Freitag, 31. Juli 2015

24h Nürburgring – Das Rennen

Obwohl der Wind nachts heftig am Wohnmobil gerüttelt hat habe ich gut geschlafen. Auf dem Weg zum Frühstück müssen wir feststellen, dass doch einige Zelte und Vorzelte nicht mehr da sind. Bestenfalls mussten die Besitzer die Teile hektisch wegpacken. Das ein oder andere ist wohl wegen des starken Windes auch selbst auf Wanderschaft gegangen.

Jetzt hat sich das Wetter aber wieder beruhigt. Nach einem Kamillentee und Brötchen in der Cafeteria lege ich mich nochmal hin. Da kommt eine Email von der Rennleitung, dass wir die Transponder tauschen müssen und dass die Fahrerbesprechung in andere Räumlichkeiten verlegt wurde. Außerdem behauptet jemand der Start würde verschoben. Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, das Wetter ist doch jetzt einigermaßen ok.

Fahrerbesprechung

Fahrerbesprechung

Peter begleitet mich zur Fahrerbesprechung, es gibt neue Transponder und dann tatsächlich die Ansage, dass das Rennen um 3 Stunden verschoben wird. Ich bin echt sauer. Rennradfahren ist ein Outdoorsport. Die äußeren Bedingungen sind Teil des Sports, gerade auf Ultradistanzen kommt es zum Tragen, dass der eine besser bei Hitze kann, der andere bei niedrigen Temperaturen, und wieder ein anderer kann eben am besten mit Regen und Wind umgehen. Da kann man doch nicht durch eine Rennverschiebung zu Gunsten der Schönwetterfahrer eingreifen.

Vor allem beruht die Verschiebung rein auf einer Vorhersage. Statt einfach zu starten und, falls die Bedingungen tatsächlich irregulär oder gefährlich werden, ggf. zu unterbrechen. Enttäuscht lege ich mich wieder schlafen.

Nach dem Aufstehen erläutere ich meinem Team die geplante Nahrungsversorgung, die prinzipiell ja nur aus Sponser Competition und Ensure Plus besteht. Aber diesmal habe ich auch gleich O-Saft in der Hinterhand und natürlich einfach Wasser.

Ich fahre nochmal eine Testrunde auf dem Grandprixkurs und fühle mich gut. Dann kommt die Meldung, dass der Start erneut verschoben wird. Ich kann’s nicht verstehen. Wirklich nicht. Ich überlege ob ich nach Hause fahre, das ist mir wirklich zu albern. Die Bedingungen sind völlig ok, es regnet halt ab und zu ein bisschen, die Windböen sind völlig im Rahmen. Ich bin schon bei Böen von 100 km/h die Abfahrt vom Pico Veleta heruntergefahren, wenn man will bleibt man auch auf dem Fahrrad, man muss halt langsamer fahren. Hier ist aber eigentlich völlig normal schlechtes Wetter.

Ich bin wirklich frustriert und missmutig. Wenn ich in die Top 20 fahren will brauche ich schlechtes Wetter und das Rennen muss möglichst lange sein. Jetzt ist das hier nur noch ein 17 Stunden Rennen, da werden mir die leichten Bergziegen einfach „wegsprinten“. Ich weiß noch nicht welche Rundenzeiten ich fahren kann, bin ja noch nie über die Nordschleife gefahren, aber wahrscheinlich wird es nach der zweiten oder dritten Runde so um 1:10 h pendeln. Damit komme ich nicht weit.

Andererseits sind 15 Runden immer noch 8700 Höhenmeter. Das reicht ja irgendwie auch. Vielleicht kommt das meinen Knien sogar entgegen. Anyway, ich lege mich wieder schlafen.

Als ich aufwache habe ich gar keine Lust mehr zu fahren. Ich wünsche mir fast, dass das Rennen abgesagt wird. Die ganzen Jedermannrennen sind ja schon abgesagt worden. Ich verzichte auf ein erneutes Warmfahren. Stattdessen versuche ich zu akzeptieren, dass zu den äußeren Bedingungen eines Rennes auch das Verhalten der Veranstalter und Verschiebungen, Streckenumleitungen oder Kürzungen gehören. Die Fahrer die am besten damit zurechtkommen sind die, die am besten abschneiden werden. Also nicht jammern, sondern kämpfen!

Ich überlege welche Klamotten ich anziehen soll. Es ist hier am Fahrerlager recht kalt, aber wenn ich auf der Strecke am fighten bin wird es natürlich schnell warm. Kurz/kurz scheint mir angemessen, aber wir starten ja erst um 20 Uhr, so dass die Nacht nicht lange auf sich warten lässt und ich möchte natürlich nicht anhalten müssen um mich umzuziehen.

Letztlich rolle ich mit kurzen Hosen aber Armlingen und sogar einer Weste um zwanzig vor Acht in Richtung Startaufstellung. Man muss eine Weile anstehen bis man in den Startblock gelangt, erst müssen noch die MTBfahrer aussortiert werden, die direkt hinter den Rennradfahrern starten. Das 24h MTB Rennen und unser Rennen sind die einzigen die dann tatsächlich heute stattfinden. Auch die MTB Fahrer fahren über die Grandprixstrecke, biegen aber dann nicht auf die Nordschleife ab, sondern fahren über einen Trail um dann wieder am Ende auf die Grandprixstrecke zu gelangen und sich diese mit den Rennradlern zu teilen.

In der Startaufstellung friere ich ohne Ende. Mein ganzer Körper zittert. Vielleicht habe ich doch zu wenig an? Es gibt noch ein paar Interviews mit prominenten Teilnehmern, allerdings fahren die leider „nur“ im Team. Vor allem mit Christian Knees hätte ich mich gerne verglichen, immerhin ein aktiver sehr guter Radprofi.

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Startaufstellung

Dann geht es aber endlich los. Nach dem Countdown rollt das Feld an und wir bewältigen zum ersten mal für heute die Grandprixstrecke und biegen dann gleich auf die Nordschleife ab. In den folgenden Runden führt die Strecke noch durch’s Fahrerlager, so dass die erste Rundenzeit noch kein Maßstab ist.

Auf die Nordschleife geht es kurz berghoch, gefolgt von der ersten flotten Abfahrt. Ich fahre recht verhalten und bremse etwas, was aber eigentlich nicht nötig wäre. Aber ich will erst mal die Strecke kennenlernen. Dabei werde ich vorsichtig in den Abfahrten fahren und, im Gegensatz zu Kelheim, möglichst kraftsparend fahren. Kein sinnloses nach vorne stürmen also, nicht mehr im Wind fahren als notwendig.

Der erste Teil der Nordschleife geht hauptsächlich bergab. Die Strecke macht einen Heidenspaß. Am „Schwedenkreuz“ vorbei geht es dann erstmals in die „Fuchsröhre“. Ich hatte mir etwas Sorgen gemacht wie man hier in einem dichten Fahrerfeld mit hoher Geschwindigkeit sicher herunterkommt, schließlich hat mich schon mal jemand bei Tempo 70 von hinten umgesäbelt, was keine schöne Erfahrung war. Aber die Strecke ist so breit, und schon jetzt hat sich alles recht weit auseinander gezogen, so dass es überhaupt kein Problem darstellt.

Dann geht es erst mal wieder berghoch, aber man kann den Schwung schön mitnehmen. Geil. Ich kann immer an irgendwelchen Gruppen dranbleiben. Außerdem passe ich auf, maximal mal in den EB Bereich vorzustoßen, aber keinesfalls darüber. Diesmal will ich nicht ab der dritten Runde leiden (jedenfalls nicht mehr als nötig).

Nach einer erneuten sehr geilen Bergabpassage, wo ich auch erst mal recht vorsichtig fahre, ist dann der Kilometer 11 der Strecke erreicht. Ab jetzt geht es eher bergauf. Ab Kilometer 12 sogar meist im zweistelligen Prozentbereich. Bei Kilometer 13 kann man kurz verschnaufen. Mir ist warm, sehr warm sogar. Hier hinten auf der Nordschleife ist es viel wärmer als am Start. Ich bin viel zu dick angezogen. Mist.

Man fährt nun durch eine kleine Steilkurve deren innerer Fahrbahnteil aus Betonplatten besteht. Man kann über den Platten auf dem Asphalt fahren oder auf einem kleinen Asphaltstreifen ganz innen. Ich entscheide mich erstmal für außen.

Nach einer kleinen Zwischenabfahrt geht es hinauf zur „hohen Acht“. Hier steigt die Straße mit soliden 13%, der Garmin zeigt im oberen Teil sogar 14%. Die 18% die es hier angeblich zu klettern gilt kann ich nicht finden. Aber steil genug ist es allemal. Oben ist ein Red Bull Bogen aufgeblasen und ein DJ macht – ähm – Musik. Es gibt einen Bergpreis für die schnellsten Zwischenzeiten hier, der interessiert mich natürlich nicht, ich will nur möglichst easy über die Runde kommen.

Eine Labstation gibt es hier auch. Gut zu wissen, dass man auf halber Strecke nochmal einen Anlaufpunkt hat, falls es einem schlecht gehen sollte.

Es folgt ein bisschen Achterbahn, dabei gibt es nochmal eine Stelle mit heftiger Beschleunigung in der Abfahrt und dann die Fahrt durch das „Stefan Bellof S“, für mich als Gießener natürlich eine besondere Stelle. Am „Schwalbenschwanz“ kann ich gut an einer Gruppe schneller Teamfahrer dranbleiben, was wichtig ist, denn es folgen bald zwei längere Geraden in Richtung Fahrerlager wo Windschatten ganz besonders hilfreich ist. Zumal uns hier der Wind entgegenbläst.

Kurz vor der letzten Steigung zur Zielgerade hin trifft die MTB-Strecke wieder auf den Rennradkurs. Auf der Zielgeraden ist Windschatten extrem hilfreich, hier ist der Gegenwind gerade recht stark.

Die erste Runde ist absolviert. Ich zähle mit dem Radcomputer aber erst am Fahrerlager wo meine Betreuer stehen. D.h. es geht erst mal über den Grandprix Kurs, dann biegt man ab ins Fahrerlager. Peter steht schon da mit den gefüllten Trinkflaschen. Ich brauche aber nichts. Ich halte nur kurz an um die Weste auszuziehen.

Dann geht es nach einer kleinen Schleife entgegen der Fahrtrichtung die Zielgerade entlang durch die Boxengasse bevor man wieder auf die Nordschleife abbiegt.

Runde 1 ist also geschafft, war doch gar nicht so schlimm. Die Beine fühlen sich gut an. Die Strecke macht Spaß, die Fuchsröhre ist easy zu fahren, der Anstieg zumindest nicht unmenschlich…

Auch in Runde zwei kann ich gut in Gruppen fahren und an entscheidenden Stellen Windschatten fahren. In den Abfahrten muss ich nicht mehr Bremsen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, jetzt macht es höllisch Spaß hier zu fahren (Wahrscheinlich heißt es deshalb „Grüne Hölle“). Der erste Teil ist einfach nur geil.

Ab dem „Bergwerk“, so um Kilometer 11 ist es dann mit dem Spaß vorbei und es geht wieder ordentlich berghoch. Aber die Beine sind jetzt warm, die lästige Weste ist weg, so dass es ich meine Körperwärme besser abgeben kann und ich fühle mich noch gut.

Das scheint aber nicht allen so zu gehen. Schon jetzt in Runde 2 sehe ich etwas, dass ich bei einem Wettkampf noch nicht gesehen habe. Einige wenige Radfahrer schieben ihr Rad zur hohen Acht hinauf. So früh, das wundert mich doch etwas.

Anyway, hier starten natürlich Radfahrer mit ganz unterschiedlichen Zielen und Leistungsstärken. Die schnellen Teams fahren hier wahrscheinlich niedrige 40er Zeiten, die Spaßfahrer, die vielleicht „nur“ für einen guten Zweck radeln oder einfach das Erlebnis Rad-am-Ring genießen wollen werden sicher mehr als die doppelte Zeit brauchen. Und da man Runden fährt treffen diese Fahrer auch immer wieder aufeinander, was bei einem Radmarathon natürlich nicht passiert.

Ich komme noch ganz gut zur hohen Acht hinauf, der Moderator ist mittlerweile aufgewacht und legt richtig los, so dass man noch etwas Motivation bekommt. Vor allem in der Nacht wird das sicher helfen.

Im folgenden Berg- und Talfahren kann ich gut mit den Gruppen mithalten und so trotz kräfteschonender Fahrt (im weitesten Sinne) gut unter einer Stunde bleiben für die zweite Runde.

Noch immer brauche ich keine Getränke von meinem Betreuerteam, das mittlerweile aus Peter und meinen Eltern besteht. Die relativ niedrigen Temperaturen kommen mir entgegen. Auch für den Magen ist es angenehmer wenn man nicht so viel Flüssigkeit ersetzen muss, insgesamt profitiert man also mehrfach wenn es nicht so heiß ist.

Ich bin gespannt ob es mir nun besser geht als in Kelheim, da waren die ersten zwei Runden ja auch ok, aber das waren eben die einzigen Runden die ok waren…

Aber auch die dritte läuft gut. Ich freue mich auf das Schwedenkreuz, denn von dort an gibt es einige richtig geile Bergabpassagen. Ab Kilometer 12 ist es recht anstrengend mit den zweistelligen Steigungsprozenten, aber die Beine funktionieren noch gut.

Auch Runde drei bleibt noch unter der Einstundenmarke. D.h., für die restlichen Runden sollte eine Zeit knapp über einer Stunde, wahrscheinlich so um 1:05 h herauskommen, es sei denn meine Beine spielen nicht mit und die Steilen Abschnitte machen mir muskuläre oder orthopädische Probleme.

Mittlerweile nehme ich auch Getränke auf an meiner Verpflegungsstelle. Auf der Grandprixstrecke hat sich auch längst die Ideallinie herauskristallisiert. Überhaupt ist es eigentlich ziemlich klar wo auf dem gesamten Kurs die beste Linienführung liegt. Allerdings verzichte ich oft darauf, wenn ich von Windschatten profitieren kann und die vor mir fahrenden eher die „Autolinie“ wählen.

Es ist mittlerweile dunkel und die Temperatur weiter gesunken. Meine Beleuchtung funktioniert gut. Ich fahre die Lupine Piko 7 nur auf kleinster Stufe. Die Strecke ganz ausleuchten tut sie sowieso nicht und die Rücklichter der anderen Fahrer zeigen mir den Streckenverlauf schön an. Auch scheint der Mond noch schwach auf die Strecke, so dass man die Fahrbahn ohne Probleme trifft. Zwei, drei heikle Stellen für die Abfahrt sind vom Veranstalter hell ausgeleuchtet. Sehr gut.

Wobei man sagen muss nach einigen Runden, und jetzt wo das Feld wirklich weit auseinander gezogen ist, gibt es eigentlich keine heiklen Stellen. Ich habe mich selten so sicher gefühlt wie hier auf dem Nürburgring. Keine Gefahr durch Gegenverkehr, sehr gute Qualität des Straßenbelags, und die Strecke ist herrlich breit. Ein Traum.

Ich bin froh, dass ich meinen Frust über die Startverschiebung und damit einhergehende Kürzung der Renndauer überwunden habe und nicht nach Hause gefahren bin. Stattdessen versuche ich das jetzt in Rennpower umzusetzen.

Am Red Bull Bogen oben scheinen sie zu wenig Red Bull getrunken zu haben, denn als ich das nächste mal dort vorbeikomme ist keine Sau mehr da. Die Musik aus, der Moderator weg. Hm, die sollten sich mal die Fanmeile in Kelheim anschauen, die haben 24 Stunden durchgehalten. Aber die Verpflegungsstelle ist besetzt. Ich komme auch ohne DJ-Wabermusik noch den Berg hoch.

Zu meiner Zufriedenheit läuft es auch mit der Ernährung. Ich kann alles essen und trinken, wobei essen natürlich bedeutet Ensure Plus zu trinken. Auch die Versorgung durch mein Betreuerteam klappt hervorragend. Immer rechtzeitig stehen sie bereit und reichen mir Flaschen und ggf. Kleidung. Die Temperatur liegt jetzt hinten auf der Nordschleife bei ca. 3° C, so dass ich nach einiger Zeit die Weste wieder angezogen habe. Zwischendurch hatte ich von langen auf kurze Handschuhe gewechselt, die behalte ich aber an, die sind einfach besser gepolstert und kalte Hände haben mich während des Fahrens noch nie sonderlich interessiert. (hinter her dann aber schon…)

Ich kann meine Rundenzeiten recht konstant knapp über der Einstundenmarke halten. Der Anstieg ab Kilometer 12 fühlt sich nun schon ab Kilometer 11 unangenehm an, der Anstieg zur hohen Acht hat nun gefühlt endlich die versprochenen 18%, auch wenn der Garmin immer noch maximal 14% anzeigt.

Nach der siebten Runde frage ich kurz bei meinen Betreuern nach ob sie noch fit sind, denn jetzt ist es ja doch mitten in der Nacht und die haben deutlich weniger Bewegung als ich, die sie wach halten könnte.

Aber wie schon oft mache ich die Erfahrung, dass auch das Betreuen Spaß macht und die drei zum Teil unseres „Viererteams“ werden, das hier um eine gute Platzierung kämpft. Das macht mir wiederum positiven Druck den ich in Leistung umsetzen kann. Denn auch wenn ich schon ein Einzelgänger bin, so bin ich doch auch Teamplayer und kämpfe gerne für den gemeinsamen Erfolg, wie immer der auch definiert ist. Für mich wäre das eine Platzierung in den Top 20. So langsam arbeite ich mich auch in diese Richtung vor, denn momentan liege ich auf Platz 22. Hoffentlich ist das Rennen lang genug…

Jetzt bekomme ich aber richtig Hunger und habe große Lust auf ein Käsebrot. Das bestelle ich auch bei Peter. Dazu müsste ich natürlich kurz zum Wohnmobil fahren und eine kleine Pause einlegen. In Kelheim war der erste Stint 11 Runden lang, allerdings ging es mir da schlecht. Hier geht es mir bis jetzt erstaunlich gut, aber nach 10 Runden hat man ja schon fast 6000 Höhenmeter. Ich überlege was ich machen soll. Vor allem habe ich etwas Schmerzen in der rechten Achillesverse. Sonst ist aber körperlich alles in Ordnung.

Ich hatte auf das alte Pedalsystem aber mit neuen Einlagen gesetzt. Einfach weil ich mein Bergfahrrad noch nicht auf umstellen wollte auf die neuen Pedale mit den entsprechenden kleinen Anpassungen der Sitzposition.

Runde 9 startet auch noch gut, aber das Schild zu Kilometer 12 kann ich jetzt schon nicht mehr leiden. Die kleine Steilkurve nach Kilometer 13 fahre ich nur noch innen. Schon in der zweiten Runde hatte ich gemerkt, dass das der viel schnellere Weg ist. Doch auch jetzt fährt fast noch die Hälfte der Fahrer oben. Mir egal, so kann ich mir für die kleine Abfahrt immer wieder einen Windschatten schnappen der mir sonst vielleicht weggefahren wäre.

Jetzt muss ich aber zur hohen Acht richtig kämpfen. Keine Ahnung wie ich hier noch 5 Runden hoch kommen soll. Ich habe tierisch Hunger, außerdem muss ich pinkeln. Ich beschließe die Infrastruktur an der Verpflegungsstelle zu nutzen. Dumm nur, dass meine Brille jedesmal hier im Anstieg komplett anläuft. Es nimmt mit jeder Runde zu. Da es dunkel ist sehe ich oben praktisch nichts mehr. Ich treffe trotzdem die Fahrspur zur Verpflegungsstelle und stelle mich mit dem Rad vor die Theke. Eigentlich etwas unhöflich, aber es sind eh kaum andere Fahrer da, passt schon. Ich haue erst mal zwei Becher Apfelschorle, zwei Waffeln, ein Stück Mettwurst und zwei Kekse weg. Geil. Björn, mein Trainier, hat recht, dem Körper ist es scheißegal wo er seine Kohlenhydrate herbekommt…

Das mit dem Pinkeln bekomme ich nicht hin, dafür müsste ich die Strecke überqueren, es kommen aber gerade Fahrer und ich sehe nichts durch die Brille, fahre auch schon wieder bergab, egal gehe ich halt auf der Zielgeraden, da gibt es auch sanitäre Anlagen.

Auf der Zielgeraden muss ich allerdings feststellen, dass die hinter den Absperrgittern sind. Naja, es gibt 26 Kilometer lang Wiese neben der Strecke ich werde schon eine Stelle finden, schaffe es dann aber doch bis zur hohen Acht, diesmal halte ich kurz auf der anderen Seite der Verpflegungsstelle. Erleichterung beschreibt es am besten. So kann ich auch wieder entspannter im Blindflug mit meiner angelaufenen Brille die Bergabstücke meistern.

Nach der 11. Runde fahre ich dann doch schnell ans Wohnmobil, der Akku des Garmin ist platt. Ich hatte diesmal keine Lust mir einen zweiten Garmin zu kaufen, da ich die SRAM Quarq Kurbel fahre funktioniert auch der PC7 von SRM nicht, denn das Powercontrol kann erst in der neuesten Version 8 richtiges ANT+.

Ich esse anderthalb Käsebrote und sehe dann zu, dass ich schnell wieder auf’s Fahrrad komme. Denn mittlerweile liege ich auf Platz 18 und die Top 20 will ich jetzt nicht mehr hergeben. Auch wenn ich keine Idee habe wie ich die ca. 10.000 Höhenmeter bewältigen soll, die ich wohl zwangsläufig fahren muss, wenn ich die Position halten will.

Es ist jetzt längst hell geworden. Der Akku der Piko 7 hatte locker durchgehalten. Die Frontbeleuchtung habe ich in der Pause abgelegt. Genauso, wie das Hinterradschutzblech, dass ich in Erwartung weiterer Regenfälle angesteckt hatte. Ab jetzt gilt es Gewicht zu sparen wo es nur geht, denn mit jeder Runde wird der Anstieg zur hohen Acht steiler.

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Anstieg zur „hohen Acht“

Ich überlege kurz ob ich Sonnencreme auftragen soll, denn die restliche Zeit wird wohl die Sonne knallen so wie es jetzt aussieht. Aber das würde viel zu lange dauern. Also verwerfe ich den Gedanken wieder.

Mittlerweile ist es richtig anstrengend. Auch ist es nicht einfach genug Windschatten zu finden. Ich fahre doch recht viel im Wind. Bin mir aber auch nicht zu schade auf der Zielgeraden am Hinterrad eines Mountainbikers ein paar Körner zu sparen. Da ist jetzt jede Form von Stolz dahingeschmolzen ;)

Ich hole mir den geladenen Garmin in der nächsten Runde wieder ab. Ich bin erstaunt, wie konstant weiterhin die Leistung von den Beinen kommt. Obwohl es sich schlechter anfühlt fahre ich jetzt recht konstant um 1:03 h. 15 oder auch 16 Runden müsste ich eigentlich schaffen.

Ob die Geschwindigkeit der Sportograf Fotofalle wirklich stimmt? Es sieht auf jeden Fall gut aus...

Ob die gemessene Geschwindigkeit in der Sportograf Fotofalle wirklich stimmt? Es sieht auf jeden Fall gut aus…

Vielleicht liegt es am O-Saft den ich jetzt einsetze statt Ensure. Der schmeckt einfach so herrlich süß und hat ordenlich KH und Energie. Es ist fast elf. Wenn ich 16 Runden fahren will sollte ich etwas Gas geben. Fährt man eine Viertelstunde vor Zielschluss über die Ziellinie, darf man die Runde noch zu Ende fahren, das unterscheidet die 24h von Rad-am-Ring von anderen 24h Rennen.

Im Fahrerlager sind jetzt auch Andrea und Jörg eingetroffen, die haben mich schon bei meinem ersten Radmarathon an der Strecke unterstützt und Jörg war Teamchef meiner Crew beim RAAM 2014. Seine Erfahrung erweist sich auch gleich als nützlich, als ich mich an der Verpflegungsstelle im Fahrerlager mit Peter nicht auf eine Flasche „einigen“ kann und ohne weiterfahre. Kurzerhand reichen mir die beiden die Flasche in der Boxengasse, nachdem Andrea mich vorgewarnt hat.

Obwohl sich die Strecke ab Kilometer 11 jetzt wirklich zäh anfühlt und ich wirklich kämpfen muss, ist die 15. Runde um kurz vor 11 Uhr geschafft. Also Aufbruch zur letzten Runde, die kann ich locker fahren, sozusagen die Ehrenrunde. Es fahren jetzt auch einige Teams mit der kompletten Mannschaft um die letzte Runde gemeinsam zu genießen. Mein Verstand sagt, rolle locker um den Kurs, mache eine Pause an der hohen Acht und rolle dann ebenso locker ins Ziel.

Aber das Wettkampftier in mir weist mich zurecht. Denn obwohl einige nur noch um den Kurs trudeln ist ja eigentlich der Timecut für eine weitere Runde noch zu machen!

Schon in der 15. Runde habe ich mich gerade so noch die hohe Acht hochgekämpft. In dieser Runde haben fast mehr das letzte Stück hochgeschoben als das Fahrer auf der Fahrbahn gefahren sind. Ich habe keine Ahnung wie ich das jetzt nochmal da hoch schaffen soll. Trotzdem gebe ich auch schon in den Passagen vorher nochmal richtig Gas, nix mit Ehrenrunde! Ich fahre auch viel im Wind, weil ich noch um eine weitere Runde kämpfe, und noch mal Dampf machen will. Ich versuche einige Mitstreiter zu finden und die Leute nochmal anzufeuern, aber ich bekomme wenig Resonanz.

Das wird verdammt knapp. Ab Kilometer 11 wird es hart. Ab Kilometer 12 erst Recht. Wie ich diese blöden Schilder hasse „Klostertal“, ab dort beginnt das Leiden. Ich habe immer das Gefühl mich schneller als der Hauptstrom zu bewegen, aber was nützt es, es ist trotzdem Quälerei.

Am schlimmsten sind die E-Biker. Ja, warum auch immer, es gibt ein E-Bike Rennen. Wo ist da der Gag, wenn berghoch der Elektromotor die Arbeit übernimmt. Es ist irgendwie frustrierend wie easy die den Berg hochrasen. Aber Bosch möchte natürlich Werbung für seine E-Bike Motoren machen und Rad am Ring bietet dazu einen guten Rahmen.

Ich quäle mich stattdessen, wie die meisten anderen auch, ohne Unterstützung den Berg hoch. Allerdings sehe ich auch, wie zwei Teamfahrer einen Einzelfahrer aus ihrem Verein den Berg hoch schieben. Das ist mal richtig unfair gegenüber den anderen Einzelfahrern. Genauso wie die Tatsache, das einige das Verbot von Aeroaufliegern ignorieren. Ein enormer Vorteil auf den flachen Abschnitten. Ich finde das etwas armselig, sich so einen Vorteil zu verschaffen.

Egal, der Aufstieg zu hohen Acht ist nun zu bewältigen und ich habe noch keine Ahnung wie ich da hoch kommen soll. Mittlerweile habe ich ja schon fast 9000 Höhenmeter in den Beinen. Mehr als ich jemals zuvor an einem Tag gefahren bin.

Aber es geht erstaunlich gut. Im etwas unrunden Wiegetritt kämpfe ich mich zum höchsten Punkt der Strecke. Ganz kurz überlege ich ob ich hier jetzt eine Genusspause einlege und ausrolle, aber die Wettkampfsau in mir gibt Gas, hindurch durch das Gewühl an der Labstation.

Ich kämpfe, ich will definitiv keine Runde mehr fahren, ich bin froh wenn es endlich vorbei ist, aber ich kämpfe bis zum Schluss, wenn ich es schaffen kann will ich auch vor 12:45 Uhr über die Ziellinie fahre, dann kann ich ggf. die letzte Runde wegen mir die hohe Acht hochschieben…

Es ist schwer eine Gruppe zu finden, da wie gesagt die meisten ihre „Ehrenrunde“ fahren. Aber ich habe Glück, auf der vorletzten langen Gerade findet sich eine brauchbare Gruppe zusammen, wir fahren zwar für meinen Geschmack etwas zu langsam, aber alleine wäre ich auch nicht schneller und so kann ich nochmal letzte Kräfte für die beiden Schlussanstiege sammeln.

Letzte Gerade hin zur Zielgeraden, ich muss auch etwas im Wind arbeiten, kann mich aber mit Gewalt an einen schnellen Teamfahrer ranbeamen, einer der wenigen die noch kämpfen. Er stöhnt und schreit, holt das letzte aus sich heraus, ich gebe jetzt alles was ich habe um dranzubleiben, dann geht es bergauf, er zieht jetzt weg, aber das hat jetzt endgültig die letzten Reserven in mir mobilisiert und ich stöhne mich mit Gewalt den letzten Anstieg hoch.

Dann endlich die Zielgeraden, es wird ganz knapp, noch vier Minuten oder so. Ich verstehe nicht warum die anderen nicht kämpfen, ich fange auch an zu schreien und verschaffe mir so Platz und gebe richtig Gas, gebe alles was ich habe um noch vor der Zielflagge die Linie zu überqueren um noch eine Runde fahren zu können. Einige Fahrer trudeln echt im Weg herum, weil für sie das Rennen schon vorbei ist. Weg mit euch!

Ich geißele mit aller Gewalt über die Zielgerade und fahre schreiend über die Ziellinie, 2:40 min vor Ende. Jaaaaaaa! Ich habe es geschafft! Neeeiiin, ich muss noch eine Runde fahren!

Jetzt beginnt die Ehrenrunde, aber ich nehme es sportlich, ich will die letzte Runde wie alle andern auch so schnell fahren wie ich kann. Ich kämpfe bis zum Schluss. So gebe ich auf der Grandprixstrecke alles, fahre bei meinem Betreuerteam vorbei erkläre kurz, dass ich so unklug war noch vor 12:45 Uhr über die Ziellinie zu fahren und die Quälerei noch kein Ende hat, aber eigentlich bin ich jetzt voll Adrenalin und Power.

Den Weg durch die Boxengasse muss ich mir freibrüllen, weil diejenigen die das Rennen schon beendet haben einfach kreuz und quer auf der Strecke stehen. Anyway, ich komme auch da durch und biege ein letztes mal auf die Nordschleife ein.

Während in der letzten Runde die Strecke richtig voll war, ist es jetzt fast einsam auf der Strecke. So habe ich auch praktisch keinen Windschatten. Egal, ich gebe Gas was die Beine hergeben. Geißele alleine die erste Abfahrt hinunter, quäle mich im ersten Gang im Wiegetritt den kleinen fiesen Gegenanstieg hinauf, genieße die Fahrt am Schwedenkreuz vorbei, ein letztes mal die Fuchsröhre hinunter, wieder heftiger Gegenanstieg an dem mir gegen Ende etwas die Luft ausgeht, also im Wiegetritt im kleinen Gang hochquälen.

Dann wieder herrliche Abfahrtspassagen, auch zum 17. mal sind die einfach nur geil, dann vorbei am Bergwerk und ein letztes mal Quälerei. Kilometer 11, Kilometer 12, jetzt wird es hart. Aber ich bestehe jetzt nur noch aus Motivation, ich will auf jeden Fall in meiner Runde nicht noch von einem Einzelfahrer in der gleichen Runde überholt werden.

Dann ist der erste Teil des Anstiegs geschafft, Kilometer 13, kurz durchschnaufen, „Steilwand“, kleine Zwischenabfahrt und es geht in die 13% Steigung. Kämpfen!

Es geht wirklich erstaunlich gut. Also im Sinne von elend aber geil. Wieder in etwas unrhythmischem Wiegetritt die letzten Meter bis zum höchsten Punkt hocheiernd überlege ich kurz ob ich an der Verpflegungsstelle eine Abschiedspause mache. Aber erstens ist es da viel zu voll, zweitens ist das ein Wettkampf und der ist zu Ende wenn ich über die Ziellinie gefahren bin. Alles andere ist unsportlich.

So gebe ich auch in der folgenden Achterbahn nochmal Gas, am „Schwalbenschwanz“ muss ich mich etwas quälen, die folgenden Geraden habe ich kaum Mitstreiter und fahre voll im Wind. Aber das ist mir jetzt schnuppe, gleich ist es geschafft, nochmal den letzten Anstieg hinauf und dann auf die Zielgerade. Auch hier fahre ich noch Vollgas.

Und dann fahre ich nach 17 Runden mit 445 Kilometern und 9860 Höhenmetern über die Ziellinie, meine Betreuer jubeln mir zu, ich schreie meine Freude heraus. Wie geil, ich habe mein Ziel Top 20 mit Platz 13 geschafft und vor allem habe ich einfach das Maximum herausgeholt. Mehr als 17 Runden konnte ich in die 17 Stunden hier am Ring wirklich nicht hineinquetschen. Geil, einfach nur geil.

Ich biege ab ins Fahrerlager und es geht mir richtig gut. Im Gegensatz zur letzten Woche in Kelheim komme ich gut vom Fahrrad herunter und habe keinerlei Probleme, ich kann gehen, stehen und sitzen ohne Probleme. Vielleicht sollte ich schauen ob es am nächsten Wochenende nicht noch ein 24h Rennen gibt…



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24h Nürburgring – vor dem Rennen

Eine Woche hatte ich jetzt seit Kelheim um mich zu erholen. Genau 10 Minuten saß ich auf dem Rad. Indoor. Ich hatte wirklich keine Lust zum Radfahren, geschweige denn zu trainieren.

Diesmal wird mich nicht Katrin unterstützen, sondern mein Freund Peter, mit dessen Wohnmobil wir auch zum Nürburgring angereist sind. Auch meine Eltern kommen vorbei, so dass mich eine richtige Mannschaft unterstützt. Dabei bin ich nicht mal sicher ob ich nicht nach drei Runden fertig bin und wir die Grillparty einläuten (müssen). Zwei 24 Stunden Rennen innerhalb einer Woche sind schon nicht zu unterschätzen. Und es ging mir nicht nur schlecht in Kelheim, nein die Nordschleife wartet auch noch mit vielen Höhenmetern und Steigungen im zweistelligen Prozentbereich auf. Nicht unbedingt mein ideales Terrain.

Organisatorisch scheint hier am Ring alles bestens zu sein, die Abholung der Startunterlagen geht flott, die Einfahrt auf die gebuchte Parzelle im Fahrerlager war problemlos.

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Die erste Installationsfahrt auf der Grandprixstrecke macht Spaß. Der Asphalt ist etwas rauher als gedacht, bin mal gespannt wie die Nordschleife vom Belag her ist, ich gehe mal davon aus, dass es da eher keine Schlaglöcher oder Querfugen geben wird.

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Nach der Testfahrt schlendern wir noch etwas durch die „Expo“. Eine hübsche junge Dame versucht mich zu überreden das Race Around Austria zu fahren. Ich weiß nicht ob sie wirklich arglose Opfer gefunden hat, aber ich habe eine ziemlich gute Vorstellung von der potentiellen Anstrengung (oder besser Quälerei) die das bedeuten würde und lehne dankend ab.

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Dann zeigt die Eifel aber plötzlich ihr garstiges Gesicht. Dunkle Wolken ziehen auf und es beginnt zu Regnen, garniert mit heftigen Windböen. Wie gut, dass wir nicht mit dem Zelt angereist sind. Einige davon reißt es nämlich weg.

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Aber das ist natürlich genau mein gewünschtes Fritz Walter Wetter. Vielleicht habe ich doch Chancen wenigstens in die Top 20 zu fahren. Nochmals in die Top 10 zu fahren wie in Kelheim wird sehr schwierig, dafür müsste man wohl 23 Runden fahren, was über 13.000 Höhenmeter bedeuten würde. Das kann ich mir nicht vorstellen, obwohl ich erstmals dieses Jahr ungefähr Kampfgewicht habe.

Egal, jetzt erst mal erholungsschlafen und dann schauen wir morgen wie es läuft.



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Donnerstag, 23. Juli 2015

24h Kelheim – das Rennen

Es ist Samstagmorgen. Die Nacht war durchwachsen, denn das 24 Stunden Rennen in Kelheim ist ein Volksfest, da wird gefeiert bis spät in die Nacht. Fenster schließen im Hotelzimmer ist keine Alternative, im Dachgeschoss ist es einfach zu heiß.

Meinem Bauch geht es nicht so gut. So frühstücke ich nur verhalten, etwas Tee, zwei Brötchen, eine Minischüssel Müsli, das Ensure muss es nachher richten…

Nach dem Auschecken wird alles im Auto verstaut das ja schon im Fahrerlager steht. Hier in Kelheim ist alles schön dicht zusammen, so dass man in wenigen Minuten zu Fuß von den Fahrerlagern zum Festzelt und auch zu unserem Hotel gelangt. Da ich ich diesmal von meiner Freundin begleitet und versorgt werde muss ich ausnahmsweise mal nicht alles alleine machen. Andererseits habe ich nachher auch keine Entschuldigung für irgendwelche Pausen, mal sehen wie das wird. Ich hoffe nur mein Bauch wird bis zum Rennen besser.

Pünktlich um 12 Uhr bin ich im Zelt zur Fahrerbesprechung, aber entgegen der Angabe auf der Website beginnt die erst um 12:30 Uhr. Egal, so setze ich mich nochmal in ein Cafe und nehme ein zweites Frühstück mit nochmal zwei Marmeladenbrötchen. Cafe geht nicht, aber Kamillentee. Trotzdem muss ich nochmal die Toiletten dort benutzen. Die Erinnerungen an meine erste Teilnahme in Fell beim 20h Rennen werden wach, das brauche ich heute wirklich nicht! Außerdem mache ich noch schnell einen Blogeintrag. Dann ist es auch schon 12:30 Uhr.

Die Fahrerbesprechung ist zum Glück nicht sehr lange. Ich bin jetzt doch etwas heiß auf den Start. Die Zwangspause, die nervige Wade und das Grummeln im Bauch brauchen jetzt das Adrenalin des Rennfiebers wenn das was werden soll.

Ich stimme mich dann noch mit Katrin ab wie wir die Versorgung gestalten wollen. Zum Glück ist eine Tankstelle fast direkt am Fahrerlager, so dass ich noch etwas Eis zum Kühlen der Getränke besorgen kann und auch noch zwei Kästen Volvic, Wasser habe ich nämlich doch zu wenig mitgenommen. Überhaupt ist unser Lager nicht ganz so professionell wie viele andere, dort sind oft Zelte und Pavillons aufgebaut und Bierzeltgarnituren, natürlich mit Grill usw. Aber auch andere Einzelfahrer haben einfach nur ihr Auto hingestellt und gut ist’s.

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Meine Verpflegung soll, ähnlich wie beim RAAM, aus Sponser Competition und Ensure Plus bestehen. Mehr sollte ich für ein 24 Stunden Rennen nicht brauchen.

Dann ist es endlich kurz vor zwei, ich fahre noch ein paar Meter um die Beine zu lockern und stelle mich in die Startaufstellung. Die Strecke kenne ich ja von der Installationsrunde gestern.

Es geht erst mal über zwei Serpentinen bergauf, dann flacht die Steigung ab dem Abzweig zur Befreiungshalle ab, wenn der höchste Punkt erreicht ist geht es angenehm gerade bergab bis zu einer Linkskurve, dann nach der Ministeigung nochmal kurz bergab bis zu einer Rechtskurve von wo es dann teils bis 9% steil bergauf bis zum, mit einem roten Torbogen markierten, höchsten Punkt der Strecke geht. Danach geht es wieder flott bergab, fast ohne Kurven bis zu einer scharfen 90° Rechtskurve, von wo es etwas steiler bergab geht, unten schließlich über die Altmühl und nach einer weiteren Rechtskurve (bzw. Kurvenkombination mit Auffahrt) an dieser entlang zurück bis Kelheim, dort erneut über eine Brücke und durch die Altstadt, genauer: direkt durch’s Festzelt, zur Wendemarke.

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Meine Wade lässt mich in Ruhe und ich genieße kurz den Starttrubel. Dann werden die letzten zehn Sekunden heruntergezählt und es geht los. Um den Bergpreis, den es für den ersten am roten Torbogen auf dem höchsten Punkt gibt, kämpfe ich nicht. Aber ich möchte nach zwei Wochen ohne Radfahren doch Spaß in der ersten Runde haben und eine vernünftige Zeit hinlegen.

So bleibe ich im Anstieg so gut es geht dabei und fahre immer wieder ordentlich in den EB-Bereich. Sollte man als 24h Einzelfahrer vielleicht nicht machen, denn die, die so loslegen sind ja die Teamfahrer, aber ist mir gerade mal egal.

Die erste Steigung ist bezwungen und es geht erstmals bergab. Ich versuche im Windschatten Kräfte zu sparen, aber die anderen sind mir zu langsam, so fahre ich selbst auch viel im Wind bis die Gruppe wieder passt. Dann kommt auch schon die zweite Steigung. Der Stausacker Berg, bzw. von den Rennradlern hier Col de Stausacker genannt, ist eigentlich gut zu fahren. Der Garmin zeigt Steigungen bis 9%. Dazu ist nicht weit von dem Punkt an dem die Steigung anzieht eine kleine Fanmeile aufgebaut. Schon jetzt in der ersten Runde ist hier schwer Remmidemmi. Mit gefühlt 140 Phon schallt uns Fahrern Thunderstruck von AC/DC entgegen. Cool, gefällt mir, das pusht nochmal etwas und ich geißele ganz brauchbar den Berg hoch.

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Oben heißt es wieder Anschluss an eine schnelle Gruppe finden, jetzt wo die meisten Fahrer noch einigermaßen zusammen sind, ist das auch kein Problem. Dann geht es erstmals in die 90° Kurve am Ende des ersten Teils der Abfahrt. Aber die ist eigentlich völlig harmlos, gar kein Problem, die Straßen sind breit, man braucht kaum zu bremsen. Nun wird es etwas steiler in der Abfahrt. Es geht mir etwas zu langsam und ich fahre wieder nach vorne. Sollte ich nicht machen, sondern Kräfte einteilen, aber mir ist einfach so danach.

Als wir dann im Flachen auf dem Weg zurück nach Kelheim Innenstadt sind muss ich auch noch zwei-, dreimal Tempo machen, weil mir die Gruppen zu langsam sind. Aber wenn man dann eine hat, dann geht es richtig ab. So fliegt die erste Runde schnell dahin.

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Kurz überrascht bin ich nur bei der Einfahrt in die Altstadt. Denn da ist Kopfsteinpflaster und das hatte ich komplett verdrängt. Das rumpelt ganz schön, und vor dem Wendepunkt muss man auch noch über zwei kleine Hindernisse fahren. Bei der ersten Runde ist das ziemlich egal, aber wie sich das nach 10, 20 oder mehr Runden anfühlt, da bin ich ja mal gespannt.

Die Gitter im Zelt und nach dem Wendepunkt stehen recht eng, hier muss man schon etwas aufpassen, so dass es gar nicht so leicht ist bei dem Kopfsteinpflastergerumpel auch noch die Runden auf den Radcomputern abzudrücken. Dann verlasse ich aber die Altstadt und fahre wieder am Fahrerlager vorbei in den Berg hinein. Verpflegung brauche ich jetzt noch nicht. Ich winke Katrin kurz zu, die mit den Flaschen am Straßenrand steht.

Der Bauch rumpelt etwas, aber ich fahre ähnlich aggressiv in den Berg wie beim ersten mal. Die erste Serpentine naht, dann hochschalten, nochmal und im Wiegetritt bis zur zweiten Serpentine, dann schauen, dass man hier schon potentiell schnelle Fahrer findet mit denen man dann gemeinsam bergab fahren kann.

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Auch im zweiten Berg fahre ich noch bis in den EB-Bereich, wenn auch nicht mehr so sinnlos wie in der ersten Runde, mehr um an schnellen Teamfahrern dranzubleiben.

Das Competition schmeckt mir heute nicht so recht, aber geht. Ich nuckele kurz an der Ensure Flasche, bäh das geht gar nicht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Eigentlich kann ich Ensure immer und zu jederzeit trinken und ich mag den Geschmack sogar gerne. Das wird spannend, denn irgendwie muss ich ja doch Energie zuführen, vor allem auch Kohlenhydrate. Aber ist ja auch erst die zweite Runde, noch keine Stunde ist um, wenn ich nachher wirklich ein Energiedefizit habe kommt der Geschmack von ganz alleine.

Die Anfeuerung am Anstieg ist wieder spektakulär, mal sehen wie lange die das durchhalten. Oben kämpfe ich mich wieder an ein paar schnelle Fahrer ran um in der Abfahrt eine gute Gruppe zu haben. In der 90° Kurve bin ich etwas weit hinten in der Gruppe und durch die übervorsichtigen Bremser vor mir verliere ich den vorderen Teil der Gruppe, mit Gewalt beame ich mich wieder an die dran. Denn in dem etwas steileren Teil fährt man alleine so knapp 50 km/h mit Gruppe aber locker über 60 km/h.

Auch in dem langen Flachstück in Richtung Kelheim, entlang der Altmühl fährt man mit einer guten Gruppe um 50, mit einer langsamen nur gut 40 km/h. Dabei ist es nicht komplett flach, sondern es gibt drei Abschnitte die minimal ansteigen. In der ersten Runde hatte ich das überhaupt nicht wahrgenommen, jetzt in der zweiten merke ich, dass ich in der schnellen Gruppe in diesen Abschnitten ganz schön reintreten muss.

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Anyway, die zweite Runde ist geschafft. Diesmal tausche ich die Flasche mit dem Sponser Comepetition. Es ist so um 25° C, auch wenn es sich nicht gut angefühlt hat, habe ich doch das meiste davon getrunken. Nur Ensure geht noch nicht.

Zum dritten mal bin ich jetzt im Anstieg. Nun ist der erste Enthusiasmus verflogen und ich muss arbeiten. Ich versuche solide im G2 Bereich die Steigungen zu nehmen, aber es fühlt sich schon anstrengend an. Vor allem ist mir schlecht. Mein Bauch rumort. Nur nicht drüber nachdenken, einfach weiterfahren. Die schnellen Teamfahrer ledern mich jetzt in der Steigung schon lässig ab. Hoffentlich war das nicht dämlich in den ersten zwei Runden draufzuhalten. Naja, eigentlich kenne ich die ehrliche Antwort auf diese Frage, aber ich hatte einfach zu sehr Bock auf Rennradfahren um mir irgendwas einzuteilen.

An der Partymeile läuft Helene Fischer mit „Atemlos“, ich versuche im Wiegetritt dazu zu tanzen um mich etwas aufzumuntern…

Oben schaffe ich es wieder irgendwie an ein paar Teamfahrern dranzubleiben, so dass die Abfahrt gut läuft. Vor der 90° Kurve fahre ich nach vorne, dann kann mich die Gruppe nicht durch den Ziehharmonikaeffekt abhängen. Bergab geht es dann auch sehr easy, wenn mir nur nicht so schlecht wäre.

Im Flachen muss ich diesmal ganz schön kämpfen um dranzubleiben, klappt aber. Das Kopfsteinpflaster setzt mir aber jetzt schon mächtig zu. Hoffentlich bleiben alle Anbauteile am Rad. Die Stimmung im Zelt ist aber super. Jetzt schon. Die Streckenführung hier mitten durch ist wirklich eine clevere Idee, zum einen für die Zuschauer die gemütlich ihr Bier trinken können und dabei die Fahrer gut beobachten können, zum anderen für die Fahrer, die jede Runde Anfeuerung bekommen und einen schönen Kontrast zu der Fahrt durch den Wald haben.

Die nächste Runde levelt mich im G1-Bereich ein. Auch in der Steigung fahre ich kaum noch mehr als 250 Watt. Außerdem fühle ich mich schlapp und mag eigentlich nix von meinen geliebten KH-Getränken trinken. Die Wade macht überhaupt keine Probleme, aber die Oberschenkel fühlen sich so schlapp an. Ich muss jetzt schon kämpfen. Das kann doch nicht wahr sein. Die Teamfahrer lassen mich am Berg stehen, es ist schwierig für die Abfahrten gute Gruppen oder Fahrer zu finden, ich setzte meine paar Körner an den Kuppen kurz vor den Abfahrten ein um noch irgendwie dranzubleiben, geht, aber nicht so schön wie ich mir das vorgestellt habe. Ich verstehe nicht, wie es mir nach so wenig Kilometern so schlecht gehen kann.

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Auch diese Runde geht rum, aber als ich bei Katrin vorbeikomme und Getränke aufnehme geht es mir elend, aber sie ist so motiviert, dass ich es nicht zeige, ich fahre einfach lächelnd wieder in den Berg.

Jetzt wird’s aber richtig elend. Ich habe Krämpfe in den Oberschenkeln. Das hatte ich ja noch nie. Wade ok, aber auch selten, vielleicht mal kurz vorm Timmelsjoch beim Ötzi. Außer draufhalten bleibt mir nichts übrig, so versuche ich mit Wiegetritt und Gewalt meinen Beinen zu erklären, dass das hier lange noch nicht vorbei ist.

Am Col de Stausacker gibt es wieder AC/DC, der gleiche Song. Hilft ein bisschen. Es ist mir jetzt nicht mehr so möglich zu taktieren und mich kurz vor der Kuppe an einen schnellen Fahrer zu heften. So ergeben sich zwar schon immer wieder Gruppen, aber eben nicht so schnelle. Ich fühle mich weiterhin elend. Die Rundenzeit geht hoch, aber immer noch im Rahmen.

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Mittlerweile würde ich am liebsten absteigen. Das Kopfsteinpflaster rüttelt mich durch, ich überlege ob ich ins Fahrerlager abbiege. Katrin steht da und freut sich, dass ich wieder vorbeikomme, reicht mir die Flaschen an, ich tue als ob alles gut wäre und fahre weiter…

Die Oberschenkel krampfen im Anstieg, mittlerweile haben sich alle Gelenke mal gemeldet und der rechte Fuß möchte lieber etwas mehr nach außen drehen. Warum eigentlich? Ich krieche berghoch. G1-Bereich ist alles was geht. Nicht immer hoch.

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Die Sonne steht tief. Zwischendurch schien es mal anzufangen zu regnen, hat sich dann aber gleich wieder gelegt. Der Wind hat deutlich zugenommen. Im Flachen Teil ist es kaum möglich an den schnellen dranzubleiben wenn es auch nur einen Hauch berghoch geht. Elend, alles ist elend. Ich will absteigen. Was für eine blöde Idee 24 Stunden am Stück Rad zu fahren. Es rumpelt über das Kopfsteinpflaster, irgendwie cool wieder eine Runde geschafft zu haben, aber auch nervig, bin immer wieder froh, wenn ich durch den Torbogen wieder auf glatte Straße fahre.

Auch wenn ich mich zwinge, mit dem Ensure bin ich weit hinten dran. Selbst mit dem Competition. Aber ich habe jetzt schon mehrere Runden einfach Wasser genommen, das hat meinem Bauch gut getan, der beruhigt sich tatsächlich.

Ich wäre gerne Teamfahrer, würde ein Stündchen ausruhen, dann eine ordentliche Rund hinbrettern und wieder ein Stündchen ruhen. Ich würde auch gerne irgendwo im Cafe sitzen, oder einfach an einem Biertisch im Zelt und zuschauen wie die anderen sich quälen.

Nach elf Runden mache ich ein kleine Pause, etwas über zehn Minuten. Ich esse trockenes Blumenbrot und eine halbe Banane. Obwohl es mir schlecht geht fahre ich schnell weiter, Katrin ist ganz motiviert, da kann ich nicht zeigen wie elend ich mich eigentlich fühle.

Der erste Teil des Anstiegs scheint nach der kurzen Pause einen Hauch besser zu gehen, aber nach der zweiten Serpentine schleiche ich schon wieder wie in den Runden zuvor. Am Col de Stausacker läuft zum dritten mal „Atemlos“, ich lasse das mit dem Tanzen. Aber die Stimmung dort ist immer noch am kochen. So gehe ich dort bis jetzt immer in den Wiegetritt und versuche mit etwas mehr Leistung den Anfeuernden was zurückzugeben.

Die Runden vergehen zwar, aber langsam. An den Kuppen immer das gleiche Spielchen und der Versuch brauchbar schnelle Mitstreiter für die Abfahrt zu finden. Vor der 90° Kurve an die Spitze setzen um dort nicht abgehängt zu werden, und versuchen unten wenn es über die Altmühl geht dranzubleiben um nicht alleine im Wind zu hängen. Das gelingt mir jetzt mehrmals nicht mehr, so dass ich doch einige Zeit ohne Windschatten verbringen muss.

Die Brücke über die Altmühl hält auch zwei ordentliche Querfugen bereit, die jetzt jedesmal mehr weh tun.

Es wird dunkel, ich wurde schon ermahnt, dass ich eine Warnweste anziehen soll. Katrin hat sie direkt bereit, dabei hatte ich gar nix gesagt. Sehr cool, das Team funktioniert :)

In der Warnweste fährt es sich genaus lahm berghoch wie ohne. Ich finde die eh albern. Bestimmt irgendeine behördliche Vorschrift. Die Radklamotten haben sowieso Reflektoren, und die Westen flattern wild im Wind und fühlen sich an wie Plastiktüten. Aber was soll’s, ich werde wohl kaum eine Runde weniger fahren wegen der Warnweste.

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Wenn man in der Abfahrt keine Gruppe erwischt und voll im Wind fährt ist es jetzt doch empfindlich kühl. Meine Schulter fängt an zu Schmerzen. Ich wusste doch, da war noch was. Sie hat aber erstaunlich lange still gehalten. Auch jetzt ist es erträglich, sie muckt eigentlich nur wenn ich im Auflieger liege. Das ist ja das schöne für die Einzelfahrer, dass die Aeroaufsätze benutzen dürfen und so wenigstens ein paar Watt sparen wenn sie alleine im Wind fahren müssen.

Ich versuche wieder 11 Runden am Stück zu fahren. Beim ersten mal hat es sechs Stunden gedauert, vier mal sechs macht dann 44 Runden. Aber das ist natürlich unrealistisch, mir geht es seit Runde drei schlecht und es ist bis jetzt nicht besser geworden. Aber ich bewege mich wohl irgendwo in den Top 20, trotz allem.

Die Runden fallen mir aber jedesmal schwer. Immer noch möchte ich am liebsten absteigen. Wenn ich alleine hier wäre hätte ich es auch schon längst getan. Aber ich habe meine Freundin dabei. Und die ist voll motiviert und glaubt an mich. Die kann ich schlecht enttäuschen!

Ich habe keine Ahnung wieso ich mich so elend fühle. Bei den 20h in Fell, haben sich die Beine eigentlich immer gut angefühlt (irgendwie jedenfalls) Müdigkeit gab es da wenig. Beim RAAM habe ich es locker angehen lassen und bin in der ersten Nacht trotz Wüstenhitze ohne Probleme gefahren. Wenn ich in meinem jetzigen Zustand das RAAM fahren müsste würde ich noch vor TS 7 aufgeben. Keine Chance. Vielleicht hat mich das RAAM doch verändert und meine tiefe innere Motivation ist angeschlagen?

Mit Krämpfen in den Anstiegen, Schmerzen in allen Gelenken, mittlerweile auch in der Hüfte quäle ich mich durch die Runden. Am Stausacker Berg reihen sich die roten Rücklichter vor mir auf. Einmal muss ich hinter einem ähnlich schnellen Fahrer herfahren dessen Rücklicht heller ist als mein Lupine Piko 7 Frontlicht und das auch noch blinkt. Am liebsten würde ich ihn vom Fahrrad stoßen. Aber ich entscheide mich dafür alle Kräfte zusammenzunehmen und ihn zu überholen. In der Abfahrt muss ich alleine fahren, hoffentlich kommt er jetzt nicht wieder mit einer Gruppe angerauscht, aber er bleibt weg. Zum Glück. Das Gute an den Schmerzen ist, dass sie nie alle gleichzeitig kommen und immer wieder weggehen, so dass immer nur entweder die Hüfte oder das Sprunggelenk oder die Oberschenkel weh tun, nie alles zusammen.

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Ich versuche die 22 Runden zusammenzubringen, muss aber auf die Toilette und verliere beim Rundenzählen den Überblick. So mache ich nach 19 Runden erneut eine Pause. Dabei lege ich mich zehn Minuten ins Auto, Toilette geht doch nicht. Ich bin wirklich etwas zerstört. Niemals im Leben bin ich das Race Across America gefahren. Wer auch immer das war, ich war es jedenfalls nicht. Ich bin gerade mal gut 300 Kilometer gefahren und bin platt, hatte sogar auf dem Rad mit Müdigkeit zu kämpfen.

Katrin meint ich läge auf Platz 8. Hm, das kann doch kaum sein. Aber was soll’s, aufstehen weiterfahren. Jetzt versuche ich die nächsten Runden das Ergebnis zu halten. Langsamer werden kann ich jedenfalls nicht mehr!

Der Berg fühlt sich langsam an, aber daran habe ich mich jetzt gewöhnt. Ich hatte bei Katrin Orangensaft bestellt, da das Ensure nicht geht brauche ich ja irgendwie Ersatz. Und O-Saft hat auf den Radreisen immer wunderbar funktioniert, das war als ob man Benzin in einen Ottomotor schüttet.

Zum Glück ist ja die Tanke nah beim Fahrerlager, so dass ich bald meinen geliebten O-Saft bekomme. Der schmeckt herrlich. Und nach ein zwei Runden geht auch das Competition wieder. Immerhin ich habe jetzt ein brauchbares Ernährungsregime gefunden. Katrin hat alles im Griff, so bekomme ich immer das richtige Getränk zur rechten Zeit. Außerdem freue ich mich wenn ich sie sehe, so habe ich jede Runde etwas an dem ich mich hochziehen kann.

Nach vier Runden muss ich dann doch Toilettenpause machen, geht aber schnell. Die Runden sind jetzt vorhersehbare Quälerei, das sich das heute nochmal ändert erwarte ich nicht, aber eine einstellige Platzierung wäre schon ganz schön.

Die Morgendämmerung ist schon angebrochen, es ist immer noch recht kühl. Zum Glück habe ich jetzt noch eine Weste unter der Warnweste an, so dass meine Schulter schön warm bleibt, das dämmt die Schmerzen ein. Sehr gut. Ich fahre jetzt ziemlich oft alleine in der Abfahrt und auch auf dem flachen Streckenabschnitt. Sind die alle Brötchen holen oder was?

Mittlerweile habe ich keine Krämpfe mehr in den Oberschenkeln. Auch der Rest geht. Nur das rechte Sprungelenk schmerzt doch dauerhaft und ernsthaft. Das linke Knie deutet immer wieder mal einen bösen Schmerz an, den ich nur zu gut kenne. Hoffentlich hält das durch. Es wäre schade, wenn ich wegen orthopädischer Probleme aufgeben müsste.

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Einen kurzen Halt mache ich nach 28 Runden. Ich ziehe die Westen aus. Dabei scheint gerade fieses Wetter aufzuziehen. Außerdem nehme ich ein Ensure plus zu mir. Im stehen geht es, zumindest kann ich jetzt die Geschmacksrichtung Banane einigermaßen zu mir nehmen. Ich beiße auch nochmal in trockenes Brot. Ich hätte Lust auf eine Käsestulle, aber an der Tanke gab es nur schleimige Sandwiches. Zwei Bissen in ein Nougat Croissant schaffe ich dann aber auch noch.

Ich liege auf Platz 7. Und ja, das motiviert. Ich muss einfach nur weiterfahren, dann kann ich den Platz halten.

Es wird jetzt ganz schön warm. Das sich andeutende Unwetter hat nur einen kurzen harmlosen Schauer abgeladen und ist dann weitergezogen. Nun knallt die Sonne. Kommt mir wärmer vor als gestern in den ersten Runden.

Am Stausacker Berg ist immer noch Party und Anfeuerung ohne Ende. Die haben wirklich ununterbrochen durchgehalten bis jetzt. Unglaublich. Und jedesmal wenn ich dort vorbei fahre kämpfe ich im Wiegetritt, auch wenn es ein paar Meter nach der Partymeile schon wieder vorbei ist und ich wieder im Kriechgang berghoch gurke. Auch im Festzelt ist schon wieder was los. Und das nimmt mit jeder Runde zu.

Mein Mindestziel waren 35 Runden, die sollte ich schaffen, aber es gehen vielleicht auch noch ein paar mehr. Die 40 werde ich aber nicht schaffen können, dazu ist mittlerweile die Zeit doch recht knapp und ich bin einfach zu indisponiert.

Nach der 33. Runde mache ich noch einen kurzen Stopp. Ich ziehe eine frische Hose an, muss die Sitzfläche nochmal nachcremen. Fühlt sich gut an. Aber nicht so frisch wie erwartet. Egal jetzt, ich liege auf dem 6. Rang. Jetzt muss ich die restliche Zeit noch durchziehen, dann könnte es doch noch eine ziemlich gute Platzierung werden.

Nach vorne ist aber nichts mehr zu holen. Ich versuche die Rundenzeit niedrig zu halten um auf jeden Fall 38 oder 39 fahren zu können, aber wirklich schneller fahren als bisher kann ich nicht. Noch dazu ist’s nix mit Gruppen, ich fahre oft bergab oder flach alleine. Mist.

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Zwei, drei Runden fahre ich ungefähr gleich mit einem vor mir platzierten Fahrer, der fährt kaum selbst im Wind, wartet lieber auf Gruppen von hinten. Ich fahre in den Gruppen immer mit, d.h. auch vorne, wenn es Teamfahrer sind führe ich aber nicht so lange. Manchmal kann ich aber auch nur gerade so dranbleiben, dann ist’s nix mit Führen.

Runde 36 fühlt sich im Zelt gut an, denn jetzt liege ich über meinem Minimalziel. Es mault auch keines meiner Körperteile mehr. Runde 37 ist geil, es läuft Hells Bells im Zelt, der Moderator kündigt mich an, sagt, dass ich auf Platz sechs liege mit 37 Runden, und „Runde 38 ist jetzt Pflicht“. Ok, wenn du das sagst, dann ist das so :)

Runde 38 ist Gegurke, aber das waren 36 von den vorherigen auch, Katrin feuert mich an, ich nehme das letzte mal Getränke auf. Ich habe mal wieder etwas mehr Glück und einige Mitstreiter im Flachen. Dann die letzte Runde. Ich habe 50 Minuten Zeit, zwei Runden sind nicht machbar, aber die eine könnte ich fast schieben.

Ich kämpfe mich nochmal den Berg hoch, bedanke mich an den Stellen mit den ausdauernden Unterstützern die so lange durchgehalten haben, und genieße dementsprechend irgendwie sogar den Anstieg zum höchsten Punkt am Col de Stausacker.

Die letzten Runden schon haben wir Einzelfahrer immer wieder sehr nette Respektsbezeugungen von verschiedenen Teamfahrern bekommen, das war durchaus motivierend.

Ich genieße die letzte Abfahrt, leider alleine im Wind, obwohl das eigentlich auch ganz schön ist. Im Flachen versuche ich nochmal schnell zu fahren, aber was reißen kann ich nicht, habe auch keine Gruppe.

Aber egal, ich kann schon das Blinklicht an der Brücke sehen, die in die Stadt führt. Noch einmal im Wiegetritt hochgeackert, dann kleine Abfahrt, Tempo aufnehmen, im Auflieger in Richtung Altstadt geißeln, runterschalten und rauf auf’s Kopfsteinpflaster, durch den Torbogen, hinein in die begeistert klatschende Menge. Hammer Publikum hier. Runde 39 ist zu Ende. Geschafft, der Moment auf den ich seit 24 Stunden gewartet habe!

Ich fahre wieder raus aus dem Festzelt zum Fahrerlager, da macht es Knall, und meinen Hinterreifen verlässt schlagartig die Luft. Unglaublich, fast 640 Kilometer alles problemlos, und genau nach dem Zielstrich der Defekt. Besseres Timing geht nicht.

Ich fahre einfach weiter bis zum Auto, ignoriere den Platten, die Felge ist mir Schnuppe. Runter vom Rad. Das war’s. Ich lege mich auf den Boden, ich bin fertig. Das waren 100%. Nach drei, vier Runden dachte ich das war’s, richtig gelitten habe ich bis zur 23, Quälerei war es bis zur 38.

Ich wäre gerne nur die erste und die letzte Runde gefahren… Aber jetzt ist es wirklich vorbei.

Ich schaffe es dann zwar noch aufzustehen, aber als ich erst mal im Auto liege geht nichts mehr. Selbst alleine umziehen geht nicht, aber ich habe ja Hilfe dabei. Und jetzt heißt es eine Woche regenerieren und dann ist sind auch schon die 24 Stunden am Nürburgring dran.



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Samstag, 18. Juli 2015

24h Kelheim – vor dem Rennen

Die Anreise gestern war etwas stressig, so anderthalb zwei Stunden sind im Stau verloren gegangen. Der Weg hat sich aber jetzt schon gelohnt, denn Kelheim ist erstens ein schönes Städtchen und zweitens ist hier richtig was los, das könnte ein richtiges Fest werden.

Die Wechselzone, bzw. für Einzelfahrer die Rundennahme, liegt sehr clever innerhalb der „Festmeile“, so dass die Zuschauer auch wirklich was von den Fahrern haben. Für die Fahrer wird es sicher jedesmal wieder ein aufmunternder Moment wenn man durch den Trubel fährt.

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Als Installationsrunde bin ich die Strecke einmal abgefahren, die Steigungen sind, wenn man frisch ist gut zu machen und vor allem bekommt man die Höhenmeter dosiert wieder zurück, so dass man eigentlich recht viel auf leicht abschüssiger Straße fährt. Sehr angenehm. Der Straßenbelag ist sehr gut, was vor allem gegen Ende des Rennens ein Pluspunkt ist.

Was meine orthopädischen Probleme betrifft bin ich noch etwas skeptisch, aber auf eine Runde war es schon mal ok. Das Achten auf die geänderte Sitzposition wird sicher nur am Anfang funktionieren, wenn die Erschöpfung eintritt werde ich das sicher vernachlässigen. Mal schauen wie es läuft.

Katrin unterstützt mich und wird mich während des Rennens versorgen, so dass ich keine großen Versorgungspausen machen muss. Wenn die Beine funktionieren kann ich also versuchen rundenmäßig das Maximum herauszuholen. :) 35 bis 40 Runden sollten es schon werden wenn ich schmerzfrei fahren kann.



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Freitag, 17. Juli 2015

Kelheim 24 Stunden und Stimmungsupdate

Am Wochenende schaffe ich es hoffentlich endlich bei den 24 Stunden in Kelheim zu starten. Schon 2012 war ich angemeldet, konnte jedoch auf Grund eines heftigen Sturzes beim Peakbreak 2012 nicht starten. 2013 musst ich dann natürlich unbedingt nochmal am Peakbreak teilnehmen, diesmal überschnitt sich das Etappenrennen jedoch mit den 24h in Kelheim. 2014 war der Fokus natürlich auf dem RAAM. Dieses Jahr soll es nun endlich klappen.

Leider wird es aber auch dieses Jahr nicht ganz so wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte. In den letzten gut zwei Wochen konnte ich keinen einzigen Radkilometer zurücklegen, erst seit ein paar Tagen kann ich überhaupt aufrecht und schmerzfrei gehen. Grund scheint mir der Umstieg auf die Look Pedale zu sein.

Immerhin konnte ich rechtzeitig zum Bikefitting letzten Freitag einigermaßen rund treten. Es hat mich einige Überwindung gekostet auch hier mal etwas neues zu probieren. Nach einem allerersten Fitting im Radlabor vor ein paar Jahren in Freiburg war ich bis jetzt immer by cyclefit in Bensheim. Britta hat mir jedesmal eine sensationell gute Sitzposition gebaut! Unglaublich finde ich immer noch, wie sie das 2013 zur RAAM-Quali beim Schweizer Radmarathon hingekriegt hat. Auf den letzten Drücker (irgendwie neige ich dazu) habe ich sie kontaktiert, bin noch nie mit Auflieger gefahren, nach der Bikefitting Session gerade mal noch Zeit für ein, zwei lockere Trainingsfahrten, und dann ohne auch nur den Hauch von einem Problem 720 Kilometer durchgefahren. Auch die Sitzposition für’s RAAM 2014 habe ich mit Britta erarbeitet. Auch da etwas spät vor dem Rennen aber erfolgreich.

Um meine kleinen aber doch sehr störenden Problemchen in linkem Oberschenkel und rechter Wade nun endgültig in den Griff zu bekommen wollte ich diesmal ein ganzheitliches Konzept umsetzen und Sitzpositionsanalyse und Physiotherapie kombinieren. Da es sogar in meinem Wohnort einen renommierten Anbieter gibt, habe ich das dann am letzten Freitag bei der villa-aktiv umgesetzt. Das war sehr spannend und wir konnten Problem und Ursache identifizieren und vor allem auch Gegenmaßnahmen einleiten. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen wie erfolgreich diese wirken und ob ich es schaffe eingefahrene “behavioral flaws” wieder wegzutrainieren.

Für Kehlheim bin ich das natürlich eigentlich wieder mal etwas spät angegangen. Noch dazu der Wechsel des Pedalsystems und der zweiwöchige Trainingsausfall vor dem Rennen. Eigentlich sollte ich jetzt nicht 24 Stunden am Stück radfahren. Andererseits bin ich auch heiß darauf endlich mal wieder was etwas Längeres zu fahren.

Ursprünglich bin ich davon ausgegangen in Vorbereitung auf den Nürburgring nächstes Wochenende so zwischen 500 und 600 Kilometer zu fahren. Momentan kann ich aber nur abwarten was Wade, Oberschenkel und Knie so sagen und dann zu schauen wieviel Runden zusammenkommen. Eine Absage kam für mich nie in Frage, aber ich bin natürlich weit von 100% entfernt und werde versuchen einfach die Stimmung etwas zu genießen und mich mit den Look Pedalen einzufahren.



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Mittwoch, 1. Juli 2015

Bernina

Die über 8000 Höhenmeter in den letzten zwei Tagen haben mich etwas zweifeln lassen ob ich heute den Berninapass noch angehen soll. Immerhin muss ich danach noch sechs bis sieben Stunden mit dem Auto nach Hause fahren. Außerdem habe ich irgendein Problem im rechten Bein, gehen geht fast gar nicht. Aber meine „Pässegeilheit“ siegt dann doch über die kumulierte Erschöpfung und den möglichen Schmerz.

Nach dem Frühstück im Hotel und dem Checkout fahre ich mit dem Auto von Silvaplana durch St. Moritz bis zu meinem Startort Pontresina. Zum Beginn der Bernina-Nordauffahrt gibt es unterschiedliche Meinungen, man könnte auch von Samedan oder Schlarigna starten, aber obwohl es schon etwas bergauf geht erscheint mir Pontresina die logischere Wahl zu sein. Geser ist mit mir einer Meinung, und noch dazu gibt es eine gute Langzeitparkmöglichkeit.

Die brauche ich auch, denn selbst wenn ich auf der Nordseite schnell sein sollte, die Südseite ist mit über 33 Kilometern Länge und fast 1900 Höhenmetern eine echte Herausforderung. Da kommen zu einer Stunde Abfahrt möglicherweise nochmal zweieinhalb bis drei Stunden für die Auffahrt.

Die Wade macht nach wie vor Probleme beim Gehen, so eiere ich etwas zum Parkscheinautomat, aber ich will ja Radfahren und nicht zu Fuß laufen. Im Automat liegt dann tatsächlich schon ein bezahlter Parkschein bis 13:49 Uhr. Vielen Dank an den anonymen Spender, die 5 Franken werde ich in einen Cafe investieren und auf dich anstoßen.

Auf dem Rad ist dann mit dem Bein eigentlich alles ok. Aus dem Ort heraus biege ich gleich auf die Straße in Richtung Passhöhe. Die steigt auch sofort mit soliden 9% an.

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Zum Glück scheint die Form entgegen meiner Erwartung ganz gut zu sein, und so ist der erste steilere Abschnitt recht flott überwunden und die Straße flacht nun merklich ab. Es geht mit geringer Steigung, gefühlt flach, durch das Tal und zusammen mit dem schönen Wetter, bei noch angenehm kühlen Temperaturen unter 10° C, entfaltet sich ein echtes alpines Bergidyll.

Ein erster Blick auf vergletscherte Gipfel in der Ferne tut sich auf, dabei fährt man durch dieses herrliche, breite Tal. Das scheint eine echte Genussfahrt zu werden.

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Dann steigt die Straße aber wieder an und über eine kleine Kehrengruppe gewinnt man weiter an Höhe. An einem unproblematischen Bahnübergang kreuzt man die Schienen der räthischen Bahn. Weiter geht es mit Steigungen zwischen 7 und 9% bergauf, wobei man rechts jetzt einen recht spektakulären Blick auf den Morteratschgletscher hat.

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Die Straße bleibt steil, vielleicht wird sie doch schwerer zu fahren als gedacht? Ich überlege mir, dass ich vielleicht nur diese Seite fahre und es damit bewenden lasse auf der Passhöhe einen Cafe zu trinken. Heute will ich ja nur noch genießen und die sehr schwere Auffahrt von der anderen Seite wäre vielleicht doch zu viel.

Die Straße wird nun wieder flacher und parallel zu den Bahnschienen führt die Straße in Richtung Passhöhe. Kurze Zeit später fließt auch noch rechts das Wasser in Richtung Tal, die Strecke ist einfach traumhaft!

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Wieder kreuzen die Schienen die Straße, diesmal in etwas unschönerem, flachen Winkel, so dass man durchaus konzentriert darüber fahren sollte. Auch danach ist die Steigung noch sehr gering, so dass ich fast flach bis zu den Seilbahnstationen fahren kann.

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Jetzt gibt es einen leichten Gegenwind und die Steigung zieht etwas an. Vorbei an schneebedeckten Gipfeln, unterhalb der Straße die Wiesen und die Bahn, die Fahrbahn windet sich sanft nach oben, idyllischer geht es kaum.

So nehme ich die Höhenmeter auch kaum war. Erst als auch nach der nächsten und übernächsten Kurve die Steigung nicht nachlässt, melden die Beine Anstrengung ans Gehirn. Es sind nur noch wenige Kilometer, aber nun habe ich auch wieder das Gefühl einen Alpenpass hochzufahren. Das Passhospiz kommt endlich in Sicht, aber die Passhöhe liegt noch ein paar Höhenmeter darüber. Aber die letzten Meter gehen natürlich eher leicht, und so bin ich nach fast genau 45 Minuten oben angelangt.

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Eine herrliche Auffahrt. Ich fotografiere mein Rad am Passschild, ziehe die Jacke an und begebe mich in die Abfahrt. Dass ich es vielleicht bei der Nordauffahrt belassen wollte habe ich komplett vergessen. Es fällt mir erst auf, als ich schon die ersten Serpentinen und einen Fotostopp hinter mir habe.

Im Gegensatz zu einigen Beschreibungen im Netz oder in den entsprechenden Büchern ist die Südseite nämlich sehr schön. Allein der Blick hinunter auf den ersten Teil der Abfahrt ist schon traumhaft.

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Nach einem Serpentinenteil führt die Straße kurvenarm durch’s Tal um dann wieder in einen kurvigeren Abschnitt überzugehen. Genau an der ersten Kurve dann ein kurzer Schockmoment. Ein Motorradfahrer überholt zwei Autos und hat die Chance auf Gegenverkehr offensichtlich ignoriert oder meine Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Zwischen uns passen genau 5mm, dabei fahre ich schon ganz rechts. Es zischt mit 100 km/h an mir vorbei. Mein erster Gedanke ist, verdammt das war knapp, ein paar Zentimeter und ich wäre zerschellt wie eine Porzellanvase, mein zweiter Gedanke ist, dass ich ihn vom Motorrad ziehen und verprügeln möchte.

Aber es ist nix passiert und nach einer halben Minuten ärgern ist es vergessen. Ich genieße weiter die abfallende Straße mit angenehmer Kurvenführung und, bis auf eine knapp 2 Kilometer lange Baustelle, gutem Straßenbelag.

Ein bisschen habe ich schon im Hinterkopf, dass ich nachher hier auch wieder hoch muss, aber die Freude an der Abfahrt überwiegt.

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Jetzt kommt ein längerer sehr flacher Abschnitt. Ich bleibe kurz stehen und ziehe die Jacke aus, denn jetzt ist es doch schon recht warm. Auf dem Rad versuche ich dann wieder Tempo aufzunehmen, denn nach der Abfahrt muss ich ja noch ca. drei Stunden bergauf fahren.

Gefährlich dabei ist, dass die Bahnschienen, die Teils auf der Straße verlaufen, diese auch zweimal in gaaanz flachem Winkel schneiden. Man muss fast stehen bleiben und die Straße quer Kreuzen um in vernünftigem Winkel über die Schienen zu fahren. Wirklich saugefährlich. Weder bei quaeldich.de noch im Buch vom Geser ist das erwähnt. DAS wäre mal eine wichtige Info gewesen!

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Anyway, nach einem See geht es wieder ordentlich bergab. Durch mehrere Dörfer hindurch, vorbei an zwei Baustellen, über die Grenze hinein nach Italien und schließlich zum Kilometer Null der Passauffahrt am Kreisel in Tirano.

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Eine wirklich schöne Abfahrt. Jetzt mache ich erst mal Pause. Am Kreisel ist auch ein Piazza. Hier am Platz ist lebhaftes Treiben, und nette Cafes neben der Kirche laden zum Cappuccino sein. Es ist mittlerweile richtig heiß, über 30° C.

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Ich gönne mir ein Stück Apfeltarte und den besagten Cappuccino, außerdem kaufe ich mir noch einen halben Liter Wasser, alles zu italienisch günstigen Preisen. Mit dem Wasser fülle ich die eine Flasche, die ich überhaupt nur angerührt hatte auf, und stecke die Wasserflasche mit dem Rest noch ins Trikot. Denn jetzt geht es bei großer Hitze über dreißig Kilometer steil berghoch. Und das mit den beiden gestrigen harten Tagen in den Beinen.

Gleich aus dem Ort heraus steigt die Straße an, und schon am Ortsausgang erreicht sie so ca. 9%, was dann auch erst mal so bleibt. Als Ziel habe ich mir erst mal den Lago di Posciavo vorgenommen, denn ab dort wird es eine Weile sehr flach.

Es wirklich sehr heiß aber die Beine funktionieren gut. Erstaunlich gut. Ich kann momentan die Leistung besser abrufen als heute morgen. Ein bisschen hatte ich ja befürchtet, mir könnte es ergehen wie gestern am Malojapass. Aber es ist auch noch sehr lange bis zum Schlussanstieg und der hat es in sich.

Es geht durch einige Dörfer, vorbei an den Zollstationen der Italiener und der Schweizer, durch die erste Baustelle und auch über die ersten, kreuzenden Schienen. Die Autofahrer checken es nicht, dass ich hier die Schienen steil anfahren muss, ein Porsche 911 Cabrio fährt mich fast um. Man so schwer kann das doch nicht zu verstehen sein! Vielleicht sollte ich besser einfach drüber springen. Kann aber auch mal schief gehen, da gibt es ja einige schöne YouTube Videos ;)

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Anyway, obwohl sich der Anstieg etwas zieht, und der Verkehr sehr lebhaft ist, erreiche ich noch recht fit den See und kann etwas Tempo auf der nun recht flachen Straße aufnehmen. Vom Wind her ging’s bis jetzt eigentlich. Dafür ist es immer noch sehr warm. Das Thermometer fällt nicht so richtig weit unter die 30er Marke.

Zweimal muss ich die Schienen noch kreuzen, einmal recht unvermittelt, weil einfach die Straße und meine Spur aufhört und in den Bahndamm übergeht. Dann kann ich mich aber auf das Bergauffahren konzentrieren.

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Bis Poschiavo bleibt die Steigung sehr moderat, dann zieht sie an. Und zwar wieder auf Werte von ca. 9%. Mal eine Spur weniger, mal eine Spur mehr. Zum Glück führt die Strecke jetzt zum Teil durch Schatten und es gibt einen Hauch Gegenwind, der etwas kühlenden Effekt hat.

Die Beine sind noch gut, doch ich habe großen Respekt vor der Länge der Strecke bis zur Passhöhe und vor allem der recht konstanten Steigung die nun kaum nochmal nachgeben wird. Es geht über weite Strecken nur leicht kurvig voran, man kann schön vor sich hin kurbeln. Und vor sich hin kurbeln. Und vor sich hin kurbeln.

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Es gibt keine Ortschaften mehr, aber vereinzelt Häuser unterhalb der Straße tiefer im Tal. Und auch noch eines an der Straße. Ab dort führt die Straße dann in einen Serpentinenteil. Die Steigung bleibt um 9% mit leichten Spitzen nach oben.

Da man jetzt praktisch am Ende des Tals fährt hat man einen schönen Blick zurück. Dann fährt man aber weiter in den Wald hinein, und nur in den Kurven gibt es kurze Aussichten nach unten.

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Ich habe jetzt schon die Baustelle erreicht. Etwas mehr als 25 Kilometer Aufstieg liegen hinter mir. Dafür fühle ich mich immer noch gut. Vielleicht wird es doch eine brauchbare Zeit so eher bei gut 2,5 Stunden denn bei 3.

Die Baustelle habe ich jetzt hinter mir und die Straße wird wieder gerader mit nur leichten Kurven. Die Steigung gibt dabei aber weniger nach als ich mir gewünscht hätte. Aber die Beine funktionieren und die Temperatur liegt jetzt nur noch bei gut 24° C. Der Schlussanstieg lässt sich schon erahnen. Es wird aber nochmal etwas steiler. Soo einfach gibt der Bernina seine Passhöhe nicht her.

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Dann erreiche ich aber den Abzweig nach Livigno. Auf der Abfahrt hatte ich ein paar andere Rennradfahrer gesehen, und sogar zwei Fahrer mit Falträdern. Gerne versuche ich die dann nach der Pause in der Auffahrt wieder einzuholen, was natürlich nur funktioniert wenn sie nicht zu schnell sind. Bis jetzt habe ich aber keinen Radfahrer mehr gesehen, die waren wohl alle schon zu weit oben.

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Jetzt gilt es ein paar Serpentinen zu überwinden. Mittlerweile habe ich doch ganz ordentlich Gegenwind, allerdings ist er gar nicht so unangenehm, weil er Kühlung bringt. Ich kann zwar ahnen wo die Passhöhe ist, aber es sind noch einige Höhenmeter zu „fressen“. Immer wieder eröffnet sich nach einer Kurve die nächste Serpentinenfolge. Und dann die nächste. So weit kann die Passhöhe doch nicht mehr sein?

Nach einer weiteren Kurve sehe ich eine Rennradlerin, die ich mir als Motivationsziel nehme. Die ist auch rasch eingeholt.

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Nach der nächsten Kehre öffnet sich ein wunderbarer Blick auf die schneebedeckten Gipfel, die Passhöhe naht.

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Da taucht ein Faltradfahrer vor mir auf. Auch der ist relativ flott eingeholt. Wäre auch schlimm wenn nicht… Und dann noch zwei Kurven, und da ist die Passhöhe.

Ein toller Anstieg! Landschaftlich und auch vom Schwierigkeitsgrad. Mit 2:21 h habe ich mich noch ganz gut geschlagen und jetzt über 10500 Höhenmeter in drei Tagen gesammelt. Schade, dass man dafür keine Flugmeilen bekommt, das hätte sich gelohnt.

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Nach dem Passschildfoto, das der etwas humorlose Faltradfahrer macht, fahre ich direkt hinunter nach Pontresino. Die Abfahrt ist klasse, der Bernina ist einfach ein Traumpass auf beiden Seiten!

Glücklich und zufrieden nach 25 Minuten unten angekommen werfe ich mein Rad ins Auto, ziehe mich um und fahre dann mit dem Auto wieder hinauf zum Bernina Hospiz um da noch einen Salat zu essen und meine letzten Franken „draufzuhauen“. Was für ein spektakulärer Radtag. „So muss Radfahren!“



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