Sonntag, 8. Juli 2012

Peakbreak 2012 - 2. Etappe

Der heutige Tag würde jedem Radmarathon gut zu Gesicht stehen. Drei ordentliche Anstiege, insgesamt 3800 Höhenmeter auf 178 Kilometer verteilt.

Wie gehabt geht es mit einem neutralisierten Start los, allerdings etwas später als geplant, denn aus einem Hotel sind neun Rennräder geklaut worden, was für einige das vorzeitige aus bedeutet. Die Menschheit ist schlecht. Wirklich schade, für diejenigen die es erwischt hat.

Wir anderen fahren wie gehabt die ersten ca. 10 Kilometer hinter dem Fahrzeug der Rennleitung her. Dabei bin ich dort mit einem Schnitt von 67 Watt gefahren. Es geht halt etwas bergab und man fährt nicht im Wind, so kann man für die kommende Aufgabe Kräfte sparen.

Als der Start freigegeben wird scheint es zunächst so los zu gehen wie gestern, doch der Monte Zoncolan steckt noch allen in den Knochen. Keiner will Führungsarbeit leisten. Ich halte mich ganz vorne auf und bin erstaunt über das gemütliche Radreisetempo. Noch ist die Strecke ja flach, aber es geht nicht recht vorwärts.

Heute nacht bin ich schlecht eingeschlafen und lag mit einem 94er Puls im Bett, der rechte Oberschenkel hat kurz gekrampft, aber heute morgen haben sich die Beine erstaunlicherweise sehr gut angefühlt. So ergreife ich mit ein paar anderen die Initiative und wir gehen nach vorne. Ich weiß es ist vielleicht nicht schlau, aber ich will ja auch Spaß haben, und an der Spitze des Feldes hinter dem Führungsfahrzeug zu fahren ist irgendwie geil, soviel Körner müssen einfach da sein. Außerdem haben ja gestern andere die Arbeit gemacht.

Es dauert auch nicht lange, dann kommt Bewegung ins Feld und ich bin meine exponierte Position wieder los. Taktisch gehe ich genauso vor wie gestern, immer vorn dranbleiben so lange es geht, denn hinten muss man genauso fahren wie vorne, nur profitiert man vorne eher von den sehr starken Fahrern, jedenfalls solange man dranbleiben kann.

Das klappt zunächst auch sehr gut. Die zwei Topfrauen des Gesamtklassements sind auch dabei. An einer Kurve mit anschließender Steigung reißt alles etwas auseinander, so dass es so aussieht als würde sich eine Spitzengruppe absetzen, aber eine Baustelle mit roter Ampel führt alles wieder zusammen.

Als an einer weiteren kleinen Steigung das gleich wieder passiert bin ich nicht in der Spitzengruppe, aber wieder müssen alle an einer Ampel halten, also wieder alles beim alten. Dann ist aber irgendwann schluss mit lustig, es fängt richtig an zu steigen, und das halbe Feld zieht an mir vorbei.

Jetzt im Anstieg fährt jeder sein eigenes Tempo, und meins ist offensichtlich nicht so richtig hoch, dabei trete ich mit deutlich über 300 Watt in den Anstieg. Was zum Teufel treten denn die anderen? Ok, ich bin halt auch zu schwer für die Berge, aber wer gesteht sich das schon gerne ein. Jedenfalls hat es den Anschein, dass nur das halbe Feld an mir vorbeigezogen ist, was ja bedeutet, dass ich wohl irgendwo im Mittelfeld oder wenigstens hinterem Mittelfeld fahre.

Da der erste Anstieg sehr lange aber nicht so steil ist bildet sich doch eine Gruppe, und so kann man in den flacheren Teilen doch vom Windschatten profitieren. Einige der Fahrer waren auch gestern in Gruppen in denen ich gefahren bin, offenbar sortiert sich das alles immer recht schnell nach Stärke.

Als es auf den ersten Pass geht funktionieren meine Beine gut und die Gruppe sprengt etwas auseinander, an der Labstation kommen aber alle wieder zusammen. Ich hätte gerne eine Spur mehr Zeit gehabt, aber die Gruppe will ich nicht verlieren, und die anderen scheinen hier um jede Minute zu kämpfen. So haue ich mir zwei, drei Stücke Melone rein, tausche die Flaschen und fahre weiter. Schwerer Fehler. Ich habe heute mal keine Literflaschen sondern normale 0,75er dabei und auch entsprechend getauscht, habe aber an der Labe nix getrunken.

In der Abfahrt kommen wir wieder alle zusammen, und die die abgehängt waren sind spätestens dran, als wir wieder an einer Baustellenampel halten müssen. Es geht nach der Abfahrt noch eine Weile nur mäßig steil dahin, so dass die Gruppe wirklich Sinn macht. Die Tempomacher geben aber teils ganz schön vor, so dass ich ständig deutlich über 200, meist 250 aber auch gerne mal 300 Watt treten muss. Dabei kommt jetzt erst der zweite Berg.

Wir fahren ja jetzt in den Dolomiten, und ab und zu lässt das Renngeschehen und Ackern auf dem Fahrrad doch auch mal einen Blick auf die herrliche Landschaft zu. Dumm nur, dass, bevor es in den richtigen Anstieg zum nächsten Pass geht, meine Flaschen beide schon fast leer sind. Ich versuche etwas zu haushalten, ich will auf keinen Fall dehydrieren, denn das vermindert die Leistung rapide.

Bei Kilometer 110 muss irgendwo die Passhöhe und die nächste Labstation sein, als die Flaschen leer sind bin ich bei Kilometer 101. Nochmal sauge ich den letzten Rest heraus, ich habe Durst. Bis Kilometer 103 geht es noch, auch wenn sich der Anstieg ziemlich zieht, und vor allem zwischendurch ziemlich steil ist. Als es nach Passhöhe aussieht muss man nochmal links abbiegen. Mittlerweile fahre ich alleine, da ein paar weit vor mir fahren und die anderen weit hinter mir. Schon vor dem Anstieg hatte sich die Gruppe geteilt, ich bin vorne drangeblieben, und im Anstieg dann fiel auch dieser Teil auseinander.

Noch ca. sechs Kilometer, das schaffe ich ohne Wasser nicht. Zwischendurch überhole ich immer wieder andere, nicht zum Rennen gehörende Fahrer, und überlege ob ich nicht mal einen um etwas Wasser anspreche, aber die haben alle nur eine Flasche dabei, das kann ich nicht machen. Ein Auto anhalten? Nee, solange die Beine noch funktionieren bleibe ich nicht stehen. Einen aus dem Rennen sehe ich vor mir, der überholt sogar noch einen weitern Peakbreaker. Die muss ich Fragen, sonst gehe ich um, ich habe Durst ohne Ende. Noch ca. fünf Kilometer bis zur Labstation. Nach dem Abzweig gibt es immer wieder auch flachere Passagen, was mir etwas hilft.

Als ich an den Überholten rankomme merke ich, dass der ganz langsam fährt. Ich frage ob alles in Ordnung ist, und er sagt ja, er hat aber Krämpfe. Ich kann doch keinen mit Krämpfen um Wasser anhauen. Mist.

Ich hoffe einfach darauf, dass die Station etwas vor der 110er Marke ist, so genau konnte ich das während der Fahrt im Roadbook nicht erkennen. Bei Kilometer 107 brauche ich Wasser. Die Beine treten immer noch 250 Watt, aber der ganze Rest kann nur an Wasser denken, und dann plötzlich die Erlösung: Aidstation 50m steht da auf dem Boden.

Die 50 Meter ziehen sich ewig, ich fürchte schon ich habe die Verpflegungsstelle verpasst, aber dann, als es schon wieder bergab geht ist sie da!

Ich trinke erst mal eine Flasche Wasser auf ex, dann tausche ich die Flaschen am Fahrrad und nehme noch eine Flasche Iso zusätzlich mit auf den Weg, die haue ich aber schon in der Abfahrt zur Hälfte weg. Außerdem hatte ich mir noch eine halbe Banane, ein paar Stück Melone und ein Stück Kuchen gegönnt. In der Abfahrt schließen zwei von hinten auf, und wir sammeln noch zwei weiter vorne ein, so dass wir mit fünf Leuten in den letzten Pass für heute gehen.

Aber schnell fährt jeder seinen eigenen Rhythmus. Meine Beine funktionieren eigentlich ganz gut. Ich leere noch im unteren Teil des Falzarego die andere hälfte der dritten Flasche und trinke weiterhin recht viel, die Trockenfahrt muss ich irgendwie ausgleichen.

Es gibt heute erstmals schöne Passschilder, die die Kilometer runterzählen. Es fängt mit Kilometer 15,5 an. An sich eine moderate Länge für einen Pass. Noch dazu in der herrlichen Landschaft der Dolomiten.

Die sehe ich ja zum ersten mal, schon sehr beeindruckend. Der Pass ist aber auch zwischendurch "beeindruckend", will heißen auch mal ordentlich steil. Zum Glück sind heute etwas gemäßigtere Temperaturen als gestern. So sind es im ersten Anstieg etwa 24°, im zweiten Anstieg fällt die Temperatur aber auf 17°, was mir auch noch hilft die „Durststrecke“ besser zu überstehen.

Jetzt am Falzaregopass weht immer mal ein kalter Wind, natürlich meist Gegenwind. Die ersten Kilometer gehen eigentlich recht gut, die Beine wollen immer noch 250, 260 Watt treten. Aber der Anstieg zieht sich doch sehr.

Gerade auch auf Grund der schönen Landschaft stelle ich mir beim Fahren vor, wie nach einem guten Frühstück früh morgens mit ausgeruhten Beinen den Pass zum genießen fahre. Aber mein Frühstück war so italienisch lala, ich fahre in einem Rennen und ausgeruht sind meine Beine bestimmt nicht.

Das macht sich dann auch langsam bemerkbar. Das 8,5 Kilometer Schild ist noch einigermaßen zügig erreicht, dann zieht es sich aber schon etwas. Aber auch bis zum 4,5 Kilometer Schild geht es noch. Hinter mir sehe ich mittlerweile keinen mehr, vor mir ist einer noch immer mal in Sichtweite, aber ich glaube kaum, dass ich den packen kann.

Kilometer 3,5 ich würde gerne eine Pause machen. Mache ich natürlich nicht, die Beine treten selten mal unter 200 Watt, und wenn doch dann versuche ich draufzuhalten. Aber ich merke jetzt die ganze angesammelte Erschöpfung, noch von den 720 Kilometern beim Schweizer Radmarathon und auch von gestern, dem Gegurke am Monte Zoncolan.

Noch 2,5 Kilometer, ich beschließe morgen eine Pause einzulegen. Das Fahrrad hoch zum Kronplatz schieben, einen Milchkaffee genießen, und dann ein Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung wie ich die restlichen Tage noch durchstehen soll.

Noch 1,5 Kilometer. Hoffentlich gibt’s noch ein Stück Kuchen an der Labe, ich kann keinen Riegel essen, eklig süß, Gel geht auch nicht, widerlich süß, da esse ich lieber nix, auch wenn das gefährlich ist.

Und dann kämpfe ich mich tatsächlich hoch bis zur Labstation. Ist aber nur eine Wasserstation, ich tausche die Flaschen und fahre weiter. „Nur noch hier rechts kurz berghoch, dann kommt 40 Kilometer Abfahrt“.

Alles gelogen! Als ich um die Ecke biege, sehe ich, dass es erst nochmal einen Kilometer steil berghoch geht. Dabei war der letzte Kilometer schon hart genug.

An einem Parkplatz am Fuße des Anstiegs halte ich an und esse die Banane, die ich noch schlauerweise von der letzten Verpflegungsstation mitgenommen hatte. Ich plaudere dabei ein bisschen mit einem Tourist, als jedoch drei weitere Fahrer vorbeikommen springe ich aufs Rad und schließe mich denen an.

Wir finden diesen Anstieg alle ziemlich ätzend. Einer der anderen hat auch ein SRM Leistungsmesssystem am Rad und wir vergleichen unsere Werte. Der Tritt bei gleichem Tempo über 30 Watt weniger!

Ich werde verrückt. Ich wusste ja, dass ich zu schwer bin, aber dass ein leichter Fahrer soviel weniger treten muss in einer 10% Steigung, das schockiert mich doch.

Ich fluche nochmal den nervigen Anstieg an, aber selbst dieser Berg ist irgendwann zu Ende. Dann geht es in die Abfahrt. 40 Kilometer runterrollen nach Bruneck. Auch das ist gelogen!

Zunächst ist die Abfahrt schön steil. Allerdings verliere ich die anderen im Laufe der Abfahrt, die fahren einfach schneller bergab. Und das obwohl die Lightweights gehen wie sau. Aber meine Abfahrtstechnik ist halt bestenfalls mittel.

So muss ich als es etwas abflacht alleine im Wind fahren, der schon etwas entgegen bläst. Allerdings ist es immer noch so steil, dass man mit 250 bis 300 Watt so im hohen dreißiger bis hohen vierziger Bereich fahren kann.

Um die Navigation mache ich mir bei meiner Alleinfahrt zunächst etwas Sorgen, wegen meiner schlechten Erfahrung vom letzten Wochenende, aber die Abzweigungen sind perfekt markiert. Besser geht’s kaum.

Der Straßenbelag ist mäßig, so dass man immer wieder heftige Schläge in den Körper bekommt, wegen der hohen Geschwindigkeit. Mittlerweile tun mir die Füße weh, vor allem links und jeder dieser Schläge schmerzt.

So ca. zwanzig Kilometer vorm Ziel bin ich eigentlich ziemlich platt, da kommt Stefan ein weiterer Peakbreaker von hinten angerauscht. Den kenne ich schon von gestern. Ich hänge mich dran, und das motiviert nochmal.

Als wir schon so 15 Kilometer vor dem Ziel sind, biegt die Strecke von der Hauptstraße ab. Tom der Rennleiter hatte gestern was von einer „Überraschung“ erzählt. Ich rechne mit einem heftigen steilen Stich kurz vorm Ziel.

Tatsächlich geht es aber nochmal richtig berghoch. So ein Wirtschaftsweg mit fiesen Querfugen. Und egal ob Straße oder Wirtschaftsweg, Anstieg ist Anstieg. Und der hier hat zwischendurch immer mal wieder 12% und Kehre um Kehre geht es nach oben. Ich fluche nochmal kräftig, von wegen nur noch 40 Kilometer bergab. Immer weiter schraubt sich der weg am Hang nach oben. Die Aussicht ist super, meine Beine funktionieren jetzt auch wieder, aber mein Kopf will nur noch das es endlich zu Ende ist.

Dann gibt es nochmal eine etwas nervige Abfahrt, mit teils weniger gutem Belag, und dann geht es endlich geradeaus nach Bruneck. Zieht sich länger als gedacht, aber schließlich sind wir am Ratshausplatz im Ziel. Puh, das war doch anstrengend.

Diesmal mache ich es klüger als gestern, nehme einen Recovery Drink, dusche, schalte Eurosport an mit der Liveübertragung der Tour de France und lege mich erst mal ins Bett. Und während sich jetzt mal die anderen Quälen döse ich erst mal eine Stunde vor mich hin.

Und dann gibt es ordentlich was zu essen. Weil die Portionen klein sind bestelle ich den Fisch UND das Spanferkel. Und Nudeln gibt’s dann auch noch. Die Zeit ist mit 7:19:04,6  h nicht berauschend, aber immerhin noch im hinteren Mittelfeld. Ich bin eigentlich ganz zufrieden, schließlich will ich nur nicht letzter werden und durchkommen.

Allerdings habe ich schon Zweifel ob ich durchkomme, es sind ja noch 6 Etappen zu fahren. Zum Glück bekomme ich noch ein paar Anfeuerungs SMS von den Edelfans zu Hause, so dass ich ein bisschen Zuversicht gewinne und einfach mal an meinen Durchhaltewillen glaube.

1 Kommentar:

  1. Hallo Guido,

    natürlich schaffts Du Dein Ziel. Finishen und nicht letzter !!! Wir wünschen Dir gute Beine und viel Erfolg für die nächsten Tage.
    By the way Stephan Kastner (wenn es der war) ist geamt gerade mal 6:38 vor Dir.
    Bis zu Platz 65 hast Du aktuell ca. 1 Std 40 Min. Vorsprung.
    Go Guido go
    LG
    JL

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