Freitag, 30. Oktober 2015

Saisonfazit 2015

Das Fazit für die Saison 2015 fällt sehr gemischt aus. Die Nachwirkungen des RAAM waren bis zum letzten Wettkampf zu spüren.

Die Zeit nach dem Race Across America könnte man am besten als Pendel beschreiben, dass nach dem Rennen angestoßen wurde, kräftig ausgeschlagen hat, und, bei immer kleiner werdender Amplitude, sehr lange brauchte um wieder zur Ruhe zu kommen.

So ist die Nach-RAAM-Saison geprägt von großen Schwankungen. In der Form, in der Stimmung, in der Leistung beim Wettkampf, im Training und, nicht zuletzt, im Spaß am Radfahren. Die erfolgreiche Teilnahme am Race Across America hat mir ein großes Stück Motivation genommen. Ohne es zu wissen scheint das RAAM für einen Gutteil meines inneren Antriebs für das Training und auch für das Herausholen der letzten Prozent Leistung im Wettkampf gewesen zu sein.

Ich kann nicht sagen, dass mir bewusst der Glocknerkönig, der Alpenbrevet oder die 24h in Kelheim als „unbedeutend“ erschienen, aber die positive Anspannung die es braucht um das letzte herauszuholen war einfach nicht so stark wie ich es gewohnt bin. Dadurch ist der Körper vielleicht auch nicht so stark und das Immunsystem nicht so leistungsfähig. Wissenschaftlich sind solche Zusammenhänge ja noch nicht geklärt, aber es gibt Vermutungen und Indizien. Auf jeden Fall interessant, das am eigenen Körper zu beobachten.

Trotzdem bin ich mit den erzielten Ergebnissen durchaus zufrieden. Die Tour de Kärnten war ein nettes Event wo ich nichts gerissen habe, aber endlich mal wieder Wettkampf gespürt habe. Das war wichtig um wieder auf’s Rad zu kommen. Wobei auch das Trainingslager in Zypern schon gut gelaufen ist und Spaß gemacht hat.

Rein von den Laborwerten war ich mindestens so Leistungsfähig wie in der RAAM-Saison 2014. Deshalb konnte ich auch beim Glocknerkönig die erste Startgruppe halten obwohl es mir nicht gut ging. An einem normalen Tag wäre die 1:30h drin gewesen, das gibt mir die Zuversicht es nochmal zu versuchen.

Das schönste Wochenende 2015 überhaupt war aber mein Aufenthalt in Graubünden, wo ich mit Julier-, Albula, Maloja-, Splügen- und Berninapass ein paar der schönsten Passstraßen überhaupt an einem Wochenende gefahren bin. Ein Traum.

Dass ich ab da praktisch das Training komplett eingestellt habe ist sicher auch eine Folge der Vorsaison gewesen. Zunächst Wadenprobleme, dann das von Krämpfen und Magenproblemen begleitete 24h Rennen in Kelheim, dass dank Katrins Unterstützung mit einem 6. Platz doch noch recht gut gelaufen ist, dann kurze Regeneration und das 24h Rennen am Nürburgring. Auch hier war die Platzierung ok, vor allem hatte ich keine körperlichen Probleme.

Danach hatte ich aber überhaupt keinen Bock mehr auf Training, nicht mal auf’s Radfahren. So bin ich ohne Erwartungen in den Alpenbrevet gegangen, dass es aber so ein Desaster wird hatte ich nicht erwartet. Immerhin habe ich tatsächlich noch gefinished. Der Alpentraum war dann wieder ok, durch das mangelnde Training konnte ich zwar keine Bäume ausreißen, aber immerhin einigermaßen durchfahren und irgendwo in der Mitte landen.

Ein wirklich schöner Abschluss war dann die Eroica. Ein tolles Event, mal was völlig anderes, auch völlig andere Leute. Und das Erfolgserlebnis gut mit der 42-23er Übersetzung durchgekommen zu sein. Das war erstaunlich befriedigend. Überhaupt hat mir diese Veranstaltung sehr viel Spaß gemacht und viel Motivation zurückgegeben, mal ganz abgesehen davon, dass ich mit netten Leuten unterwegs war.

Was mich etwas runtergezogen hatte war die Nichtteilnahme am Race Around Ireland. Ein Grund waren die hohen Kosten und der organisatorische Aufwand, ein anderer die Unsicherheit über Oberschenkel und Schulter, die ja noch immer in physiotherapeutischer Behandlung sind. Sozusagen aus Frust darüber habe ich mich überhaupt beim Alpenbrevet und beim Alpentraum angemeldet. Aber ein Ultracyclingevent dieser Größenordnung muss man vernünftig vorbereiten und man muss absolutes Vertrauen haben, dass man es finishen kann, sonst macht eine Teilnahme einfach keinen Sinn.

Ich habe diese Saison also gelernt, dass ich bei einem Event ab 24h unter die Top Ten fahren kann, dass ich auch wenn’s mir schlecht geht durchziehen und finishen kann ohne dass das größte Rennen der Welt als Motivationshilfe im Hintergrund stehen muss, und dass ich mein Spektrum im Bereich Radfahren immer noch erweitern kann wie in der Toskana bei der Eroica.

Außerdem habe ich erstmals seit 2009 eine Phase mit langer Trainingspause, geprägt von Motivationslosigkeit und Zweifeln überstehen müssen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich noch ein bisschen was in mir drin habe, so dass ich noch zwei Jahre Wettkämpfe bestreiten will und einige Events die ich gerne noch machen möchte fahren werde.

Die Details dazu gibt es in einem weiteren Post…



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Dienstag, 13. Oktober 2015

L’Eroica 2015 – das Rennen

Das an einem Wettkampftag mit einem langen Radmarathon frühes Aufstehen angesagt ist, ist ja nicht ungewöhnlich. L’Eroica ist aber ein ganz besonderes Event und ich kann überhaupt nicht abschätzen was da wirklich auf mich zukommt. So schließe ich mich den anderen 209km-Fahreren unserer Gruppe an und will um 5 Uhr starten.

So kommen ungefähr vier Stunden Schlaf zusammen bevor ich mich in ins Retro Wolltrikot zwänge und erst mal zum Cafe gegenüber gehe um italienisch zu frühstücken, ein Cappuccino und ein Brioche. Dabei kann ich schon die anderen Fahrer und vor allem Fahrräder beobachten die bereits zum Start rollen.

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Zum Glück liegt unser Appartement zentral in der Fußgängerzone von Gaiole, also auch quasi direkt am Start. Da es keine Zeitmessung gibt, sondern im „Randonneurstil“ gestempelt wird, gibt es keinen Massenstart sondern ein Zeitfenster in dem gestartet wird.

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Ich finde auch die anderen Jungs gleich, obwohl jetzt um fünf Uhr doch schon einige hundert am Start stehen. Man gibt seine Startkarte ab, bekommt den ersten Stempel auf die Karte, ein prüfender Blick des Offiziellen auf das Fahrrad, ob es auch den geforderten Kriterien entspricht, und dann darf man losfahren.

Ich starte den Garmin. Ich hatte erst überlegt ob ich den ins Trikot stecke, denn Retro ist ein moderner Radcomputer ja nun wirklich nicht, aber ich hab‘ ihn am Lenker gelassen. Auch bei den Schuhen setze ich auf modernes Material, die bei ebay bestellten Uraltradschuhe sind nicht gekommen und auf dem Markt habe ich keine passenden gefunden. Retroschuhe im L’Eroica Shop waren mir mit ca. 300,- EUR für einen Eintagesspaß einfach zu teuer. Auch die Hose ist eine moderne, wenn auch sehr abgenutzte, die Wollhosen die man kaufen kann hatten alle moderne Polster, also richtig retro mit Hirschleder ginge sowieso nicht.

Anyway, die theoretisch geforderte reflektierende Jacke lasse ich weg, was auch nicht moniert wird. Ich möchte diesen Radsporttag so erleben wie ich ihn 1980 erlebt hätte. Auch meine Übersetzung habe ich dementsprechend nicht entschärft. Ich fahre die klassische Bergübersetzung von 42-23. Klingt brutal, ist es auch. Selbst das neu aufgelegte Eroica-Rad von Bianchi ist ein „old bike for new legs“ wie der Bianchi Mann am Stand sagte. D.h. vorne 36 und hinten 29, also eine wirklich moderne Bergübersetzung.

Ich will es aber so erleben wie ich es 1980 erlebt hätte, also werde ich auch mit der brutalen Übersetzung fahren. Ich nehme mir vor auf den ersten 100 Kilometern nicht zu schieben, auch wenn es auf Schotter 15% berghoch gehen sollte. Ob ich das umsetzen kann wird sich zeigen. Ich habe wirklich gehörigen Respekt vor der Strecke.

Die Übersetzung birgt allerdings einen weiteren Nachteil. Um nämlich halbwegs damit zurechtzukommen und die Kadenz in vernünftigem Rahmen zu halten muss ich eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit fahren. So kann ich eigentlich nur die ersten Kilometer im Flachen noch mit den anderen aus der Gruppe mitfahren und muss dann, sobald es ein bisschen bergauf geht meinen eigenen Rhythmus fahren.

Um viertel nach fünf habe ich meinen Startstempel bekommen und die Temperatur liegt so um 15°, also recht angenehm. Es ist trocken und das Rad läuft super. Die Atmosphäre mit den kleinen Lichtkegeln in der Dunkelheit auf gutem Asphalt ist klasse.

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Meine oben beschriebene Mindestgeschwindigkeit liegt doch deutlich über dem was die übrigen Starter gerade fahren und so hangele ich mich von Gruppe zu Gruppe, auch weil mein Frontlicht eine reine Positionslampe ist und ich den Lichtkegel der anderen Fahrer brauche.
Ich fahre aber sehr gerne im Dunkeln, da man da einfach das Rad so schön spürt und ich viel sicherer fahre, gerade in Abfahrten. Allerdings geht es hier jetzt erst mal bergauf. Zwar noch sanft, aber da ich 42-23 fahre liegt mein Puls die ganze Zeit deutlich über 170, was für mich schon ziemlich in Richtung Maximalpuls geht. Oje, ob ich da überhaupt bis zur ersten Verpflegungsstation komme?

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Bei Brolio kommt dann auch schon der erste Schotterabschnitt. Den konnte ich auf der Ausfahrt vorgestern schon mal testen, ist nicht so steil, aber ich muss natürlich mein Tempo durchziehen, so dass ich mich schon mal etwas durchsetzen muss, wenn vor mir welche gemütlich nebeneinander fahren. Ich komme aber gut hoch.

Dann die erste Abfahrt auf Schotter. Zum Glück fahren wir ja auf Stahlrädern und Stahl hat wunderbar dämpfende Eigenschaften, die man den Carbonrahmen ja erst in den letzten drei Jahren wieder beigebracht hat. Mit so einem bocksteifen Alurad möchte ich hier wirklich nicht runterfahren.

Im Dunkeln ist es durchaus abenteuerlich, aber der nächste Asphaltabschnitt folgt bald. Obwohl ich auf der langen, also der anspruchsvollsten, Strecke fahre ist der sportliche Ehrgeiz der Teilnehmer eher begrenzt. Es bilden sich keine schnellen Gruppen, ich fahre immer noch mein „Mindesttempo“, den Puls im 170er Bereich, folglich fahre ich an immer mehr Fahrern vorbei und das Feld wird dünner und dünner obwohl sehr viele Fahrer vor uns gestartet sind.

Die Ausschilderung ist nicht gerade spektakulär, die permanenten L’Eroica Schilder werden manchmal durch rote Pfeile ergänzt, in der Dunkelheit sind die aber nicht sonderlich gut zu sehen. Und nachdem ich mittlerweile kaum noch Fahrer um mich herum habe und die Frontlichtfunzel nur fahles Licht auf den Asphalt strahlt verpasse ich prompt einen Abzweig.

Zum Glück merke ich es recht schnell, so dass kaum mehr als ein Extrakilometer anfällt. Dafür geht es dann auf der korrekten Strecke wieder über Schotterstraße. Sie lässt sich eigentlich gut fahren und ich bin jetzt etwas mutiger und habe nicht mehr soviel Angst um die Reifen. Denn Schlauchreifen wechseln wäre echt unschön, auch wenn ich es mir von Bernd gestern nochmal habe erklären lassen. Aber wenn man es noch nie gemacht hat…

Aber 1980 wäre ich mit Sicherheit mit Schlauchreifen gefahren. Zwei Ersatzreifen habe ich mir umgehängt, sieht dann zwar eher Fifties mäßig aus, aber sonst konnte ich die nirgends unterbringen, denn ich nutze natürlich nur 0,5 L Flaschen und brauche dementsprechend zwei, so dass auch der zweite Flaschenhalter als Aufbewahrungsalternative wegfällt.

Die Schotterstraße führt jetzt bergab und ich habe erstmals einen eher schnellen Fahrer vor mir, wir lassen es richtig laufen, und dann dreht die Rechtskurve doch deutlicher ein als gedacht und der vor mir fährt ins Gras, ich schaffe es gerade noch auf der Strecke zu bleiben, muss aber ordentlich kämpfen und lege einen leichten Powerslide hin. Puh, jetzt bin ich wach, aber wenn’s gut geht macht’s auch Spaß.

Der Straßenbelag wechselt wieder und auf Asphalt fahren wir nun auf Siena zu. Es fängt langsam an zu dämmern, und in Siena geht es dann sehr ordentlich bergauf. Der Streckenverlauf streift die Stadt nur, und kurz hinter Siena fährt man auf einem kleinen Hügelkamm mit schöner Aussicht. Die Sonne würde gerne aufgehen, aber der Himmel ist bewölkt, so dass nur ein gelblich rotes Glimmen zu sehen ist. Das schafft eine tolle Atmosphäre für unser heroisches Vorhaben.

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Dann kommt auch schon der nächste Schotterabschnitt. Die Beine gehen gut, die Steigungen lassen sich mit der Übersetzung alle noch gut bewältigen, allerdings schaltet meine Schaltung unter starker Last auf dem kleinsten Ritzel gerne mal eins zurück, so dass ich dann mit 42-21 fahren muss. Ächz, da muss ich was machen. Ich beschließe bis zur Verpflegungsstation zu fahren und dort nach der Schaltung zu schauen.

Die Verpflegung ist auch bald erreicht, so ca. 50 Kilometer sind jetzt absolviert. Na das ging doch besser als erwartet. An der Mechanikerstation ist es komplett leer, so dass ich kurz dort anhalte und bevor ich erklären kann was mein Problem ist, hat der Typ schon die Zugspannung korrigiert und alles ist wieder gut. Respekt, ich wusste nicht, dass man das SEHEN kann.

Die Labstation ist tatsächlich so wie beschrieben, nämlich mit Rotwein (Wasser gibt’s auch) und toskanischen Spezialitäten. Nix Iso und Powerriegel. Sehr geil, es gibt Marmeladenbrote. Da haue ich mir einige von rein, genauso wie die mit Haselnusscreme und die Weißbrote mit Olivenöl. Topverpflegung! Es gibt aber nix wo man abstempeln kann, die Kontrollstation ist wohl separat und kommt später.

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Weiter geht’s ein Stück auf Asphalt und dann kommt wieder Schotter. Sehr schöne Strecke, die führt dann auf ein Castell oder ein Wehrdorf zu und dann geht es richtig steil berghoch. Zum Glück bleibt der kleinste Gang jetzt drin. Ich muss aber brutal reintreten um den kleinen Anstieg hochzudrücken.

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Oben ist dann die Stempelstation. Kurzer Halt, ich schnappe mir noch ein Wasser und trinke die 0,5er Flasche auf Ex.

Weiter geht’s, bergab erst auf Schotter, aber ok, dann geht es auf frischem Asphalt weiter in Richtung Süden. Ich habe sogar drei Mitstreiter, aber es gibt keine Gruppe, sondern die hängen sich ein bisschen dran und lassen dann reißen.

Es folgt ein erneuter Schotterabschnitt, der teilweise etwas ruppiger ist. Wieder auf Asphalt kündigt ein 15% Schild an was uns erwartet. Puh, hoffentlich komme ich da hoch. Sieht aus als ob sich der Anstieg etwas ziehen würde. Ich wünsche mir gerade mein Cannondale SuperSix Evo mit Kompaktkurbel und riesigem 32er Ritzel hinten herbei. Der Anstieg ist dann auch heftig zu fahren, aber es geht, obwohl er schon etwas länger ist.

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Es gibt ja hier keine alpinen Anstieg, sondern die Landschaft ist sehr hügelig, die Anstiege sind bis jetzt von der Länge her immer noch machbar gewesen, ich hoffe, dass das so bleibt.

Die Straße flacht wieder ab, der Belag wechselt wieder auf Schotter, ist aber gut zu fahren. Im Feld häufen sich die Pannen. Praktisch alle paar hundert Meter oder zumindest alle paar Kilometer steht jemand am Straßenrand und flickt. Aber nicht nur Reifendefekte gibt es zu beklagen, sondern auch größere Probleme mit Schaltung oder Tretlager sind zu beobachten. Mehrmals sehe ich Fahrer am Straßenrand auf dem Tret- oder Innenlager rumhämmern. Das Material wird hier schon heftig beansprucht, ist außerdem ja mindestens dreißig Jahre alt und oft auch nicht so optimal in Schuss. Ich hatte bis jetzt Glück, außerdem ist das Rad ja komplett neu aufgebaut und gewartet.

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Dann aber erwischt es mich doch. Der Reifen hinten ist platt. Mist! Die Luft ging schleichend raus, ich pumpe ihn einfach wieder auf und fahre weiter, ich hoffe ich komme bis zur nächsten Verpflegungsstation, da könnte ich mir von den Mechanikern mit dem Schlauchreifen helfen lassen.

Es geht nun in einen heftigen Anstieg mit 15% auf Schotter. Die Beine gehen immer noch gut, ich habe einen schönen Rhythmus und komme selbst die steilen Anstiege auf losem Untergrund gut hoch (Wenn auch teils mit Trittfrequenzen im einstelligen Bereich). Doch leider hält die Luft im Hinterreifen nicht lange, es hilft nichts ich muss den Reifen wechseln.

Für einen Schlauchwechsel beim Faltreifen brauche ich so drei, vielleicht fünf Minuten. Aber jetzt gilt es den Schlauchreifen zu wechseln. Ich habe Glück, der Verkäufer meines FullPro hat die Reifen mit Band geklebt. So bekomme ich den Reifen mit etwas Gewalt ganz gut runter und das Band von der Felge. Dadurch habe ich auch eine gute Grundlage um das neue Band zu kleben, was problemlos geht. Das Ganze dauert schon einen Moment, aber jetzt muss ich ja nur noch den Reifen aufziehen. Ich wurstele den „Conti Sprinter Gatorskin“ von der Schulter, pumpe ihn leicht auf und versuche das Ding aufzuziehen.

Puh, der ist wohl für 24“ Felgen gedacht, geht ja gar nicht. Ich mache ihn nochmal ab, ziehe mit Gewalt und Gefühl, komme aber nur bis zu den letzten zwanzig Zentimetern und die gehen um’s Verrecken nicht drauf.

Verzweiflung steigt in mir auf. Nochmal versuche ich es mit Gewalt und/oder Technik. Ich versuche den Reifen mit den Montierhebeln aus dem Multitool draufzuhebeln, keine Chance. Ich fluche auf den verdammten Reifen und versuche es nochmal mit lautem Stöhnen und aller Kraft die ich habe. Keine Chance. Wütend werfe ich die Felge und den Reifen in den Schotter der „Strade Bianchi“. Ein lautes F…Y… hinterher.

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Da hält ein britischer Radfahrer an. „I will help you“, „I’ve done that too many times“ Der Typ ist nicht nur supernett, sondern auch gut 190cm groß und hat Hände wie Schraubstöcke. Er hat offensichtlich aber nicht nur Kraft sondern auch eine gute Technik, innerhalb von einer Minute hat er den Reifen auf der Felge. Cool. „You get it from here?“ „Yeah, sure, thank you“ „See you on the top“

Das war wirklich supernett, danke nochmal Andrew, leider habe ich dich nicht mehr gesehen im Verlaufe des Rennens oder hinterher, hätte dir gerne ein Bier ausgegeben.

Ich pumpe den Reifen auf so gut es geht, mehr als vier Bar kriege ich nicht rein. So muss ich den nächsten Streckenabschnitt eher verhalten fahren. Insgesamt verliere ich so knapp vierzig Minuten mit der Reifenpanne und nochmal etwas durch das langsame Fahren bis zur Verpflegungsstation, die Strecke bis dahin zieht sich nämlich noch. Und es gibt nicht nur sehr steile Anstiege auf Schotter zu meistern, sondern auch entsprechende Abfahrten.

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Auch auf Asphalt geht es dann nochmal ordentlich berghoch und bergrunter, leider kann ich es nicht laufen lassen bevor ich nicht richtig Druck auf dem Reifen habe. Aber dann ist endlich die zweite Verpflegung erreicht, gerade als es anfängt zu regnen. Es ist so elf Uhr.

Ich fahre zunächst an die Mechanikerstation, die jetzt gut besucht ist, und pumpe den Reifen auf 8 Bar auf. Er scheint gut zu sitzen, alles ok. Dann stelle ich mein Koga Miyata FullPro neben ein gleich lackiertes Koga Miyata Pro Racer und ein goldenes Gents Racer.

Jetzt heißt es erst mal die Speicher auffüllen mit Marmeladen- und Olivenölbroten. Außerdem fülle ich die Flaschen auf und esse etwas Käse und Schinken. Vom Rotwein lasse ich allerdings die Finger…

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Es regnet, aber zu lange will ich mich dort nicht unterstellen. Nachdem ich die leckeren Kohlenhydrate und Fette zu mir genommen habe geht es gleich weiter. Wolltrikots fühlen sich ja zum Glück nicht so nass an, so dass das mit dem Regen nichts macht, zumal er auch immer wieder aufhört oder zumindest schwächer wird.

Die Schotterabschnitte werden jetzt etwas schlammiger und die Straßen sind teils wirklich schlecht, mit Teer zwischendrin und sehr großen Schlaglöchern. Die Italiener sind schon schlau, nennen ihre schlechten Straßen und Feldwege einfach „Strade Bianchi“, was in deutschen Urlauberohren romantisch und sommerlich klingt und schon ist das ein Highlight statt ein Ärgernis…

Für meinen Geschmack könnten wir etwas mehr auf Asphalt fahren, ist schon sehr stark Fifties Feeling, so alte Heroen wie Gino Bartali und Fausto Coppi tauchen vor dem geistigen Auge auf. Ich bin ja eher 60er, 70er, 80er Jahre mäßig unterwegs, also so Merckx bis Hinault.

Anyway, die Beine gehen noch gut. Anfangs habe ich es ganz ordentlich im unteren Rücken gespürt, das ist jetzt aber komplett weg, körperlich geht es mir recht gut. Die Landschaft ist in diesem Abschnitt etwas grauer, bzw. brauner, weniger grün, was im Zusammenspiel mit dem Wetter eine interessant düstere Atmosphäre schafft.

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Der Regen nimmt zu, auch ist es jetzt wieder etwas kühler geworden, nachdem zwischenzeitlich die Temperatur in Richtung zwanzig Grad ging, liegt sie nun wieder eher bei 15° C. Nach einem Anstieg auf Asphalt wechselt die Straße wieder auf Schotter und jetzt zunehmend schlammigen Weg. Ist aber noch ganz brauchbar zu fahren, vor allem im Flachen unproblematisch.

So arbeite ich mich bis zu nächsten Verpflegung vor. Die kommt früher als gedacht, denn nach dem Platten hatte ich etwas den Rhythmus verloren, ihn dann gerade wiedergefunden, als schon das Hinweisschild zur Verpflegungsstation kommt.

Passt aber trotzdem gut, denn es fängt jetzt richtig an zu schütten. Ich warte den Platzregen bei Suppe, Kuchen und Marmeladenbroten ab. Ich bin etwas erschüttert, als da wirklich welche lange Regenhosen anziehen! Ist doch kein Radwandern hier, Fausto Coppi wird sich im Grabe umdrehen. Ich ziehe es durch und mache mich weiter im Wolltrikot. Nass ist eh schon alles. Ich vergesse allerdings an der Station meinen Stempel zu holen, habe die Kontrollstation auch gar nicht gesehen.

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Die Schotterstrecken werden jetzt durch den Regen teils doch recht übel. Vor allem kommen teils sehr sehr heftige Abfahrten auf Strecken die für den Cyclocrosser gerade noch gingen, selbst mit dem Mountainbike wäre der eine oder andere Streckenabschnitt eine anspruchsvolle Herausforderung. Zwei steile Abfahrten muss ich einfach laufen lassen, da es keine Chance zu bremsen gibt, was ich mit heftigen Schlägen im Rad und im Körper bezahle. Zwei weitere Abschnitte, die als Trialstrecken durchgehen, erfordern etwas anfeuern des Vordermanns der fast stehenbleibt, was ja im Schlamm gerade gar nichts nützt.

Zwei übermotivierte Sanitäter stellen ihr Fahrzeug mitten in eine enge Gefällstrecke, und machen es so noch viel schwieriger, vielleicht wollten sie auch einfach endlich Kundschaft…

Aber auch diese Passagen lassen sich meistern und die Anzeige auf dem Tacho geht mittlerweile auf die 150 Kilometermarke zu. Bis jetzt musste ich trotz der anspruchsvollen Strecke und meiner 70er Jahre Profiübersetzung noch nicht schieben, geil.

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Schließlich kann ich die Mountainbikestrecke sturzfrei hinter mir lassen und erreiche auf Asphalt Asciano. Hier sind ja auch viele 135er unterwegs und prompt treffe ich auch Fred und Sanna aus der Gruppe.

Das Fahrrad hat jetzt doch etwas gelitten, die Beanspruchung für das Material ist brutal. Natürlich ist es komplett eingesaut. Ich wasche die Flaschen ab, damit ich beim Trinken nicht immer soviel „Strade Bianchi“ mit runterschlucken muss.
So argen Hunger habe ich eigentlich gar nicht, aber einige Marmeladen-, Olivenöl- und Nusscremebrote gehen doch.

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Dann geht es weiter. Jetzt kommt wohl ein heftiger Abschnitt mit vielen steilen Schotterhügeln. Zunächst geht es aber auf Asphalt raus aus der Stadt. Die Schotterstrecke kommt aber schnell, und nachdem es anfangs noch machbar ansteigt, zieht die Steigung dann ganz schön an. Ich kämpfe mich auf der, teils feucht glitschigen, Schotterstraße nach oben, die 42-23 verlangt meinen Oberschenkeln alles ab. Nach jeder Kurve denkt man, man ist jetzt oben, doch es kommt nur die nächste Steigung, da klappt die Straße kurz vor Ende nochmal richtig nach oben. Ich kämpfe mit einer Trittfrequenz im einstelligen Bereich gegen den Hügel an, aber dann ist es vorbei, ich muss aus dem Pedal. Nach 151 Kilometer muss ich erstmals schieben. Zwar nur so 15 Meter, aber es gab keine Chance für mich im Sattel zu bleiben.

Weiter geht’s, so richtig Entspannung gibt es nicht und die Schotterstraßen gehen mir mittlerweile echt auf den Keks. Dann kommt auch schon der nächste Anstieg, und wieder wird es sehr sehr steil. Und wieder das gleiche, die Straße klappt kurz nach oben, Trittfrequenz zwei bis drei, dann rutsche ich aus dem Riemenpedal und es ist vorbei, nochmals muss ich zehn Meter schieben.

Wieder aufsteigen, und die letzten Meter der jetzt etwas flacheren Steigung fahren, etwas Entspannung, und dann komm der nächste Anstieg. Den schaffe ich aber wieder. Das Rad sieht ganz schön versaut aus, außerdem haben sich ein paar Speichen gelockert und die Schaltung quietscht.

Trotz meiner brutalen Übersetzung liege ich mit meinen Schiebeanteilen aber noch bei einer kleinen Minderheit. Die meisten schieben die kompletten Anstiege, die die hochfahren haben hinten 27er, 28er Ritzel und auch vorne kleinere Kettenblätter.

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Am nächsten Berg muss ich eine längere Passage schieben, bestimmt hundert Meter, aber ich befinde mich in guter Gesellschaft. Die Sonne schaut gerade mal wieder etwas durch. Der Schweiß läuft mir in die Augen und brennt. Die Mütze ist längst vollgesaugt von Regen und Schweiß und hat ihre Aufnahmekapazität überschritten. Einen Moment kann ich nicht weitergehen, weil ich nichts mehr sehe. Nach zwei Minuten geht es aber wieder, gut, dass mir das nicht auf dem Rad passiert ist.

Ich laufe an einer rassigen Italienerin vorbei, lange radfahrgestraffte Beine, lange schwarze Haare, ein bildhübsches Gesicht, aber einen platten Hinterreifen und zwar Schlauchreifen, offensichtlich ohne Ersatz. Eine Gruppe kleiner Italiener schwänzelt um sie herum, allerdings alle ohne Schlauchreifen.

Ich habe noch einen Schlauchreifen dabei. Neben meinem natürlichen Helferinstinkt, und dem Gefühl die Hilfe von Andrew weitergeben zu wollen spüre ich ganz stark die Chance für einen Tag der Held dieser jungen Radfahrgöttin zu werden. Ich muss es aber abwägen gegen die Gefahr, dass ich dann bei eigenem Platten auf den immerhin noch fünfzig zu fahrenden Kilometern liegen bleibe und es nicht ins Ziel schaffe. Und sorry ragazza, aber selbst nach so einer durchwachsenen Saison brodelt noch zu viel Gier nach Zielankunft in mir.

So biete ich ihr meinen Schlauchreifen nicht an und schiebe die letzten Meter nach oben, schwinge mich auf mein Rad und trete in die Pedale. Die restlichen Schotterstücke sind alle machbar und dann gibt es endlich wieder Asphalt. Mittlerweile quietscht die Schaltung erbärmlich und von den 32 Speichen in den Laufrädern sind vielleicht gerade noch fünf nicht locker. Ich mache mir etwas sorgen ob ich es überhaupt bis ins Ziel schaffe ohne das mir die eine oder andere Speiche reißt.

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Ich fahre in den Abfahrten einen Hauch vorsichtiger und beschließe mir an der nächsten Verpflegungsstation einen Speichenschlüssel zu besorgen und die Dinger etwas nachzuziehen.

Als ich in Castelnuovo B.GA ankomme ist recht viel los an der Station. Ich hole mir den Stempel und was zu essen, mache nochmal die frisch gefüllten Flaschen sauber und will dann zu den Mechanikern, aber da ist eine große Schlange. Kein Wunder bei so einer Materialschlacht. Ich beschließe weiter zu fahren und es mit den losen Speichen zu riskieren, es sind ja nur noch ca. 40 Kilometer.

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Auf Asphalt geht es weiter, das Wetter ist weiterhin wechselhaft. Wenn die Sonne kommt wird es im Wolltrikot sofort recht warm, so bin ich eigentlich ganz froh, dass es eher kühl ist, auch wenn es an den Labstationen natürlich schöner wäre dort bei strahlendem Sonnenschein etwas zu ruhen.

Die Räder eiern etwas und in den Abfahrten fühlt es sich etwas schwammig an, aber die Beine funktionieren weiterhin erstaunlich gut und treten die 42-23 an den Anstiegen tapfer durch. Allerdings zähle ich auch schon seit der 150 Kilometer Marke rückwärts und motiviere mich mit „noch 50“, „noch 40“ usw.

Der Asphaltabschnitt ist recht lange, was gut tut, aber dann kommen wieder Schotterstrecken, die jetzt gegen Ende des Rennens doch deutlich mehr in den Knochen ankommen als am Anfang. Auch meine Hände haben etwas Kraft gelassen, man muss die Bremse doch ganz schön kräftig packen. Mit der Bremswirkung kam ich aber bis jetzt, auch in den schwierigen Passagen, gut zurecht.

Nachdem eine Zeit lang recht viele Fahrer auf der Strecke waren lichtet es sich jetzt wieder. Liegt auch daran, dass ich immer noch mein „Mindesttempo“ fahre und sich überhaupt keine Gruppen bilden, zumindest nicht mit dem Zweck Windschatten zu fahren und Kraft zu sparen.

Der Schlussabschnitt zieht sich sehr, mittlerweile bin ich auch platt, ich würde jetzt so langsam gerne ankommen. Das Schöne ist, dass ich jetzt ziemlich sicher bin im Hellen anzukommen, denn im Dunkeln erschöpft noch irgendwelche unbekannten Schotterstraßen runterzujagen schien mir nicht so verlockend. Falls ich tatsächlich ankomme und die Laufräder durchhalten natürlich.

Die Steigungen sind jetzt nicht mehr so brutal, aber noch merklich. Manchmal schalte ich aber gar nicht in den kleinsten Gang, ich habe mich schon sehr an dieses Powern im dicken Gang gewöhnt. Ein Fahrer überholt mich und ich überhole ihn immer mal wieder, das gibt nochmal etwas Motivation und als mal wieder eine etwas längere Steigung kommt kann ich ihn hinter mir lassen. Am Ende des Anstiegs fahre ich an einem Schweizer vorbei, der aber wohl trotz entsprechendem Trikot doch Deutscher ist. Ich unterhalte mich kurz mit ihm und bringe meine Hoffnung zum Ausdruck dass es jetzt bald vorbei ist (KM 190), aber er meint, die Kilometerangabe würde sowieso nicht stimmen, sein GPS sagt die Strecke sei knapp 220 Kilometer lang. Danke für die Aufmunterung, Blödsinn, was interessiert mich sein GPS.

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Dann kommt das Schild „Gaiole in Chianti“, cool bald ist es vorbei, noch schön den Berg runterrollen und es ist geschafft. Aber hatte Bernd nicht noch was von unangenehmer Abfahrt im Dunkeln auf Schotter erzählt. Dann müsste ja nochmal ein Umweg über Schotterstraßen kommen. Es folgt der Anstieg nach Radda. Ächz, so langsam gehen mir die Körner aus. Die Übersetzung fordert ihren Tribut.

Der Anstieg zieht sich elend, immer wieder denke ich das war’s jetzt, dann geht es nach der nächsten Kurve wieder berghoch, und wieder und nochmal. Dann aber ist Radda endlich erreicht, jetzt kommt das ersehnte Rollen ins Ziel. Falsch, nochmal biegen wir anders ab als es die einfache Autoroute vorgeben würde. Es geht schon wieder berghoch, ich muss fluchen. Auf in den Wiegetritt und hochgekämpft, Abzweig, Schotterstraße, ächz, ich bin platt. Dann aber zur Belohnung nochmal ein Bilderbuchtoskanapanorama bei tiefstehender Sonne. Hammer!

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Auf Schotter geht es nun bergab in Richtung Gaiole. Die Laufräder sollten doch jetzt die paar hundert Meter auch noch aushalten. Jetzt nur nicht stürzen. Als wir wieder Asphalt erreichen gibt es keine Schilder mehr, ich finde es etwas verwirrend, muss zweimal die Leute am Straßenrand fragen.

Steil führt die Straße in den Ort hinunter, und dann die letzten Meter. Vor mir eine größere Gruppe die ins Ziel trudelt, ich ziehe durch, ich will jetzt auch unter der zwölf Stunden Marke bleiben. Und dann ist es endlich geschafft. Sehr geil. Ich habe die lange Strecke der Eroica mit 42-23er Übersetzung gemeistert. Zur Belohnung gibt es ein Blechschild, eine Tasse und ein Finisherfoto.

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Es fühlt sich wirklich gut an. Ein Gefühl der Zufriedenheit stellt sich ein, nicht nur über die geschaffte Distanz, nicht nur, dass ich nun auch die Eroica als Event in mein Palmarès schreiben kann, sondern auch darüber, dass ich diese gesamte, durchaus schwierige NachRAAM-Saison sturzfrei und letztlich auch sehr befriedigend zu Ende gebracht habe.

Jetzt will ich nur noch unter die Dusche und den ganzen Dreck abwaschen, aber erst muss ich zwei Cappuccini und zwei Brioche reinhauen sonst kippe ich hier um. Dabei kann ich zärtlich auf mein verschlammtes Koga Miyata FullPro schauen. Es hat durchgehalten. Auch die Laufräder. Ein sehr geiles Rad, die Schaltung hat perfekt und butterweich funktioniert, der Rahmen ist ein Traum, ich sitze darauf sehr gut, vielleicht sollte es nicht unsere letzte gemeinsame Unternehmung sein…

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Mittwoch, 30. September 2015

Eroica 2015 – vor dem Rennen

Eigentlich bin ich kein rückwärts gewandter Mensch. Retro ist nicht mein Ding, ich suche lieber die optimal mögliche Lösung für eine Aufgabe mit dem was gerade aktuell an Material zur Verfügung steht.

So gesehen bin ich ein echter „Materialfahrer“, die emotionale Bindung zum Equipment ist gering und das Fahrrad nur mittel zum Zweck.

Nun habe ich aber, eher aus Versehen, ein 1980er Koga Miyata FullPro bei ebay geschossen.

Das schöne am Radsport ist ja, dass man sich alle Träume erfüllen kann, denn im Gegensatz zum Auto kann sich fast jeder sein Traumrad leisten egal ob aktuell oder Oldtimer. Auch das FullPro war bezahlbar und wenn ich es nun schon mal habe, dann will natürlich auch was sinnvolles damit machen.

Da es sich um ein Profirennrad handelt ist es nur logisch wenn man es auch so einsetzt. Die Eroica in der Toscana bietet sich dafür an.

Seit das Event in den Neunzigern erstmals ausgetragen wurde, hat es sich zu dem Retro Radsport Event schlechthin entwickelt.

Meine persönliche Idee hinter der Teilnahme ist es den Radsport so zu erleben wie er in den Endsiebzigern, anfang Achtziger für mich gewesen wäre. D.h. Kleidung und Equipment, Übersetzung und Fahrstil so wie ich es damals wahrscheinlich gemacht hätte.

Das man durch die Streckenführung und die „Strade Bianchi“, die Schotterabschnitte, auch etwas vom frühen Radsport der 30er bis 50er Jahre mitbekommt nehme ich als Nebeneffekt in Kauf…

Gemeldet habe ich für die lange Strecke, 209 Kilometer mit ca. 3200 Höhenmetern. Dass FullPro hat eine kleinste Übersetzung von 42 – 23. Klingt brutal, aber war damals durchaus eine Bergübersetzung. Für mich ist das wirklich heftig, ich schätze auch damals schon hätte ich einen Weg gefunden eine kleinere Übersetzung zu fahren, (39 vorne geht auf jeden Fall und hinten 27 wäre wohl auch noch in der Epoche gegangen), aber ich werde mal schauen wie weit ich mit der 42-23 komme, ggf. muss ich einige sehr steile Hügel schieben.

Ich fahre auch Schlauchreifen, weil ich die damals in einem Rennen mit Sicherheit auch gefahren wäre. Auch wenn ich nicht den geringsten Vorteil an Schlauchreifen erkennen kann und sie für mich unterwegs nicht zu flicken sind. Was natürlich das Risiko birgt, dass man auf der Strecke irgendwo strandet.

Die Bremsen haben damals nichts getaugt und tun es heute natürlich auch noch nicht. Kein Vergleich mit modernen Rennradbremsen. Entsprechend vorausschauend muss man halt fahren. Ich bin gespannt wie die Schotterabschnitte mit dem 80er Jahre Rennrad zu fahren sind, vor allem dann auch in den Abfahrten.

Retroklamotten kann man bekommen, auch wenn die Auswahl nicht so riesig ist. Beim Trikot geht’s noch, Handschuhe gab’s auch aber eher teuer, Mütze kein Problem, aber Hose und Schuhe, da ist es schwer was zu bekommen. Ich werde mit einer modernen Hose fahren, optisch kann ich da keinen großen Unterschied erkennen, das moderne Polster ist dann halt ein Kompromiss. Bei den Schuhen muss ich einfach schauen ob ich in Gaiole auf dem Markt noch was bekomme, denn dort soll es einen großen Teile- und Retroklamottenmarkt geben. Mal schauen, das wird bestimmt ganz interessant.

Hier noch ein paar Bilder von meiner Eroica Ausstattung:

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Dienstag, 22. September 2015

RAAM 2016

Wie schon in einigen Blogposts erwähnt habe ich mich nun endgültig entschlossen 2016 nicht beim Race Across America zu starten.

Die Entscheidung war ehrlich gesagt ein schwieriger Prozess, da ich das Gefühl hatte, dass ich 2014 durch das Knieproblem nicht mal ansatzweise meine wahre Leistungsfähigkeit habe abrufen können.

Vielleicht war das so, aber letztlich haben wir gefinished und mittlerweile kann ich das als großen Erfolg für mich akzeptieren. Dabei haben mir seltsamerweise die zwei sehr unterschiedlich verlaufenen Radmarathons beim Alpenbrevet und beim Alpentraum geholfen.

In der Schweiz ging es mir so schlecht, dass ich letztlich alles in Frage gestellt habe und schon das Gefühl hatte, jetzt hat endgültig der Leistungsverlust durch das Alter den Leistungsgewinn durch das zunehmende Trainingsalter weit überholt.

Beim Alpentraum dann, obwohl ich da jetzt keine Bäume ausgerissen habe, habe ich irgendwie im Verlauf des Rennens meinen Frieden mit allem gemacht. Vielleicht weil es das letzte Rennen der Saison war (aber noch nicht das letzte Event, dazu später mehr;), vielleicht weil ich soviel Zeit zum Denken hatte, schließlich war ich ja zwölf Stunden unterwegs, vielleicht auch weil ich das ganze Wochenende ohne jede Ambition, nur alleine mit mir verbracht habe.

Ich halte eine RAAM  Teilnahme 2017 für möglich, aber wenn es nicht passiert ist das auch ok.

2016 wird aber für Deutschland auf jeden Fall ein spannendes RAAM Jahr. Mit Stefan Schlegel und Julian Eisenbeis haben schon zwei vielversprechende Solomänner gemeldet.

Stefan hat schon zweimal bewiesen, dass er alles mitbringt für das Rennen und die organisatorischen Fähigkeiten genauso hat, wie die Rennhärte und Finishermentalität die es braucht um das Race Across America zu überstehen. Durch seinen Sturz letztes Jahr hat er, vor allem in den USA, an Popularität gewonnen, ich wünsche ihm, dass er dieses Jahr das Ziel sturzfrei erreicht und richtig angreifen kann. Ein Podium ist möglich, der „deutsche Rekord“ (gehalten von Hubert Schwarz) sowieso.

Julian scheint auf dem Rad alles mitzubringen was es braucht. Außerdem ist er noch jung, ich tippe mal der kann richtig überraschen.

Außerdem hat endlich mal eine deutsche Frau für das RAAM solo gemeldet. Das Juliana Buhring für dieses Rennen prädestiniert ist ergibt sich offensichtlich aus ihren bisherigen Rennen. Sehr cool, für mich ist sie schon jetzt die Favoritin bei den Frauen.



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Donnerstag, 17. September 2015

Endura Alpentraum 2015 – Das Rennen

Nun stehe ich also am Start des Endura-Alpentraums. So gut 500 Teilnehmer haben sich für die lange Strecke von Sonthofen im Allgäu über 252 Kilometer und gut 6000 Höhenmeter nach Sulden in Südtirol entschieden.

Wieder war frühes aufstehen angesagt, denn der Start ist um 6:30 Uhr und vorher muss man noch auschecken, das Auto am Startgelände unterbringen und frühstücken. Leider war der Allgäustern nicht so richtig dem Rennen zugeneigt. An der Rezeption wurde man mit einem Zettel begrüßt, dass man doch gefälligst sein Rad im Park Ferme des Rennens unterbringen solle und nicht auf dem Zimmer. Außerdem gab es kein frühes Frühstück, sondern ein, für’s Rennen nutzloses, Lunchpaket. Das habe ich noch bei keinem Rennen erlebt, dass die Hotels im Ort nicht, zumindest ein einfaches Frühstück für die Radler anbieten. Schwache Leistung vom Allgäustern.

Anyway, mit etwas knapper KH-Versorgung und ohne Frühstückstee stehe ich ungefähr in der Mitte der Startaufstellung. Die Temperatur ist sehr angenehm bei 10°, die Wettervorhersage scheint sich zu bewahrheiten und ich fahre kurz/kurz. Der Moderator plaudert mit angenehmer Stimme. Er macht das wirklich gut, kein dummes Gelaber, vielen Dank :) Außerdem ist die Musik unaufdringlich, ebenfalls sehr angenehm. Zum Startcountdown gibt es dann AC/DC.

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Die ersten flachen Kilometer aus Sonthofen raus fahren wir quasi neutralisiert, dicht im Feld hinter dem Führungsfahrzeug der Rennleitung. Zweimal gibt es, durch den Ziehharmonikaeffekt recht heikle Momente. Beide Male ist gute Radkontrolle und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt. Ganz ohne Berührungen geht es nicht ab, aber alle bleiben auf dem Rad…

In Hindelang geht es endlich in den ersten Anstieg. Das Oberjoch führt uns hinauf ins Tannheimer Tal. Der Anstieg bleibt moderat. Ich lasse die Spitzengruppe natürlich ziehen und fahre mein eigenes Tempo. Dabei werde ich nicht oft überholt, ich denke mal ich befinde mich solide im Hauptfeld. Die Leistung liegt im oberen G2- bis EB-Bereich. Nach der Erfahrung vor zwei Wochen beim Alpenbrevet horche ich natürlich aufmerksam in meinen Körper hinein, aber alles ist normal. Ich merke zwar meinen großen Trainingsrückstand, aber ich fühle mich ok und habe mich auch damit arrangiert heute nur auf solides Ankommen zu fahren.

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Über einige Serpentinen schrauben wir uns nach oben und kommen nach ca. einer halben Stunde oben an. Schnell sammeln sich ein paar Fahrer zu einer kleinen Gruppe, die im Verlaufe der Fahrt auf diesem Hochplateau noch anwächst. Ich denke mal das ist jetzt das „Hauptfeld“.

Die Landschaft ist klasse, ich kann sie wirklich genießen, was ja in der Schweiz vor zwei Wochen praktisch gar nicht ging. Auch macht es einfach Spaß zum Sonnenaufgang bei gutem Wetter durch die Alpen zu radeln. Sehr geil.

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Ich kann mich gut in der Gruppe halten, viel Führungsarbeit muss ich nicht leisten, weil immer mal wieder welche nach vorne fahren. Sonderlich effektiv ist das nicht, die Gruppe könnte eigentlich deutlich schneller fahren, aber ist mir egal, ich schwimme so mit und hoffe, dass mein Knie hält.

Im ersten Anstieg habe ich es ganz schön im unteren Rücken gemerkt und das hat ausgestrahlt bis ins rechte Bein. Wäre mal eine Abwechslung zu den Schmerzen im linken Bein, aber keine die mir gefallen würde. Ich gehe einfach davon aus, dass sich das „rausfährt“. Jetzt im Flachen lässt das Ziehen im Bein auch nach.

Die Strecke durchs Tannheimer Tal zieht sich länger als ich gedacht habe, dann aber geht es über den Gaichtpass bergab. Bei weitem nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung dargestellt, eine ganz normale Abfahrt in den Alpen halt.

Ich verliere bergab allerdings etwas, weil die Vorderradbremse, wie auch schon in der Schweiz, ab 50 km/h heftig stottert, so dass ich die Kurven deutlich früher anbremsen muss. Etwas nervig, aber der Zeitverlust hält sich in Grenzen. Dabei hatte ich nochmal alles geprüft und nichts gefunden, Bremsbeläge ok und sauber, Felge schien auch ok. Schön wäre es gewesen, wenn ich nicht auch dieses Rennen ohne mein Mavic Ksyrium Vorderrad hätte fahren müssen, dass nach vier Renneinsätzen hinüber war und nun seit über zwei Wochen beim Service ist…

Auch am Ende der Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Auch diese fährt nicht sonderlich effektiv, aber mir reicht’s. Das ist der Vorteil wenn man nicht das Optimum als Ziel hat, man kann einfach mitfahren ohne sich viel Gedanken zu machen oder immer wieder wertvolle Körner für Führungsarbeit und Beschleunigung einzusetzen.

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Kurz hinter Elmen biegen wir dann links zum Hahntennjoch ab. Der Blick auf die recht lange Anfangsrampe ist beeindruckend. Die Labstation am Beginn der Rampe lasse ich aus, ich habe erst eine halbe Flasche Wasser getrunken und ein Gel gegessen. Ich bin vorsichtig mit der Nahrungsaufnahme, denn auf keinen Fall will ich wieder irgendwelche Probleme bekommen die mich schwächen. Ich hoffe aber, dass ich so trotz des mageren Frühstücks nicht in ein KH-Defizit fahre.

Es geht zunächst sehr gut am Berg. Ich bin in der Mitte einer Gruppe angekommen, von denen einige unten an der Verpflegungsstation gehalten haben, trotzdem überholt mich zunächst niemand und ich arbeite mich Fahrer um Fahrer langsam weiter nach vorne, bzw. nach oben.

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Die Leistung liegt im G2 Bereich, manchmal etwas darüber. Der Anstieg ist schon recht deftig, gerne um 11%. Das Schöne an dieser Auffahrt ist allerdings, dass es immer mal wieder flache Passagen gibt. So kann ich mich ganz gut erholen. Ich mache dann auch nicht wirklich Druck, sondern versuche wirklich etwas zu regenerieren. Noch bin ich etwas nervös wegen des linken Knies, aber das meldet sich nicht, alles ok.

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So komme ich gut durch bis Boden, einer kleinen Häuseransammlung. Ab dort zieht die Steigung wieder an. Und zwar recht ordentlich. Noch geht es ganz gut, aber ich muss gegen die zweistelligen Steigungsprozente kämpfen. Jetzt lässt die Steigung auch nicht mehr nach, sondern es gilt „durchziehen“. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lange die Auffahrt von dieser Seite eigentlich ist. Ich muss jetzt ganz schön kämpfen. Auf dem Garmin kann ich immer mal wieder 13% ablesen, wie gut, dass mir heute der Wiegetritt uneingeschränkt zur Verfügung steht.

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Als wir durch Pfafflar fahren bin ich mir nicht sicher, ob nicht schon bald die Passhöhe kommt oder ob es noch lange so weitergeht. Aber die Hoffnung beginnt in mir zu leuchten, soo weit kann es jetzt doch gar nicht mehr sein. Nochmal geht es steil eine recht gerade Rampe hoch, doch dann, nach einer Kurve, zeichnet sich schon die Passhöhe ab. Wie geil, ohne Knieprobleme, ohne Stehenbleiben bin ich hochgekommen. Selbst die Zeit dürfte mit ca. 55 Minuten noch völlig ok sein.

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Ich freue mich auf die Abfahrt. Da kann man es eigentlich ordentlich laufen lassen, allerdings ist der Straßenbelag nicht immer gerade perfekt. Außerdem verliere ich etwas Zeit durch das Bremsproblem, aber ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt, wenn es auch das Erste ist was ich nach dem Rennen beheben muss.

So ist Imst recht flott erreicht. Schon etwas oberhalb von Imst beginnt die neutralisierte Zone. Wegen des Verkehrs und Vorgaben der Polizei wird hier die Zeitnehmung ausgesetzt. Keine schlechte Regelung, so kann man sich das Vorbeiquetschen an Autos und Wohnmobilen sparen und einfach mitrollen. Allerdings ist der Verkehr überschaubar, nur einen besonders langsamen Autofahrer müssen wir überholen, sonst rollt es schön bis zum Kreisel an dem die Labstation aufgebaut ist.

An der Verpflegungsstation fülle ich meine Flaschen mit Wasser und Powerbar Iso auf. Außerdem schnappe ich mir ein Käsebrötchen. Dabei lasse ich mir etwas Zeit. Aber nicht zu lange, denn ich will ja auf der nun folgenden Fahrt durch das Inntal möglichst nicht alleine fahren.

Vom Kreisel geht es erst mal noch etwas bergauf, ein Anstieg der mir noch vertraut ist, da ich mal aus versehen hier irgendwo im Berg ein Hotel gebucht hatte…

Ich fahre an drei andere Fahrer ran, von hinten kommen auch noch ein paar, so kann ich in einer soliden Gruppe bis zum Beginn des Anstiegs zur Pillerhöhe fahren. Noch immer merke ich den unteren Rücken etwas und das rechte Bein, aber ich kann gut mitarbeiten.

Heute scheint es also deutlich besser zu laufen als vor zwei Wochen auf der Platinrunde des Alpenbrevets. Nur vor der Pillerhöhe habe ich großen Respekt. Die soll von dieser Seite wirklich steile Passagen enthalten, und das macht mir wegen des linken Knies und meines Leistungsdefizits doch etwas Sorgen.

Mein Respekt ist nicht unbegründet wie ich sofort nach dem Abzweig nach Fließ feststellen kann. Mittlerweile ist es deutlich wärmer geworden. Und jetzt wird es richtig steil. Recht unnachgiebig zieht die Straße in Richtung Pillerhöhe. Meine Leistung bricht nicht so dramatisch ein wie in der Schweiz, aber ich kämpfe jetzt schon um die 230 Watt und die Trittfrequenz sinkt ab.

So kurbele ich mich langsam nach oben, dabei überholen mich jetzt doch immer mehr andere Fahrer und Fahrerrinnen. Manche von denen sind erst in Landeck gestartet und fahren die „kurze“ Distanz, aber das macht keinen Unterschied. Ich muss heftig kämpfen. In mir steigt das Bedürfnis auf stehen zu bleiben. Dagegen muss ich wirklich ankämpfen, ich will mir das wirklich nicht angewöhnen, dass ich jetzt immer wenn’s ein bisserl schwerer wird stehen bleibe. Das wäre wirklich ein fatales Signal.

Ich kämpfe lange dagegen an. Aber der Anstieg ist lang und steil. Und meine Power lässt nach. Ich will nur die Labstation erreichen, dann darf ich Pause machen. Ich versuche auf dem Rad zu bleiben. Die Trittfrequenz sinkt. Und sinkt. 53, das ist keine Trittfrequenz, das ist nicht mal ein vernünftiger Ruhepuls! Der Kopf wehrt sich, aber die Beine geben nach. 49, 47, es ist nur noch Gurkerei. 45 und dann ist Schluss, ich muss vom Rad, ich kriege einfach die Kurbel nicht mehr rum.
Ich steige ab und trinke eine viertel Flasche Iso. Hier ist etwas Schatten, kurz verschnaufen. Ein Mädel fährt an mir vorbei und ruft „Komm Guido, auf geht’s“. Das weckt mich etwas auf und nach einem weiteren Schluck aus der Flasche setze ich mich wieder auf’s Rad. Ich finde es immer schön wenn die Vornamen der Teilnehmer auf den Startnummern aufgedruckt sind, so kann man jeden mit Namen ansprechen und ggf. auch mal aufmuntern (Übrigens, danke Steffi :)

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Das ich überhaupt angehalten habe ärgert mich zwar etwas, aber es hat mir gut getan, und ich kurbele ganz solide weiter. Natürlich ist auch dieser Anstieg viel länger als erhofft, aber ich kann meine Kräfte beisammenhalten und muss nicht mehr vom Rad. Ich kann sogar immer mal die herrliche Aussicht genießen. Naja, kurz jedenfalls.

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Es ist schon etwas Quälerei, und mental bin ich dieses Jahr einfach nicht so stark. Aber ich komme an der Labstation auf der Pillerhöhe an. Und sooo viel habe ich jetzt auch nicht verloren.

An der Verpflegungsstation fülle ich beide Flaschen mit dem Powerstar Iso auf, esse etwas Obst und vor allem Brot, Wurst und Käse. Riegel gibt es hier leider keine, so stecke ich mir ein paar Waffeln ins Trikot.

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Die Abfahrt beginnt zunächst moderat, es geht sogar nochmal bergauf, ich mache mir schon sorgen, ob es nochmal richtig steil berghoch geht, dann führt die Straße aber sehr schön am Hang über dem Inntal bergab. Auch diese Abfahrt ist eine normal Alpenabfahrt, also nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung angekündigt. Durch meine schlechte Vorderbremse ist für mich allerdings schon etwas mehr Vorsicht geboten. Zum Glück wird das Bremsverhalten mit der Zeit sogar etwas besser. Alles in allem hat mich das auf den Abfahrten bis jetzt aber sicher schon einige Minuten gekostet.

Auch nach dieser Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Zunächst nur so vier, fünf Fahrer, die Gruppe läuft auch ganz gut. Dann wird die Gruppe größer und uneffektiver. Wir sammeln immer mehr Fahrer und kleine Gruppen ein, mit jedem Fang scheint die gesamte Gruppe langsamer zu werden. Es arbeitet zwar in mir, aber ich halte mich zurück. Ich will nur unbedingt das Zeitlimit in Laatsch für den Aufstieg zum Umbailpass und Stilfser Joch schaffen. Ob ich dann wirklich drüber komme sei mal dahingestellt. Aber das ist mein Ziel.

So rolle ich in der Gruppe mit und akzeptiere das Gewusel. Nur als einer abreißen lässt ackere ich mich nach vorne und schließe mich dem vorderen Teil der Gruppe an, bzw. zieht sich dann alles wieder zusammen. Trotz der unruhigen Gruppe genieße ich zwischendurch die schöne Landschaft. Bis jetzt war die ganze Strecke traumhaft schön, das gute Wetter tut sein Übriges. Alpentraum ist also durchaus eine passende Bezeichnung für das Rennen.

Wir fahren immer auf der „Dorfstraße“, die die Bundesstraße immer mal wieder kreuzt und vor allem recht wellig ist. An den kleinen Hügeln muss ich öfters ordentlich kämpfen um dran zu bleiben. Dann entspannt sich das Ganze etwas und es geht überwiegend abwärts. So fahren wir eine ganze Weile durch das Tal. Mittlerweile ist die Gruppe sehr groß und sehr langsam. Vorne fahren zwei Radler die sich gemütlich unterhalten.

Irgendwann reicht’s mir dann aber. Als ein ziemlich grell pink-blau gekleideter Radfahrer nach vorne fährt um etwas Tempo reinzubringen schließe ich mich an, aber nach wenigen Metern fahren wir alleine, die Gruppe kommt nicht mit. Gibt’s doch nicht. Egal, wir fahren zu zweit, wobei mein Mitstreiter die meiste Führungsarbeit macht, er fährt wohl lieber vorne?! Anyway, vielen Dank für den Windschatten.

Den braucht man hier auch wirklich, denn schon seit dem Hahntennjoch haben wir praktisch immer Gegenwind. Mal stärker mal schwächer, aber auf jeden Fall nervig. Kurz vor dem Abzweig zum nächsten Anstieg holt uns aber die große Gruppe wieder ein. Ich überlege kurz ob ich mich ärgern soll weil ich etwas Körner verschwendet habe, aber vielleicht hätte die Gruppe auch nicht beschleunigt wenn wir nicht vorgefahren wären, so hatten doch letztlich alle was davon…

Den Anstieg in Richtung Nauders hatte ich anders in Erinnerung, ich bin bis jetzt immer nur über die Bundesstraße gefahren (im Rahmen einer geführten Tour, eigentlich ist der Reschenpass kein attraktiver Radlerpass, nicht steil genug und zu wenig Verkehr), so dass ich etwas die Orientierung verliere. Aber auch diese Seite steigt moderat an. Trotzdem fällt mir das Bergauffahren schwer.

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Wieder trete ich nur im G1 Bereich. Ich kann zwar verhindern, dass die Leistung unter 200 Watt absinkt, was ein deutlicher Unterschied zu der Katastrophe von vor zwei Wochen ist, aber richtig Power habe ich nicht. Mir ist auch warm, obwohl es gerade mal 17° C hat.

Mein Kopf schreit schon wieder absteigen. Oje, wenn’s an diesem Pässchen schon so weit ist, wird der Rest wirklich hart. Und die 15:30 Uhr Marke für Laatsch schwebt ja auch noch im Raum. Ich versuche mich zusammenzureißen, aber es fällt schwer. Eigentlich ist alles ok, ich fahre nicht mal im kleinsten Gang, trotzdem fällt es mir einfach schwer. Nach ein paar Kilometern bleibe ich stehen. Trinken, durchschnaufen, weiterfahren.

Jetzt geht es etwas besser. Es wird auch zunehmend kühler. Ich frage mich nur, wann die Serpentinen nach Nauders hoch kommen. Dann zeichnet sich die Passhöhe ab, aber wir sind ja noch nicht mal in Nauders. Es wird wieder schwerer. Irgendwie wünsche ich mir, dass Andrea und Jörg, die ja in Nauders fast so zu Hause sind wie im Westerwald, da oben stehen und mich anfeuern, das hat beim ersten Ötzi so gut getan, als sie da mit Maj-Britt am Timmelsjoch standen und nochmal die letzten Kräfte in mir frei gesetzt haben mit ihrer Unterstützung. Aber das wird natürlich nicht so sein.

Mittlerweile habe ich den höchsten Punkt erreicht, das ist die Norbertshöhe. Jetzt geht es nach kurzer Abfahrt erst mal durch Nauders. Es ist richtig kalt hier oben und windig. Herrlich, trotz kurz/kurz kann es mir gar nicht kalt genug sein, unter zehn Grad fühle ich mich erst halbwegs brauchbar. Meinem Wunsch wird entsprochen ;)

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Nach kurzer Fahrt durch den Ort ist die Verpflegungsstation erreicht. Ich lege mein Fahrrad an die Seite und futtere mich durch das Angebot, inkl. „Nudelsuppe Bolognese“. Außerdem fülle ich die Flaschen mit Iso auf. Das schmeckt heute richtig gut. Vier halbe Riegel stecke ich mir auch noch ein.

Weiter geht es auf einem Fahrradweg. So hundert Meter vor mir sind zwei, drei vereinzelte Fahrer, hinter mir kommt erst mal niemand. So fahre ich alleine gegen den jetzt recht heftigen Gegenwind.

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Ich hole die Fahrer vor mir zwar ein, aber keiner hängt sich dran, so fahre ich alleine weiter. Ich sehe von hinten auch nix kommen, so dass es keinen Sinn macht zu warten. Dann biegt der Fahrradweg auf die Bundesstraße ein. Die Polizei unterstützt uns und hält die Autofahrer an, so dass wir gefahrlos auf die Straße in Richtung Reschen einbiegen können. Jetzt habe ich die Orientierung wieder.

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Leider kommt immer noch keine Gruppe und vor mir ist auch nichts zu sehen. So fahre ich alleine am Reschensee entlang. Der Wind peitsch ordentlich von vorne, der See ist recht aufgewühlt und die Kitesurfer freuen sich. Ich finde es gerade nicht so lustig. Ich fahre etwas grummelnd vor mich hin, als dann endlich doch eine Gruppe von hinten kommt. Ich hatte auch nicht zu viel Gas gegeben, macht eh keinen Sinn.

So rollen wir am See entlang in Richtung Vinschgau. Die Beine haben sich ganz gut erholt, die Probleme im unteren Rücken und rechten Bein haben sich tatsächlich „ausgefahren“. Vor allem aber hatte ich noch keinerlei Knie- oder Oberschenkelbeschwerden im linken Bein. So hatte ich mir das gewünscht. Das Zeitlimit für den Aufstieg über den Umbrailpass sollte ich auch locker schaffen. Ich bin zwar jetzt eher am Ende des Hauptfeldes, aber noch über eine Stunde vor dem Timecut.

Ich überlege aber trotzdem ob ich nicht lieber die Umfahrung nehmen soll und eben nicht über das Stilfser Joch fahren soll. Ich fahre schon ziemlich schwach bergauf, und der Umbrail ist heftig. Mir ging es ja irgendwie hauptsächlich darum, dass Zeitlimit zu schaffen um mich entscheiden zu können.

Die Abfahrt ins Vinschgau ist geil. Diese riesige Talstufe fand ich schon bei meinem allerersten Besuch 2009 faszinierend. Außerdem ist es herrlich zu fahren mit sanften Kurven, so dass man die Bremsen kaum braucht und einfach ins Tal sausen kann.

Eine gute Stunde vor dem Zeitlimit ist Laatsch erreicht. Es gibt keine Streckenauswahl, es werden wohl nur die Fahrer umgeleitet die nach 15:30 Uhr dort ankommen. Also geht es in den langen Aufstieg in Richtung Stilfser Joch.

Denn schon nach kurzer Zeit steigt die Straße an, und man fährt, immer mit soliden Steigungsprozenten auf dem Radcomputer, den langen Weg durch das Münstair Tal in Richtung Santa Maria wo der Beginn des Umbrailpasses liegt.

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Hier ist es jetzt wieder ordentlich warm. Deutlich über 20° C. Aber nun komme ich besser damit zurecht. Die Beine funktionieren wieder ganz gut und ich kann die lange Steigung mit ca. 250 Watt bestreiten, was mir die Möglichkeit gibt zu dosieren und mit vernünftiger Trittfrequenz zu fahren. Ich fahre die meiste Zeit alleine, ein paar wenige Fahrer fahren weit verstreut auseinander. Das heißt ich bin wirklich ziemlich am Ende des Hauptfeldes, allerdings komme ich vorne denen näher und hinten die fallen zurück, auch ein Zeichen das es jetzt wieder besser geht.

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Nach einer Weile lässt die Steigung nach und es geht teils flach, teils moderat ansteigend durch einige Ortschaften. Da spricht ein anderer Fahrer mich an ob ich das mit dem steilberghoch.com Blog wäre. Offensichtlich liest er meine Bericht ab und zu. Cool, freut mich immer wenn den Leuten meine Berichte gefallen.

Kurz vor Santa Maria biegt die Strecke links in einen richtig steilen Feldweg. So richtig steil. Ich muss ganz schön ochsen, und komme gerade so hoch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir nicht die Standardstrecke durch das Dorf fahren.

Anyway, nach ein paar hundert Metern kommt die Verpflegungsstation. Nochmal fülle ich die Flaschen auf und esse noch ein bisschen was. Die Riegel hatte ich noch gar nicht angerührt, aber die kann ich sicher auf dem nun folgenden schweren Anstieg gebrauchen.

Zunächst geht es mal recht gerade eine steile Rampe hoch, bevor es über Serpentinen aus den Wiesen in den bewaldeten Abschnitt geht. Die Beine funktionieren. Zwar ist es sehr anstrengend, aber ich fühle mich ganz brauchbar. Ich habe auch genug Power um die Trittfrequenz in angenehmen Bereichen zu halten. Ich schätze mal der gesamte Anstieg bis auf die Passhöhe des Stilfser Joch dürfte so um 20 Kilometer liegen. Eigentlich ein normaler Alpenpass, aber für mich nach den letzten Wochen eine unvorstellbar lange Bergaufstrecke.

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Es folgt Serpentinengruppe auf Serpentinengruppe. Die Temperatur ist angenehm, aber die Steigung lässt selten nach und dann auch nur wenig. So wird es natürlich mit jedem Höhenmeter anstrengender. Die Kilometer vergehen überhaupt nicht. Ich schaue auf den Tacho, fahre und fahre und fahre, und schaue wieder auf den Tacho und da steht noch genau das Gleiche. Verdammt hat der Radcomputer das GPS-Signal verloren?

Nein, nach weiteren, gefühlt unendlich vielen Kurbelumdrehungen, springt die Anzeige endlich einen Kilometer weiter.

Die Temperatur sinkt. Es ist jetzt wirklich frisch. Die Beine jammern etwas, aber treten trotzdem weiter brav um 250 Watt. Ich denke vor mich hin und muss feststellen, dass es gut ist nicht abgesagt zu haben. Nach dem desaströsen Erlebnis beim Alpenbrevet tut es mir gut nochmal was „normales“ zu erleben. Normal im Sinne von „es ist sauanstrengend, weil es eben lang und steil ist, aber eben auch nur das und nicht mehr“. Aber eben auch nicht weniger, ich muss ganz schön kämpfen.

Die Straße führt aus dem Wald heraus, nachdem man eine Brücke überquert geht es recht lange eher gerade, aber genauso steil, berghoch.

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Das Stück Naturstraße, dass ich beim letzten Mal noch gefahren bin gibt es nicht mehr, jetzt ist alles geteert. Offenbar wurde der Pass insgesamt etwas ausgebaut, was sich auch in deutlich gesteigertem Verkehrsaufkommen bemerkbar macht. Immer mal wieder zerreißt ein kreischendes Motorrad die Stille. Ich glaube alle die sich gerade hier im Pass und den umliegenden Bergen befinden denken dasselbe darüber außer dem Motorradfahrer selbst. But anyway, ich genieße trotz der Anstrengung die geile Landschaft.

Auch wenn es schwerer und schwerer fällt. Denn die jetzt folgende Serpentinengruppe ist noch weit von der Passhöhe entfernt. Immer wieder hat man den Eindruck jetzt müsste man doch bald oben sein, nur um einzusehen, dass es noch etliche Höhenmeter, Serpentinen und Kilometer zu bewältigen gilt. Obwohl ich den Pass schon mal gefahren bin geht es mir so.

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Mittlerweile bin ich zehn Kilometer gefahren, also ungefährt die Hälfte? Oje, ich müsste ja nochmal so lange fahren bis ich oben bin…

Kurbeln, kurbeln, zum Glück aber kann ich das Gefühl absteigen zu wollen unterdrücken. Es ist jetzt wirklich sehr kalt und der Wind bläst wieder heftiger entgegen. Als ob die Steigung hier am Umbrailpass alleine nicht genug wäre. Mittlerweile bietet sich ein herrlicher Blick zurück ins Tal, aber bis oben ist es noch weit.

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Nochmal eine Serpentinengruppe und dann nochmal eine mehr als gedacht. Und dann geht es immer noch weiter, das gibt’s doch nicht, hört das verdammte Ding den überhaupt nicht auf?

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Aber schließlich zeichnet sich die Passhöhe ab. So ca. 13, 14 Kilometer sind es wohl bis hierher gewesen. Die Straße flacht ab, am Passschild vorbei geht es zur Verpflegungsstation. Der Blick auf die schneebedeckte Passhöhe des Stilfser Joch ist beeindruckend, so wie der Blick auf den Teil der Strecke der bis dorthin noch zu bewältigen ist.

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Ich fülle die Flaschen nochmal auf, ich habe immer noch die vier halben Riegel, dass dürfte wohl reichen bis Sulden. Allerdings soll der Schlussanstieg nochmal heftig sein. Ich finde, man hätte hier jetzt schön hinunter fahren können nach Bormio, als Belohnung für die ganze Anstrengung eine tolle Abfahrt ins Ziel. Aber es sollten wohl einfach mehr Höhenmeter als beim Ötzi sein, so haben wir noch einen Anstieg vor uns. Eigentlich noch zwei.

Es ist nur wenig über Null Grad hier hoben, der kalte Wind bläst heftig, so setze ich mich wieder auf’s Rad und fahre vorbei an den Schuppen die mir bei dem Hagel- und Schneesturm 2011 Unterschlupf geboten hatten.

Heute ist die Strecke schneefrei und trocken. Es hat etwas Gegenwind, aber je höher man kommt, desto mehr nimmt er ab. Interessant, ist mir aber nur recht. Der Schlussanstieg bis zur Stilfser Joch Passhöhe geht erstaunlich gut. Es sind nur drei Kilometer, da hatte ich mich zum Glück etwas verschätzt.

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Die letzten Meter zur Passhöhe fühlen sich gut an. Oben mache ich noch ein Foto und ziehe erstmals für heute die Weste zum Schutz vor Wind und Kälte an. Dann geht es in die lange Abfahrt durch die 48 Kehren der Stilfser Joch Nordseite hinunter nach Gomagoi.

Der Belag ist oben teils ziemlich vom Frost angegriffen, außerdem schlafen mir die Finger ein. Links kann ich bald kaum noch bremsen vor Kälte und Taubheit der Finger. Das rechte Knie schmerzt etwas so im Bereich Patellasehne. Links ist nach wie vor alles ok.

Die Abfahrt zieht sich sehr. Ich fahre ziemlich alleine, ich überhole zwei Fahrer und zwei Fahrer überholen mich, sonst heißt es einfach auf der Strecke bleiben. Durch die vielen Serpentinen muss man immer wieder antreten um Geschwindigkeit aufzunehmen. Das entspannt sich erst im unteren Teil.

Unten wird es auch etwas wärmer, aber ich bin an den Händen und am Kopf ganz schön kalt. Die Abfahrt zieht sich, aber als Gomagoi erreicht ist fühle ich mich eigentlich ganz wohl. Ich nehme den Abzweig nach Sulden, hineingewunken von freundlichen Helfern, die sicher schon ganz schön lange hier stehen.

Es geht erst mal ordentlich berghoch, dann aber flacht die Straße ab. Die letzte Verpflegungsstation fahre ich nicht mehr an, denn die Flaschen sind noch fast voll, immer noch habe ich die vier halben Powerbarriegel und sonst brauche ich nichts mehr. Im Augenwinkel nehme ich ein Schild war auf dem „noch 12“ draufsteht. Ich bin etwas unsicher ob die Strecke nun 252 oder 256 Kilometerlang ist. Wenn ich jetzt noch 12 Kilometer fahre komme ich auf 255. Hm, ich bin etwas verwirrt, außerdem sind es laut Garmin noch fast 900 Höhenmeter, ich hoffe einfach nur, dass das Teil die bisher gefahrenen Höhenmeter unterschätzt hat…

Ich halte nochmal kurz am Straßenrand an um die Weste auszuziehen, dann nehme ich den Schlussanstieg in Angriff.

Kurz geht es noch moderat aufwärts, dann zieht Steigung an. Wie angekündigt wird es wirklich nochmal steil, ich hoffe einfach, dass ich den Rest jetzt auch noch durchstehe.

Ich komme eigentlich relativ gut voran, kann sogar ein paar Fahrer einholen. Eine Radlerin schiebt ihr Rad, ich versuche ihr was aufmunterndes zuzurufen, aber sie reagiert nicht. Aber sie kommt sicherlich auf jeden Fall ins Ziel. Das ist es auch was ich mir erhoffe.

In einem kleinen Tunnel geht es recht steil bergauf, danach flacht die Straße aber immer mal wieder etwas ab. Und so geht es weiter, dass die Steigung immer mal zunimmt, teils so, dass man ordentlich kämpfen muss, dann aber wieder abflacht.

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Psychologisch ist es für mich immer am besten wenn man mir vorher erzählt, dass ein Anstieg unglaublich steil und böse ist und die Straßenführung dann aber gar nicht so schlimm ist. Genau das ist hier der Fall. Vor allem gegen Ende ist die Straße erstaunlich flach.

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Noch fürchte ich, dass irgendwas böses noch kommt, weil ich mir nicht sicher mit den noch zu fahrenden Kilometern bin, aber nach einem Abzweig fährt man schon auf Sulden zu, und ich weiß jetzt, dass das heute ein ganz ordentlicher Tag wird.

Ich überhole zwei Radler, die überholen mich wieder. Immer noch bin ich etwas misstrauisch ob noch was fieses kommt, aber dann steht da tatsächlich schon das 1000 Meter Schild. Wie geil. Es sind also 252 Kilometer.

Ich ziehe einen richtigen Schlussspurt an gebe nochmal alles was ich habe. Ich überhole die zwei wieder und rase durch Sulden, dann ein letzter Rechtsknick und das Ziel kommt in Sicht.

Fast hätte mich nochmal ein von rechts kommendes Auto abgeräumt, aber alles geht gut, und dann ist das Ziel erreicht! Über zwölf Stunden saß ich auf dem Rad, aber es war wirklich sehr geil. Die zwei Schwächemomente in der Auffahrt zur Pillerhöhe und am Anstieg zur Norbertshöhe sind vergessen. Und dunkel ist es auch noch nicht…

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