Zweiter Versuch für dieses Jahr ein
Rennen zu Ende zu fahren. Bei der Flandernrundfahrt hat es ja nicht
wirklich geklappt.
Diesmal ist der Aufwand drumherum
wesentlich geringer, d.h. ich kann zu Hause schlafen und habe nur 45
Minuten Anfahrt. Bei einem Start um 8:50 Uhr eigentlich alles recht
gemütlich.
Leider wird es mit dem Schlafen nicht
so wirklich was, in der Kneipe nebenan wird heftig in den Mai getanzt
und die Maitänzer schreien die ganze Nacht auf der Straße herum.
Ich komme beim zusammenzählen auf grob vier Stunden Schlaf.
Vielleicht bin ich deshalb morgens
etwas missmutig. Vielleicht liegt es auch an meinem Übergewicht.
Über 3 Kilo mehr als ich mir für diesen Zeitpunkt des Jahres
vorgenommen hatte. Ist jetzt erst mal so.
Ich hole Marko ab, der ebenfalls am
Rennen teilnimmt, und in Eschborn angekommen bauen wir die Laufräder
an die Fahrräder und ziehen uns am Auto um. Dann fahren wir die
zwei, drei Kilometer zum Start/Ziel Gelände.
Ich hatte vergessen mir noch Gels zu
kaufen und habe zwei Riegel einstecken, die sind aber während des
Wettkampfs blöd zu essen, schließlich ist das hier ein kurzes
Radrennen und kein langer Radmarathon. Eine Flasche ist mit Sponser
Long Energy gefüllt und eine mit Wasser. Wahrscheinlich sind zwei 1
Liter Flaschen zu viel, aber ich kann mich nicht mehr richtig
erinnern wie ich letztes Jahr mit meinen Getränken zurechtgekommen
bin. Schlimmstenfalls schleppe ich ein Kilo zuviel den Feldberg hoch.
Im Gegensatz zu mir hat mein Fahrrad
aber abgenommen. Ich fahre mit dem Cannondale SuperSix Evo, meiner
neuen Waffe für den Berg. Das Rad wiegt inkl. der Flaschen, dem
Radcomputer und der Satteltasche mit dem Flickzeug 9,4 Kg. Das ist
ein verdammt guter Wert.
Am Start angekommen sortieren wir uns
in den entsprechenden Startblock. Marko muss in 1D starten, da er
erstmals dabei ist, ich darf auf Grund der Zeit vom letzten Jahr in
Startblock 1A.
Letztes Jahr bin ich einen Schnitt
etwas über 33 km/h gefahren, diesmal habe ich mir 35 km/h zum Ziel
gesetzt. Ich hoffe nämlich, dass sich im ersten Startblock die
Gruppe einfach schneller bewegt, und ich gar nicht so viel mehr Power
einsetzen muss, wenn das „Nachvornebeamen“ entfällt, einfach nur
dranbleiben. Soweit die Theorie.
Und dann endlich der Startschuss. Viele
um mich herum fahren in langen Hosen oder mit Knielingen, die meisten
mit Jacke oder langem Trikot. Ich fahre kurz/kurz mit Armlingen,
Jacke habe ich keine dabei. Schon nach zehn Sekunden weiß ich, dass
meine Wahl richtig war. Es geht gleich in die Vollen. Wir geißeln
ordentlich los und mit einfach nur dranbleiben iss nich...
Zwar bewegen sich die Fahrer um mich
herum deutlich schneller als letztes Jahr im Block D, aber immer
wieder lässt einer abreißen und man muss höllisch aufpassen, dass
man dann überholt und die Lücke nach vorne wieder schließt um
nicht abgehängt zu werden.
Nach ein paar Kilometern beruhigt sich
das etwas, allerdings geht es jetzt durch Frankfurt und immer wieder
gibt es scharfe Kurven oder Fahrbahnverengungen wo man richtig
arbeiten muss um nicht abreißen zu lassen. Letztes Jahr hatte ich
einen kurzen, sehr genussvollen Moment alleine in den
Häuserschluchten der abgesperrten Stadt, diesmal geißeln wir in der
Gruppe durch Frankfurt und ich habe kaum Zeit auf irgendwas zu
achten. Nur die Durchfahrt an der Alten Oper nehme ich bewusst war,
sonst achte ich nur auf die Straße und die Räder um mich herum.
Das ist auch sinnvoll, denn Stürze
will man natürlich vermeiden. Zwei, drei heikle Situationen gibt es
mit verlorenen Trinkflaschen, aber alles geht gut.
Auf dem Weg nach Oberursel lassen ein
paar aus der größeren Gruppe in der ich fahre nach, ich fahre vorne
und versuche mich abzusetzen, bzw. an einen größeren Pulk so ca.
zwanzig, fünfundzwanzig Meter vor mir heranzukommen. Ein anderer
Fahrer überholt mich, wartet aber nicht auf mich, so dass wir
zusammenarbeiten könnten. Er fährt dann drei Fahrradlängen vor
mir, ich gebe alles um ranzukommen. Er guckt zwei, dreimal aber
wartet nicht. Mann, sei doch schlau.
Ist er aber nicht, so powern wir beide
sinnlos hintereinander um an den Pulk vor uns ranzukommen. Ich fahre
zwischen 400 und 500 Watt und fühle mich elend, das wird heute eine
Katastrophe.
Der Abstand zum Pulk verringert sich
nur zentimeterweise, genauso der Abstand zum vor mir Fahrenden. Er
lässt etwas nach, wartet aber trotzdem nicht auf mich. Ich versuche
nochmal zuzulegen, fühle mich schwach, obwohl die Wattzahlen auf dem
Radcomputer eine andere Sprache sprechen.
Von hinten kommt eine Fünfergruppe,
wir sammeln den vor mir Fahrenden ein und nähern uns dem Pulk. Immer
wieder habe ich das Gefühl wir kommen ran, aber das täuscht, es
sind nur Fahrer die hinten wegplatzen und dann auch von uns überholt
werden.
Schließlich hilft uns aber die
Routenführung und an zwei eng aufeinanderfolgenden Kurven kommen wir
ran. Von hinten kommen weitere Fahrer, vorne fallen weitere zurück,
so mischt sich das Feld neu, dann setzt sich der Pulk in dem ich
jetzt auch fahre wieder etwas ab vom Rest.
Mir scheint ich bin jetzt reicht weit
vorne, vor unserer Gruppe ist wahrscheinlich nur die Spitzengruppe
mit den Topfahrern. Genau weiß ich das aber nicht. Ich bin sehr
damit beschäftigt immer schön dranzubleiben. Führen muss ich jetzt
erst mal nicht mehr, ich muss mich auch etwas erholen, die ersten
Kilometer waren brutal.
Wir fahren an einer Zwischenzeitnahme
vorbei, der Sprecher sagt was von 34 zurückgelegten Kilometern. Da
stoßen wir von der Nebenstraße auf die Hauptstraße und ein
riesiges Feld rauscht an uns vorbei. Das darf doch nicht wahr sein!
Wir sind wohl einen kleinen Umweg gefahren und das ganze Geochse war
umsonst. Großer Frust macht sich kurz im Pulk breit, bis einer
anfeuert „Egal, weiter fahren!“.
Ab jetzt geht es sowieso nur noch
bergauf, erst mal sanft durch Oberursel, dann zieht es etwas an
hinauf zum Feldberg. Ich hadere noch etwas mit unserem Fauxpas, sehe
dann aber zu, dass ich ordentlich den Berg hochkurbele.
So richtig super fühle ich mich noch
nicht, aber passt schon, und gefühlsmäßig bewege ich mich etwas
schneller als die Hauptströmung.
Jetzt bietet sich die erste Gelegenheit
in einen Riegel zu beißen. Es bleibt aber bei einem Bissen. Das
Kauen ist so anstrengend, dass es nervt, also lasse ich es. Noch ist
es nicht so richtig steil, so dass wir in Gruppe fahren und den
Windschatten nutzen. Vor mir kurvt ein Mädel immer mal hin und her,
ich beneide sie um ihr Gewicht (vielleicht 48 kg). Sie fährt
ziemlich gut berghoch.
Aber als die berühmte Motorradkehre
erreicht ist kann ich mich von ihr absetzen. Ich habe jetzt ein
perfektes Hinterrad gefunden. Ich bleibe einfach nur dran und das
Tempo passt genau zu meinem Bergtempo. Der Typ fährt auf dem großen
Kettenblatt und dem größten Ritzel. Die Kette läuft ziemlich
schräg und am Umwerfer gibt es Schleifgeräusche. Das beschäftigt
mich etwas und lenkt von der Anstrengung ab.
Die Beine funktionieren allerdings gut.
Mittlerweile fühle ich mich nicht mehr so schlecht. Allerdings läuft
meine Brille immer mehr an. Ich hatte meine Helmmütze vergessen und
das eigentlich für den Hals vorgesehene Buff über den Kopf gezogen,
das rutscht jetzt immer mehr in die Stirn und behindert die Belüftung
der Brille.
Den Abzweig links hinauf zum Feldberg
sehe ich noch, dann wird es schlechter. Hier ist jetzt auch noch
Nebel und es wird recht kühl. Das Feld hat sich etwas gelichtet, ich
bin mit meiner Kletterleistung einigermaßen zufrieden, drei Kilo
weniger hätten allerdings noch etwas Geschwindigkeit gebracht.
Jetzt kommt der Parkplatz auf der
linken Seite, hier oben wollten irgendwo meine Eltern stehen und mich
anfeuern, allerdings sehe ich im Moment durch die angelaufene Brille
nix. Dann kommen die Parkplätze auf der rechten Seite und ich
erkenne die Umrisse des Autos. Ich grüße so ins neblige rein...
Mein Vater ruft „noch 400 Meter“, na die gehen auch noch.
Am Schluss zieht die Steigung nochmal
etwas an, aber die paar hundert Meter gehen noch gut. Dann geht es
direkt in die Abfahrt. Ich gehe es zunächst etwas verhalten an, den
erstens ist es stellenweise richtig neblig, und zweitens sehe ich
durch die angelaufene Brille nur Umrisse.
Dann lässt der Nebel nach und auch die
Brille gibt wieder mehr Sicht frei, der Fahrtwind trocknet die
Gläser. Die Abfahrt ist ok, ein paar Fahrer schließen von hinten
auf, auf ein paar laufe ich auf, so dass wir in einer lockeren Gruppe
fahren.
In den Kurven sorgt das für etwas
Adrenalin, da man ja nie weiß wie der Andere fährt, aber alles
läuft völlig unproblematisch. Ich habe auch keine Probleme mehr wie
beim Ötzi letztes Jahr, alle Sturzfolgen, auch die mentalen sind
überwunden.
Das Fahrrad läuft gut. Ich habe die
einfachen Ksyrium Laufräder drin, aber auch die laufen gut. Dann
geht es wieder berghoch und die Gruppe sortiert sich neu. Ich bin mal
gespannt wie ich durchhalte, im jetzigen Streckenabschnitt kann man
sich nicht in der Gruppe verstecken. Es geht entweder ordentlich
bergab oder bergauf.
Nach einer weiteren Abfahrt kommt dann
der steilste Abschnitt. Ich habe schon in den letzten Anstiegen
gemerkt, dass ich mit jedem Berghochabschnitt besser in Form komme.
Bei einigen Fahrern ist es umgekehrt, so dass sich die Gruppe immer
wieder neu sortiert und auch etwas kleiner wird.
Der folgende Abschnitt bis zum Schluss
ist dann prädestiniert um ordentlich Tempo in der Gruppe zu machen.
Aber irgendwie will nichts so recht laufen. Ich fahre immer wieder
vorne rein, es wird versucht zu Kreiseln, aber das klappt gar nicht.
Dreimal kommt nach mir keiner mehr nach, so dass ich dann plötzlich
auf der langsamen Seite im Wind bleibe. Auch die Versuche normale
Gruppen aufzumachen klappt nicht recht. Ich bin etwas genervt. Der
Pulk fährt definitiv zu langsam, ich kann aber auch nicht nur vorne
im Wind fahren, durch die Uneinigkeit verlieren wir echt Zeit.
Ein weiterer Fahrer schießt genervt
nach vorne, ich fahre ran und denke mir, dann fahren wir halt zu
zweit, aber die anderen Fahrer hängen sich dann doch hintendran.
Schließlich läuft es immerhin ein bisschen, aber doch recht
unruhig. Ich beteilige mich noch ein paar mal an der Führungsarbeit.
Merke dann aber, als es noch so gut zehn Kilometer bis ins Ziel sind,
dass es nix bringt und lasse mich in den Pulk zurückfallen. Dort
treffe ich Bernd einen Radfahrer den ich noch vom Trainingslager in
der Rhön letztes Jahr kenne. Wir unterhalten uns etwas. Mein
Radcomputer zeigt einen Schnitt von 34,8 km/h. Mist, ich werde mein
Ziel verfehlen. Aber machen kann ich jetzt nichts mehr, es geht
leicht bergab oder flach, selbst eine zu langsame Gruppe ist hier
schneller als ein Einzelfahrer der alles gibt. Also bleibe ich im
Feld.
So rollen wir durchs Ziel. Das war fast
zu easy, ich hätte noch etwas Power gehabt. Nach dem Zieleinlauf
verabschiede ich mich gerade von Bernd und schaue auf den
Radcomputer, da steht doch tatsächlich die 35 vor dem Komma. Ja! Ein
kurzes Glücksgefühl, die Beckerfaust, das Ziel doch erreicht.
Die Beine waren erstaunlich gut. Das
Schwächegefühl am Anfang war nur im Kopf. Das Cannondale geht um
die Kurven, einfach traumhaft, außerdem dämpft es besser als das
Roubaix SL3 (mit gleicher Sattelstütze), ist viel leichter und sieht
besser aus. Ich werde die Specializedräder bei ebay reinstellen...
Das Rennen hat tierisch Spaß gemacht.
Auch Marko hatte Spaß, auch wenn er sein Ziel wegen eines Plattfußes
knapp verfehlt hat. Aber Radrennen sind einfach geil. Vollgas von
Anfang bis Ende, ein Radmarathon würde nach 100 Kilometern erst
richtig losgehen, was mir wohl mehr liegt, aber es macht wirklich
viel Spaß und zufrieden bin ich mit meiner Leistung auch. Im Schnitt
konnte ich über 300 Watt treten, deutlich mehr als letztes Jahr.
Interessanter Artikel Guido.
AntwortenLöschenHerzlichen Glückwunsch zum 35er Schnitt. War auch da, aber nur 27,8km/h ;) Konnte mich in Deiner Erzählung trotzdem wieder finden ;)
Hallo Mariano, schön wieder von dir zu hören. Ja, Eschborn macht wirklich viel Spaß, egal in welchem Block man startet. Anfangs finde ich es immer ein bisschen erschreckend wenn tausende Radfahrer da am Start stehen, aber sobald man über die Startlinie fährt und einen das Rennfieber packt, ist es nur noch geil...
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