre ich rechts, was aber letztlich dann doch egal ist, denn am Ortsende von Monachil führt eine kleine Brücke die beiden Straßen sowieso zusammen.





Das ich hier wohl richtig bin zeigt auch das Schild, dass auf die Radfahrer hinweist, ich werde heute wohl nicht der einzige sein. Und dann zieht die Straße richtig an. Gleich geht es mal mit 13% berghoch, flacht dann auf 11, 12% ab, und geht dann erst mal nicht mehr aus dem zweistelligen Bereich heraus.



Ein Schild weist nochmal daraufhin, dass es hier steil ist, dass hätte man mir wirklich nicht sagen müssen, die Beine spüren es auch so. Die Strecke ist aber wirklich herrlich, wieder eine lohnenswerte Variante für den Aufstieg.

Und dann klappt die Straße einfach mal so unvermittelt nach oben. Das sind also die 200 Meter mit 18%? Naja, es sind wohl nur 100 oder 150, aber schon heftig. Vor allem bleibt die Straße auch danach sehr steil. Gerne 14% kaum unter 12. Krass, das ist ja schon Gletscherstraßen Niveau. Nur das hier die Umgebung natürlich völlig anders ist. Und die Umgebung ist nicht nur anders, sondern auch absolut herrlich. Ein Traum hier zu fahren, trotz der Anstrengung.




Ich hoffe nur, dass ich dafür im oberen Teil nicht zu sehr bezahlen muss. Egal ob der Blick zurück oder nach vorne, immer wieder herrlich Landschaft, atemberaubende Ausblicke. was für eine schöne Strecke.






Immer wenn die Steigung mal etwas zurückzugehen scheint, steigt sie doch sofort wieder an. Aber steilberghoch heißt das Blog, diese Strecke passt perfekt dazu. Dann fährt man über einen kleinen Sattel, und man kann erstmals auch nach rechts auf die mir jetzt schon gut bekannte Strecke schauen. Die Straße bleibt steil, die Aussichten fantastisch.




Dann scheint es, ich bin oben angelangt, das hier muss der Collado del Muerto sein. Ab jetzt soll eine kleine Abfahrt kommen, die dann auf die 395 trifft.
Schnell noch ein Foto von der spektakulären Aussicht, bevor es in die Abfahrt geht, da sehe ich einen Stier am Straßenrand stehen. Huch! Und da direkt an der Straße noch einer! Die Schilder über die ich mich so gewundert hatte, bedeuten tatsächlich das, was man sich als erstes vostellt, nämlich vorsicht freilaufende Stiere. Ja ja, ich weiß, das hier ist Andalusien, aber das die Tiere, die ja angeblich so gefährlich sind und in der Stierkampfarene die Torreros zerreißen, hier so friedlich am Straßenrand grasen, damit hatte ich nicht gerechnet.



Die Strecke ist absolut super, geht dann aber überraschenderweise wieder berghoch. Und zwar ganz ordentlich. Und nicht nur ordentlich, sondern brutal. Jetzt kommen erst die 200 Meter mit der 18% Steigung. Oje, geht ganz schön rein. Ich fühle mich zwar noch gut, aber ich habe natürlich immer noch den langen, langen Rest der Strecke im Kopf.

Nochmal gibt es einen kleinen Anstieg, das ist also erst der Collado del Muerto, dann geht es aber endgültig in die Abfahrt. Durch ein kleines Waldgebiet. Wie auch bisher ist der Straßenbelag perfekt, allerdings gibt es zwischendrin riesige tiefe Löcher. Da muss man echt aufpassen.




Und schnell erreiche ich die Einbiegung zur 395. Noch ganz schön weit unten. Wenn man, wie ich gestern, über Guejar Sierra fährt, kommt man deutlich weiter oben raus. Dabei schien mir die Strecke heute noch anstrengender zu sein. Dieses Gletscherstraßenfeeling mit den langen Passagen über 13, 14, 15% und dann diese zwei 18% Hämmer, das haut schon ganz schön rein. Obwohl ich keinerlei Hunger oder Apetit verspüre, zwinge ich mich einen Riegel zu essen. Noch liegen so gut 30 Kilometer Anstieg vor mir.




Es geht dann aber zunächst erstaunlich gut. Ich scheine heute eine ganz gute Form zu haben, trotz des gestrigen Tages. So bis 3000 Höhenmeter pro Tag scheint der Körper mittlerweile gut wegzustecken. Und der Kopf ist durch die fantastische Landschaft, und die seltene Chance hier zu fahren sowieso motiviert.

Dann sehe ich endlich mal einen Rennradfahrer vor mir, aber ich hole ihn schnell ein, und er hat offensichtlich keine Lust auf Kommunikation. Na dann eben nicht.



Die Strecke ist lang, das weiß ich ja schon, aber man erlebt es immer wieder neu. Ich mache recht wenig Fotos, auch wenn das Wetter bis jezt fantastisch ist. Hoffentlich bleibt es so, bis ich oben bin. Um die Mittagszeit ziehen ja gerne mal Wolken hinauf zum Pico Veleta.

Der Abzweig nach Guejar Sierra ist dann bald erreicht, und ich versuche so an die 250 Wattt zu kurbeln. Ich weiß was mich erwartet und brauche mich nicht zurückzuhalten. Fahre aber auch nicht am Limit, denn ich will einfach nur genießen und möglichst vor den Wolken am Gipfel sein.

Bei 1750 Meter Höhe überhole ich den nächsten Radfahrer, ich versuche erst gar nicht ins Gespräch zu kommen. Egal, die Landschaft ist geil, das tolle Wetter lässt mich doch immer wieder zur Kamera greifen, und so habe ich die eine oder andere Stelle jetzt bestimmt dreimal in meiner Sammlung. Aber die kann man sich immer wieder angucken. Und der Pico Veleta, wolkenlos bei strahlendem Sonnenschein als Ziel vor Augen, ein perfektes Motiv.




Dann erreiche ich die 2000er Marke, doch das nächste Teilziel, nämlich der Abzweig zum Skidorf zieht sich länger wie gedacht. Aber dann ist er schließlich erreicht, und ich biege nicht ins Dorf ab, sondern fahre diesmal die 395 weiter.


Auch dieser Streckenteil hat einiges zu bieten. Er ist eher flach, geht sogar an einer Stelle unter 3% hinunter,  und führt vor allen Dingen erst mal in die andere Richtung, also wieder zurück auf Granada zu. Dadurch hat man nochmal eine etwas andere Perspektive auf die wohlbekannten, atemberaubenden Ausblicke.


Dann, nach einer weiten Kehre geht es aber wieder in Richtung Pico Veleta.




Die 2250 Metermarke ist passiert, und noch liegt keine Wolke über dem Gipfel. Es ist noch ein elend langes Stück zu fahren, aber heute habe ich eine echte Chance schneller zu sein als die Wolken. Hunderprozentig glaube ich aber noch nicht daran.



Auch wenn ich jetzt schon das dritte mal hier hoch fahre, ich finde die Strecke immer noch spektakulär.

In einer Kehre ist ein Bus stehen geblieben. Der hat wohl Schwierigkeiten mit der Höhe, was ich von mir nicht behaupten kann, bis jetzt läuft es noch erstaunlich gut. Wenn die Leistung etwas abfällt versuche ich über die Trittfrequenz wieder auf 230 Watt oder darüber zu kommen, oder schalte hoch und fahre ein Stück im Wiegetritt. Noch geht es gut.


Und wieder zwinge ich mich einen Riegel zu essen, diesmal schaffe ich aber nur dreiviertel. Na besser wie nix. Das leckere Gel hebe ich mir für die letzten Kilometer auf.

Ich passiere die 2500 Höhenmeter Marke, und bin gleich an der Schranke. Die ist heute erstaunlicherweise geschlossen, so dass ich drunterdurch klettern muss. Und dann fängt die Ruppelpiste an.



Ab hier sind es noch elf Kilometer. Einsamkeit kommt auch heute keine auf. Es ist Samstag und der Parkplatz mit den Imbissbuden ist besser gefüllt wie bei meinen bisherigen Fahrten. Mountainbiker fahren offenbar gerne am Wochenende bis hierher um dann zum Pico Veleta oder die Schotterstrecke zum Mulhacen zu fahren. Und natürlich Wanderer, die das tolle Wetter genießen wollen. Von den vielen Testfahrern, die hier Erkönige testen, oder Systeme an aktuellen Modellen sind heute nur die Porsche Leute da, die anderen haben am Wochenende wohl frei.

Ich weiß, dass es jetzt noch ein ganzes Stück zu fahren ist, aber nach dem ersten sehr schlechten Straßenabschnitt, wird der Belag ja etwas besser, und da versuche ich noch ordentlich Druck zu machen. Naja, ich versuche halt gut 250 Watt zu fahren, zuviel will ich auch nicht riskieren. Ankommen auf dieser Variante ist mir wichtig, und schneller sein als die Wolken natürlich. Noch sieht es gut aus.




Die Strecke ist immer wieder erstaunlich lange, Kehre um Kehre, atemberaubende Aussicht um atemberaubende Aussicht. Dann vorbei am Abzweig zur Radioantenne.

Und wieder Kehre auf Kehre. Jetzt werden die Ausblicke allerdings wirklich spektakulär. Zwar ist es am Horizont sehr diesig, und eine kleine Wolke macht sich auf den Weg nach oben, aber Ausblicke in einer solchen Höhe gibt es für Rennradler nur wenige.


Die 2750 Metermarke fällt, die Strecke zieht sich. Bald kommt der geröllige Teil, der Gipfel scheint noch ganz schön weit zu sein. Aber umgeben von blauem Himmel, diesmal klappt es glaub ich. Aber es sind noch einige Kilometer und Höhenmeter zu bewältigen.



Ich überhole immer wieder mal ein paar Mountainbiker oder fahre an Wanderern vorbei, so gibt es etwas Abwechslung.



Der jetzige Abschnitt mit den Kurven in den Himmel und den dunklen Steinen gefällt mir wirklich gut, aber erstaunlich wie weit der Gipfel noch weg ist. Zwischendurch muss ich mich immer mal wieder ein bisschen fordern, um die Leistung zu halten, aber eigentlich klappt das noch ganz gut.




Wieder ein paar Mountainbiker vor mir, sie zeichnen sich im Anstieg gegen den Himmel ab, klasse Fotomotiv.


Nochmal ein Blick auf den Gipfel in der Mondlandschaft, noch so ein Motiv, das mir gut gefällt.


Und immer hat man das atemberaubende Panorama um sich, das ist schon unfassbar gut hier.

Die Strecke zieht sich zwar noch, aber jetzt bekomme ich Bilder zu Gesicht, die mir bis jetzt wegen der Wolken immer verwehrt geblieben sind. So dass diese neuen Ausblicke etwas ablenken von der Kurbelarbeit und der schlechten Straße.

Auch den Abzweig zum Mulhacen, der ja noch ein paar Meter höher ist wie der Veleta sehe ich erstmals. Der ist allerdings nur für Mountainbiker fahrbar.



Dann fahre ich ein letztes mal Gerade auf den Gipfel zu, ich war wohl schneller als die Wolken, die jetzt tatsächlich schon aufgezogen sind und sich noch in niedriger Höhe bewegen.


Und dann ist er erreicht. Zum dritten mal diese Woche, der höchste auf asphaltierter Straße erreichbare Punkt Europas.


Ich fahre noch die 150 Meter unbefestigte Strecke bis zu den Steinen. Mach mein Foto und stelle mein Fahrrad dort ab. Dann mache ich mich zu Fuß auf den Weg zum Gipfel.


Der Weg zieht sich noch etwas. Aber auch wenn ich mit dem Fahrrad schneller wäre, Mountainbike ja, Rennrad nein. Einmal reicht da wirklich. Allerdings komme ich mit meinen Fahrradschuhen mit den Cleats auch nicht gerade gut voran.







Aber die Mühe wird belohnt mit fantastischem Ausblick. Der Gipfel ist ordentlich bevölkert, aber mir egal. Bekomme ich doch noch diese spektakuläre Aussicht zu Gesicht. Im dritten Versuch. Selbst die Temperatur ist ok. Es sind heute tatsächlich 10° hier oben, und außerdem habe ich Beinlinge und "dicke" Jacke dabei, und die vor meiner Gipfelbesteigung schon angezogen.




Es gibt ordentliche Gipfelfotos, ich plaudere ein bisschen mit einem österreichischen Mountainbiker, aber vor allem genieße ich die Aussicht. Einfach nur geil. Auch wenn sich jetzt doch tatsächlich Wolken von der Granada Seite langsam den Berg hocharbeiten.





Beim Abstieg mache ich noch ein paar Fotos und kraxle dann mit meinem unpassenden Schuhwerk wieder nach unten. Ich hoffe, dass mein Fahrrad noch da ist, sonst würde der Weg nach unten wirklich seeehhr lange...

Aber es steht natürlich noch da, wer sollte denn hier ein Rennrad klauen?


Und dann geht es wieder die ruppige Rüttelstrecke hinunter bis zur Schranke. Ich versuche meine Ortskenntnis für den besten und sanftesten Weg zu nutzen, aber das bringt nicht so richtig viel. Ich halte immer mal an für ein Foto und zum Verschnaufen von den Schlägen, und dann ist endlich die Schranke erreicht. Puh, was für eine Tortur das jedesmal ist. Umso besser ist natürlich die jetzt folgende Abfahrt auf dem top Belag, mit den sanften Kurven.




Aber erst gibt es nochmal Milchcafe und Tortilla bei meinem Stammkiosk an der 2500 Metermarke.

Als ich mich dann in die Abfahrt stürze, muss ich vor Wonne jauchzen, so hat man das wohl früher genannt, heute würde ich sagen meine Freude herausschreien. Das ist einfach so geil. Der Traumasphalt, die Streckenführung, die Aussicht, die Landschaft, das gute Gefühl den Gipfel erreicht zu haben, alles so perfekt. Und mein Fahrrad fährt traumhaft.




So schwebe ich die Abfahrt hinunter und beschließe dann von der 395 wieder nach Monachil abzubiegen, so wie ich heute morgen bergauf gefahren bin. Die Strecke war zu schön, und der Gegenanstieg schien nicht zu heftig zu sein, so dass ich hier noch ein bisschen Spaß haben kann. Und außerdem kann man an den steilen Stücken bestimmt ordentlich Speed erreichen, denn der Straßenbelag war auch hier klasse.


So entledige ich mich noch meiner Abfahrtsklamotten, verstaue die doch sehr auftragende Jacke wieder im Trikot und mache mich dann in den Aufstieg durch den Nadelwald. Der Anstieg liegt so bei knapp 9% Steigung, und ich habe noch ordentlich Überschuss an Leistung, so dass ich schon gut in den 300 Watt fahre, das Ende der Steigung ist ja auch absehbar. Ich gebe allerdings auch nicht alles, denn ich habe beschlossen, wenn ich mich morgen fit fühle nochmal die Standardvariante zu fahren, diesmal ohne verfahren und schonen, sondern mit dem Ziel die Dreistundenmarke zu knacken. Könnte verdammt schwer werden, aber versuchen will ich es schon mal.


Die Aussicht nachdem man aus dem Wald herauskommt ist klasse, und nach Überquerung eines kleinen Sattels geht es in das Tal, durch das ich heute morgen aufgestiegen bin. Es ist so schön hier, dass ich eine kleine Pause mache und mir das eine Weile anschaue.




Dann aber geht es erst mal bergab und in einen Gegenanstieg. Oben angekommen muss ich nochmal einen Fotostopp machen, bevor es dann in das steilere Stück der Abfahrt geht. Ich fahre an zwei Wanderern vorbei, wir grüßen uns freundlich, dann geht es steil bergab.


Hier kommt gleich das 18% Stück. Das Fahrrad fällt wie ein Stein, die Beschleunigung ist enorm, die Geschwindigeitsanzeige schießt hoch. Aber dann kommt gleich eine Kurve, und ich merke auf einmal wie eng die ist. Scheiße, ich bremse was geht vor der Kurve, aber meine Bremsen reißen nicht viel, das fühlt sich nicht gut an. Ich bin irgendwie noch die Scheibenbremsen vom Crosser gewöhnt, mit dem ich viel Grundlage gefahren bin.

Das hier wird jetzt jedenfalls knapp, zu allem Überfluss liegt auch noch Staub, Dreck und Split auf der Straße. Jetzt wirds dumm. Ich rase auf die Felswand zu. Mit Macht in die Kurve legen und dann wegrutschen und mit dem Fahrrad zwischen den Beinen gegen die Felswand prallen scheint mir keine Option.

So bremse ich mit Gewalt, und hoffe dass das verdammte Ding stehen bleibt. STEHEN BLEIBT!! Keine Chance, das blockierte Hinterrad kann ich zwar noch kontrollieren, aber mit blockiertem Vorderad komme ich mit einer Affengeschwindigkeit auf die Felswand zu. Scheiße, ist das letze was ich noch denken kann, dann bleibt das schlingernde Fahrrad mit dem Vorderrad irgendwo hängen und ich steige kopfüber ab und überschlage mich. Das Fahrrad prallt gegen die Felswand - Stille.

Ich liege da auf dem Rücken am Straßenrand, zehn Zentimeter von der Felswand. Erst mal den Kopf bewegen, geht. Arme, geht. Beine, geht. Ich versuche aufzustehen, Aua geht nicht.

Ich versuche irgendwie aufzustehen. Schmerz! Nochmal, dann kann ich mich immerhin aufsetzen. Scheiße, wie ist das denn passiert. Habe ich mich so dermaßen verschätzt? Ich blicke mich suchend um nach meinem Fahrrad. Das liegt ein paar Meter weiter auf der Straße. Allerdings liegt das Hinterrad ein paar Meter daneben. Das Schaltwerk ist komplett abgerissen. Verdammt.

Ich wurstele so lange rum bis ich es schaffe aufzustehen, ich muss das Fahrrad fotografieren. Ich versuche die Kamera aus dem Trikot zu ziehen, die steckt aber irgendwie fest. Jetzt weiß ich auch wo der verdammte Schmerz herkommt. Die Kamera hat sich in meinen Körper bohren wollen, der hat sich gewehrt und irgendwie steckt das Trikot in der Kamera drin. Ich ziehe es mit Gewalt heraus und fotografiere mein komplett zerstörtes Fahrrad.


Mein nächster Gedanke ist, Crashreplacement für den Rahmen, ja aber ich hatte das Teil so genau auf meine Bedürfnisse eingestellt, das kostet mich Wochen.

Dann muss ich mich wieder hinlegen, plötzlich tut doch das ein oder andere weh. An meinem Arm tropft Blut herunter. Scheiße!

Da kommt ein Vater mit seinen zwei Kindern den Berg heruntergelaufen, die wollen mir zur Hilfe eilen. Wieder stehe ich irgendwie auf, es tut weh wie sau.

Ambulancia? No, no, ich will das Fahrrad wieder zusammenbauen und versuchen damit nach Granada zurückzukommen. Aber das Rad ist Schrott, keine Chance.

Ambulancia? No, no I'm fine!

Irgendwie verständigen wir uns, dass er mit meinem Handy das Hotel anruft, damit die ein Taxi schicken, das mich und das Fahrrad zurückbringt. Aber die geben dem hilfsbereiten Mann nur die Nummer eines Taxiunternehmens, dass aber nicht kommen will. Dabei sind wir vielleicht 15 Kilometer von Granada entfernt, komisch.

Dann ruft er doch die Ambulancia an. Ich wehre mich nicht mich mehr, mein Arm blutet, und irgendwo hinten blutet es auch, außerdem habe ich schon alle möglichen Schmerzen, zum Arzt muss ich sowieso.

Mittlerweile ist noch ein Wandererpärchen dazugekommen, die besorgt dreinblicken und zum Glück etwas Englisch können, so dass ich mich etwas mitteilen kann. Ich muss ein übles Bild abgeben.

Ich bin dabei extrem froh. Ich kann alles bewegen, gebrochen ist nichts, mein Gesicht ist unversehrt, und ich fühle mich "den Umständen entsprechend gut". Dann muss ich mich aber wieder hinlegen, nicht weil mir schwindelig wird oder so, sondern das Stehen sticht im unteren Rücken.

Die Ambulancia will kommen, aber mein Fahrrad auf keinen Fall mitnehmen. Mittlerweile hat noch ein Mopedfahrer angehalten und es wird diskutiert wie mein Fahrrad, bzw. das Wrack zurück ins Hotel kommt.

Ich würde ja am liebsten ein Auto anhalten und mich mitsamt Fahrrad ins Hotel bringen lassen um von dort zum Arzt zu gehen. Da kommt ein Auto aus der Granadarichtung und hält an. Ein junges Ehepaar mit einem kleinen Hund.

Sofort versuchen der Mopedfahrer und der Mann mit den Kindern diese zu überreden mein Fahrad ins Hotel zu fahren, die sind auch sofort bereit. Ich versuche dem Wandererpärchen zu sagen, dass ich mit dem Auto mit ins Hotel fahre, die Ambulancia abbestellt werden soll, und ich dann zum Arzt gehen will.

Erstaunlicherweise klappt das auch irgendwie. Das Fahrrad passt nicht so recht in den Kleinwagen. Aber nachdem die Rücksitze mit Zeitungspapier ausgelegt sind, damit ich nicht alles vollblute, kommt das Fahrrad auf meinen Schoß.

Ich bedanke mich bei den Helfern, die Leute waren wirklich nett, und offenbar mehr geschockt als ich. Eigentlich bin ich überhaupt nicht geschockt. Ich bin heilfroh, das ich diesen Sturz so überstanden habe. Da standen wirklich alle Möglichkeiten offen.

Die Fahrt nach Granada geht über die gleiche Strecke, die ich auch mit dem Rad gefahren wäre. Die ist wirklich traumhaft schön, ich ärgere mich, dass ich das jetzt verpasse. Und nicht nur dass, auch die Jagd auf die Dreistundenmarke morgen fällt wohl aus. Ich überlege ob ich mir wohl ein Fahrrad leihen könnte, und es damit versuchen könnte.

Außerdem war der Pico Veleta ja nicht der geplante Saisonabschluss, sondern ich wollte weiter nach Almeria und von dort aus den Cala Alto und den Velefique fahren. Das sind die zwei Bergfahrten in Andalusien, die man schon noch machen muss. Unfinished Business. Jetzt muss ich wohl doch noch mal hierherkommen zum Radfahren.

So Gedanken gehen mir durch den Kopf, aber eigentlich geht es mir auch Scheiße, an Radfahren ist jetzt erst mal nicht zu denken. Außerdem habe ich auch kein Fahrrad mehr, das ist komplett hinüber.

Die zwei die mich zum Hotel bringen sind wirklich super nett. Ich muss wirklich schlimm aussehen, denn ständig gucken die besorgt nach hinten, ob ich noch lebe. Dann haben wir endlich das Hotel erreicht. Ich will die beiden natürlich für ihre Mühe entschädigen, aber keine Chance, sie wollen mich sogar noch ins Hospital fahren. Aber ich sage, dass ich ein Taxi nehme, bedanke mich überschwänglich und versuche die Überreste vom Rad und mich ins Hotel zu schleppen, was aber zunächst misslingt.

Langsam tut's richtig weh. Mein Rad und alles was sonst noch so weggeflogen war landet im Luggageroom, ich schleppe mich ins Hotelzimmer und versuche die Schuhe zu wechseln, was lange dauert aber schließlich gelingt. Dann geht es mit dem Taxi ins Hospital.

Es ist ein öffentliches Hospital, d.h. eine lange bürokratische Anmeldung und dutzende Leute die in der Ambulanz auf Hilfe warten. Ich kann nicht gut stehen, sofort bringen die mir einen Rollstuhl, ich lehne dankend ab.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit in der Schlange am Schalter bin, und nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit die Formalitäten erledigt sind, versucht man mich wieder auf einen Rollstuhl zu verfrachten. Ich laufe, gebe aber dann auf, und letztlich werde ich mit einem Rollstuhl in ein Wartezimmer mit lauter Rollstuhlfahrern geschoben.

Jetzt habe ich erstmals Gelegenheit meine sichtbaren Wunden etwas genauer zu betrachten. Im Arm stecken immer noch jede Menge Steinchen, am Po sieht es wohl ähnlich aus, jedenfalls ist da auch ein großes Loch in der Radhose.

Ich werde ungeduldig und frage in perfektem Spanisch nach einem Lappen und Wasser, denn schließlich muss man so Wunden doch schnell reinigen. Die gucken mich böse an, weil ich schon wieder aus dem Rollstuhl aufgestiegen bin, dann bekomme ich aber ein paar Kompressen in die Hand gedrückt. Mit denen versuche ich grob was zu reinigen, allerdings recht erfolglos.

Ein netter älterer Mann mit MP3-Player im Ohr steht auf und versucht mir wortreich zu erklären, dass ich schon Wasser zum Reinigen benützen müsste, und zeigt mir sogar wo es welches gibt. So stöhne ich in einem Nebenraum des Wartezimmers laut vor mich hin beim Versuch irgendwas zu reinigen, tut höllisch weh, letztlich lege ich die Kompressen auf die Stellen, die ich sehen kann. So wird auch das Loch in meiner Radhose endlich geschlossen. Als ich zurückkomme ist mein Rollstuhl weg. Wer hat sich denn den unter den Nagel gerisssen?

Egal, ich nerve, wie lange es denn noch dauert. Ich glaube irgendwie "pico" zu verstehen. Dann komme ich endlich dran. Eine junge Ärtzin, die immerhin ein paar Brocken englisch spricht und ein junger Pfleger, der ein bisschen mehr englisch spricht als Übersetzer kümmern sich um mich.

Erst Begutachtung, alle sichtbaren Verletzungen sind nur Hautverletzungen, das ist im Prinzip gut, allerdings sei es so, dass genau die sehr schmerzhaft seien, das ist im Prinzip schlecht. Naja, bis jetzt geht es noch. Gebrochen ist gefühlsmäßig nix, wir einigen uns darauf auf das Röntgen zu verzichten.

Dann kommt die zweite Begutachtung, die mit einer ersten Reinigung einhergeht. Scheiße das tut aber weh. Ich liege da so auf dem Bauch auf der Liege, und habe irgendwie das Gefühl jetzt gibt es gleich eine angenehme Massage, da macht die in den Wunden rum wie beim Staubwischen, und mit irgendwas was elend brennt. Aber eigentlich geht es dann noch.

Ich sehe auf jeden Fall noch besser aus als mein Fahrrad...

Dann allerdings "oh, this is deep, we have to close a gap in your ass!". Ah ja, wenn ich das richtig deute heißt das, dass die jetzt mit Nadel und Faden an meinem allerwertesten rummachen... Ich Idiot bin selbst schuld, wie kann ich mich da so verschätzen. War aber auch ne fiese Kurve und die ist irgendwie auch noch zur Seite weggeklappt.

Am Arm ist es auch etwas "deep", was die genau machen kann ich nicht sagen und will es gar nicht recht wissen, jedenfalls wird es vorher betäubt.

Zum Abschied gibt es eine Hand voll Ibuprofen, und dann versuche ich noch meine normalen Klamotten anzuziehen, die ich mir mitgebracht hatte. Das dauert sage und schreibe über eine viertel Stunde. Dann sehe ich aber aus wie neu. Bezahlen muss ich nix, die werden mir schon eine ordentliche Rechnung schicken.

Mit dem Taxi geht es dann zurück ins Hotel. Mein Urlaub ist damit gegessen. Am Montag muss ich zum Verband wechseln, sinnvollerweise in Deutschland.

Also Almeria gecancelt, kein Cala Alto, kein Velefique und auch kein Angriff auf die 3 Stunden für die Standardvariante zum Pico Veleta. Jetzt erscheint es mir völlig grotesk, dass ich da neben meinem zerstörten Fahrrad gestanden habe und über ein Leifahrrad nachgedacht habe...

Wenn ich Profiradfahrer wäre und das wäre in der Tour de France passiert, säße ich morgen wieder auf dem Rad. Wegen meiner Karriere, wegen dem Team, wegen dem Geld, um vielleicht als tragischer Held zu scheitern und meinen Bekanntheitsgrad zu steigern.

Aber zum Glück bin ich nur ein Freizeitfahrer. Ich hatte bis jetzt eine fantastische Woche, mit dem sensationellen Tag am Mont Ventoux und den drei fantastischen Auffahrten zum Pico Veleta, inkl. wolkenfreier Rundumsicht heute. Alles andere als jetzt nach Hause fahren und versuchen gesund zu werden wäre dämlich.

So storniere ich, auch wenn es etwas weh tut Almeria und die letzte Nacht hier in Granada. Stadtrundfahrt hatte ich ja heute mit dem Taxi (das Hospital liegt auf der anderen Seite der Stadt). Und so einen brutalen Sturz, so halbwegs unversehrt zu überstehen ist irgendwie auch ein spektakulärer Saisonabschluss.

Ich mach mir nur etwas sorgen über 20 Stunden Autofahrt mit einer "closed gap in the ass"...