Auf dem Plan für heute stehen nur vier Stunden, allerdings mit etwas höherer Intensität. Da passt es ganz gut, dass es nun in die Rocky Mountains geht und die ersten Anstiege anstehen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt zwei Timestations zu schaffen und den Tag in Pagosa Springs zu beenden.
Die morgendliche Temperatur in Cortez, unserem Startort, liegt laut Yahoo Weather bei -9° C. Gefühlt ist es allerdings deutlich wärmer, was wohl an der geringen Luftfeuchte liegt. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Es fühlt sich wärmer an als vorgestern beim Start aus Kayenta.
Ich rolle die die 400 Meter bis zur TS in Cortez an der wir vorgestern geendet haben. Eine gute Gelegenheit zu testen ob es in kurzen Handschuhen und ohne Jacke geht. Es geht. Das Roadbook sagt sowieso erst mal nur Steigungen voraus.
Aus Cortez heraus ist der Anstieg erst mal kaum zu merken, sehr moderat steigend geht es auf breiter Straße, auf gutem Asphalt stadtauswärts. Der Horizont ist begrenzt durch die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains, der Himmel strahlend blau, die Sonne scheint, die Luft kalt aber trocken. Ziemlich geil!
Alle Mühe, die ich darauf verwendet habe meinen Körper an Hitze zu gewöhnen, all die intensiven Ergometereinheiten ohne Ventilator, immer etwas zu warm angezogen, dann die Fahrten in der Mojave Wüste, all das wird in diesen paar Tagen wohl wieder zunichte gemacht. Ich funktioniere einfach besser wenn es kälter ist. Wenn ich zu Hause bin muss ich also wieder viel investieren um mich wieder zurückzugewöhnen.
Die Beine funktionieren gut, und nachdem die Cortez City Limits verlassen sind kommt auch schon die erste Steigung. Allerdings bleibt immer alles im fairen Bereich, um 6%. Hier kann also selbst ein so schwerer Fahrer wie ich mit entsprechender Übersetzung noch im G1 Bereich hochfahren, was für das RAAM wichtig werden könnte.
Da auf dem Trainingsplan aber was von G2 und EB stand kann ich etwas flotter fahren, was auch deutlich mehr Spaß macht.
Die Strecke flacht dann wieder ab, um kurz darauf wieder etwas anzuziehen. Das Spiel kennen wir schon. Allerdings sind es keine Wellen, sondern zunächst immer längere Abschnitte die etwas flacher sind und dann wieder Abschnitte die etwas steiler sind.
So fliegen die Meilen ganz gut dahin, im Hintergrund immer die verschneite Gipfelkette, ansonsten keine Prärie mehr, sondern Bäume und Weideland.
Auch der höchste Punkt für heute, der Hesperus Hill, ein Skigebiet, ist bald erreicht. Mit 8418 feet (ca. 2565m) ist das ungefähr die Höhe der Edelweißspitze an der Großglockner Hochalpenstraße.
Allerdings fährt man hier nicht wie am Glockner steil berghoch, isst oben einen Kaiserschmarrn und geißelt dann wieder talwärts, sondern mit moderater Steigung auf breiten Highways geht es lange bergauf, dann hat fährt man in Wellen ohne großen Höhengewinn oder -verlust. Bis dann doch eine etwas längere, nicht zu steile, ebenfalls in Wellen sich bewegende Abfahrt kommt.
Bevor es in die etwas längere Schlussabfahrt nach Durango, der ersten TS für heute geht hat Marco mir noch die Jacke gegeben, so dass ich nicht auskühle. Noch immer liegt die Temperatur bei ca. 5°C, und auch wenn es sich nicht so kalt anfühlt, eine Erkältung muss ich ja nicht riskieren.
Die Timestation in Durango ist eine ganz besondere. Hier wird der erste Timecut beim RAAM wirksam. Wer diese nicht in 81 Stunden erreicht hat ist raus aus dem Rennen. Meine Nettofahrzeit bis hierhin liegt deutlich unter diesen 81 Stunden, allerdings bin ja in Etappen, ausgeschlafen und mit viel Zeit für leckere Steaks und Entspannung gefahren, beim RAAM wird das ganz anders aussehen. Wenn man nicht gut durch die Hitze in der Wüste kommt kann das schon durchaus knapp werden.
Anyway, heute geht es erst mal weiter in Richtung Pagosa Springs. In vier Stunden gesamt heute werde ich das nicht ganz schaffen, aber wenn es fünf werden ist das auch ok.
In Durango und aus der Stadt heraus herrscht ziemlich lebhafter Verkehr. Die Straßen bzw. der Seitenstreifen (Shoulder) sind eher nicht so toll, aber immer noch ganz gut fahrbar. Ich habe ja gestern die Reifen von 23mm auf 25mm gewechselt. Heute fahre ich sie mit 7 bar, das fühlt sich ganz gut an.
In Durango muss man mehrmals den Fluss überqueren bis es leicht steigend, immer der 160 in Richtung Osten folgend endlich aus dem Stadtgebiet herausgeht.
Der Straßenbelag wechselt jetzt häufiger, mal ist er schlechter mal besser, aber immer im grünen Bereich, alles gut zu fahren. Die Landschaft gefällt mir gut, die Luft ist gut, und wenn mal keine Autos fahren ist es erstaunlich ruhig.
Die Strecke wird welliger, wobei die „Wellen“ recht groß sind und die Steigungen und Gefälle oft um 4% liegen. Manchmal auch bei 6%, oder auch mal nur bei 2 bis 3%. Die Beine funktionieren gut, was sie ja nach einem Ruhetag auch tun sollten. Ich versuche alle Steigungen G2 oder darüber zu fahren.
Die Landschaft ändert sich subtil aber stetig. Das hat mir auf einigen Etappen zuvor etwas gefehlt. Jetzt wo mehr Grün zu sehen ist, verschiedene Bäume, Täler mit kleinen, flachen Gebirgsflüsschen, und wo wir immer weiter in die Rocky Montains hineinfahren habe ich fast das gleiche Gefühl wie auf Abschnitten meiner ersten Radreise in Schweden.
Die Autofahrer hier sind übrigens auch in Colorado (entgegen der Angaben im Roadbook) noch immer so rücksichtsvoll wie die Skandinavier. Das auf der Trainingsrunde zu Hause wäre ein Traum. Das kann übrigens nicht nur an der geringeren Einwohnerdichte liegen. Aber das ist ein anderes Thema…
Auch auf dem zweiten Abschnitt komme ich gut voran. Das Höhenprofil habe ich nicht mehr recht im Kopf, aber ich fahre immer noch etwas intensiver, auch in der vierten Stunde, mal sehen wie lange es reicht.
Die Landschaft sieht jetzt etwas so aus wie man sich vielleicht Kanada vorstellt. Nadelwälder, ab und zu eine Ranch, ein paar Pferde stehen da und Grasen, Schneereste hie und da, trotz der Berge ein Gefühl von Weite, dazu Sonne aber frisch.
Der Wind ist heute insgesamt nicht so stark, kommt auch immer mal von vorne, meist aber von der Seite und ab und zu auch ganz angenehm von hinten. Marco versorgt mich routiniert und auch an Tag 13 noch motiviert mit Ensure und Wasser, so dass ich mir um nichts Gedanken machen muss und die Landschaft in vollen Zügen genießen kann.
Manchmal versinke ich aber auch in Gedanken, hauptsächlich über das RAAM, ich versuche mir vorzustellen wie es sich anfühlen wird, mache mir strategische Gedanken, oder denke über organisatorischen Kram nach und das mir noch ein guter Physio fehlt für’s Team.
Es bieten sich aber auch immer wieder interessante Fotomotive, z.B. der Chimmney Rock, so ca. 18 Meilen vor dem Ziel Pagosa Springs.
Der Straßenbelag wechselt immer mal wieder, bleibt aber für amerikanische Verhältnisse gut bis sehr gut. Laut Höhenprofil sollte es zum Ende hin eigentlich ziemlich berghoch gehen, aber es fühlt sich gar nicht so an. Vielleicht steht der Wind gut, vielleicht kommen mir die moderaten Steigungsprozente entgegen, jedenfalls machen die Wellen Spaß und auch in der fünften Stunde kann ich berghoch noch etwas Gas geben.
Einige Kilometer vor der TS beschließe ich dann aber nur noch G1 zum Ziel zu rollen. Ich nehme noch einmal Ensure auf von Marco, als der mir sagt, dass so ca. drei Minuten vor mir ein anderer Rennradfahrer fährt. „den holst du noch!“. Soviel zu lockerem G1 rollen.
Natürlich mache ich mich daran ihn einzuholen, erstens macht es Spaß, zweitens ergibt sich vielleicht ein interessantes Gespräch. Ich kann den anderen Fahrer jetzt schon sehen, und komme ganz gut ran. Sowas gibt immer Motivation und die Beine machen den Rest dann von selbst.
Außerdem kann ich sehen, dass er etwas zu kämpfen hat. Es geht zwar nicht sehr steil, sondern nur so ca. 4% berghoch, aber jetzt herrscht doch etwas Gegenwind, und er lässt immer mal einen Tritt aus, steht auf ohne in den Wiegtritt zu gehen, den sollte ich bald einholen.
Kurz darauf ist es dann auch soweit. Wir unterhalten uns etwas, und wie alle Radfahrer die ich bis jetzt getroffen habe kennt er das RAAM und findet es cool. Er kommt aus Flagstaff und wir werden uns möglicherweise im Juni wiedersehen.
Ich verabschiede mich und ziehe weg, aber er hängt sich dran, so habe ich nochmal etwas Motivation um ein bisschen EB zu fahren und dann wirklich wegzuziehen. Wobei er gestern den Wolf Creek Pass gefahren ist und heute nur Regeneration macht. Der Wolf Creek Pass steht bei mir morgen auf dem Programm, ich bin wirklich sehr gespannt darauf und hoffe das Wetter passt so wie heute.
Für heute ist jetzt aber Schluss, denn die Timestation in Pagosa Springs ist erreicht. Eine passende Unterkunft ist auch schnell gefunden. Der Ort sieht zwar ganz ansprechend aus, hauptsächlich recht noble Holzhäuser schön im Wald und am Wasser angeordnet, aber ein Restaurant das uns gefällt finden wir auf die schnelle nicht und das Restaurant im Hotel hat schon zu, so dass wir unsere Einkäufe aus dem City Market im Hotelzimmer wegmampfen und uns mental schon auf morgen vorbereiten.
Mein Mindestziel für die Streckenbesichtigung war Durango, das haben wir heute erreicht. Wenn das Wetter es zulässt, dann möchte ich jetzt noch Trinidad erreichen um die drei großen Pässe zu fahren. Auch die Trainingsinhalte konnte ich bis jetzt ganz gut umsetzen. Alles in allem also ein sehr zufriedenstellender Tag.
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