Dienstag, 8. Juni 2010

Statistik Großglockner Hochalpenstraße 2010 die Vierte

Gesamttageskilometer: 59
Gesamtdauer: 3:33 h
Schnitt: 16,5 km/h
Höhenmeter: 1793
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 207 Watt
Geleistet gesamt: 1975kJ
Durchschnittliche Temperatur: 16°C

Pass (ab Kilometerstein Null Bruck bis Fuscher Törl):
Länge: 27,5 Kilometer
Dauer: 2:36 h (inkl. Pausen und Dieters Krankengeschichte)
Schnitt: km/h
Höhenmeter: 1628
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: Watt

Zeitmessstrecke (Mautstelle Ferleiten bis Fuscher Törl)
Länge: 13 Kilometer
Dauer: 1:49 h (inkl. Pausen und Dieters Krankengeschichte)
Schnitt: 8,13 km/h
Höhenmeter: 1266
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 228 Watt

Fahrrad: Specialized Roubaix mit Mavic R-Sys SL Laufrädern und SRM Kurbel
kleinste Übersetzung: 34 - 32 = 2,27m
Gewicht: ca. 10,5 kg inkl. Trinkflaschen und Fotoapparat
Systemgewicht inkl. Fahrer (80 kg + 3,5 Kleidung) ca. 94 kg

Großglockner Hochalpenstraße 2010 die Vierte

Montag 07.06.2010

Gestern hatte ich mir vorgenommen bei schönem Wetter heute übers Hochtor zur Kaiser Franz Josefs Höhe zu fahren, um mir wenigstens den Großglockner nochmal anzuschauen, denn den sieht man ja auf den Auffahrten von Bruck aus gar nicht.

Normalerweise ist es wohl durchaus sinnvoll nach einem Wettkampf zu regenerieren und höchstens eine kleine Einheit im Rekom Bereich zu fahren, aber ich dachte mir, wenn ich schon mal hier bin, dann mache ich ein Minitrainingslager draus.

Da ich aus dem Hotel auschecken muss, kommt der ganze Kram ins Auto und in Fahrradklamotten geht’s erst zum ausführlichen Frühstück und dann auf's Rad. Das Wetter ist allerdings nicht so toll, auch wenn's nicht regnet. Aber vor allem merke ich, dass ich irgendwie recht „leer“ bin. Ich habe nicht die geringste Motivation für Berge. Und ohne Motivation zum Glockner ist Quälerei.

Ich überlege kurz einfach eine kleine Rekom Runde um den Zeller See zu fahren, denke mir aber dann „flach geht auch zu Hause“. Also fahre ich Richtung Glockner und beschließe vielleicht nur bis zum Bärenwerk, wo es steil wird, zu fahren, oder höchstens bis zur Mautstation.


Es ist Montag morgen, und so bin ich zunächst der einzige Radfahrer. Ein krasser Gegensatz zu gestern. Ich lasse es recht gemütlich angehen, und kann dafür heute die herrliche Landschaft um so mehr genießen, die ich gestern ja überhaupt nicht wahrgenommen habe. Als es in den Berg geht, fühlt es sich zunächst eigentlich noch ganz in Ordnung an.



Bei ungefähr gleichen Gängen ist allerdings die Trittfrequenz so 5 bis 10 Umdrehungen niedriger, und ich schwitze viel stärker wie gestern, obwohl es kühler ist heute und ich weniger „Watt“ trete.

Bis zur Mautstation bin ich noch unentschlossen ob ich weiter fahren soll, oder mich auf den Rückweg mache, noch immer fehlt mir so die rechte Einstellung zum Berg. Allerdings macht mir das Fahren hier in den Alpen einfach aufgrund der spektakulären Landschaft spaß, und vor allem merke ich, dass dieses schöne Gefühl in den Alpen zu fahren, dass ich letztes Jahr so genossen habe zurückkommt. Vor zwei Wochen hatte mir das noch gefehlt, und gestern kam das natürlich nicht zum Tragen. Außerdem steht an der Mautstation ein Truck der gerade beladen wird und die Jungs werfen mir aufmunternde Blicke zu, da kann ich natürlich nicht in dem Moment umdrehen, also fahre ich weiter.


Allerdings bin ich tatsächlich leer. Die Beine bringen nur so 70%, der Kopf vielleicht 40%. So mache ich zwei, drei Kilometer hinter der Mautstation eine kleine Pause. Bei einem Energiegel überlege ich kurz zurückzufahren, ist aber auch blöd, so beschließe ich bis zum Gasthaus Piffkar zu fahren, das liegt so grob in der Mitte des zweiten Teils der Strecke, und dort könnte ich schön ein zweites Frühstück nehmen und gemütlich wieder zurück fahren.


Als ich dort ankomme merke ich allerdings, dass ich gar keinen Hunger habe, und das Wetter lädt auch nicht zum draußen sitzen ein. Ich bin sowieso völlig schweißdurchtränkt. Also fahre ich auch hier erst mal weiter, und irgendwann verliere ich mich etwas in Gedanken, so dass ich den Berg gar nicht mehr so merke, obwohl ich die relativ niedrige Trittfrequenz noch wahrnehme.

Irgenwo so bei Kilometer 22 oder so sehe ich einen Reiseradler an der Seite an einem Aussichtspunkt stehen. Wir grüßen uns, und er ruft mir irgendwas zu. Da ich ihn nicht verstehe, fahre ich ein paar Kreise um ihn, und frage wo er herkommt usw. Es stellt sich schnell heraus, dass es sich lohnt hier anzuhalten, und so mache ich noch eine kleine Pause. Dieter fährt seit über dreißig Jahren Radreisen, auch in Südamerika und sonst auf der Welt, außerdem kommt er gerade von Magdalena Neuner, die allerdings Stress hatte, weil sie mit der Waschmaschine den Keller unter Wasser gesetzt hatte. (hä?) Ja und am Stilfser Joch ist er sieben Meter abgestürzt und hat sich quasi alle Knochen gebrochen (Trümmerbrüche versteht sich), er ist Post Pensionär, aber irgendwie auch Kunstmaler, daher hat er auch den Zungenkrebs. (da waren noch zwei Krankheiten, die habe ich aber vergessen, ach ja im Koma lag er auch schon). All diese Information erzählt er quasi in einem einzigen Satz.

Er hat ein Radio am Lenker, habe ich bei Reiseradlern schön öfter gesehen, finde ich aber für mich völlig absurd in der geilsten Landschaft überhaupt zu fahren, und dann das dumme Geschwätz eines Radiomoderators zu hören. Anyway, ich weiß nicht so recht was ich von ihm halten soll, dann zeigt er mir aber sein „Roadbook“. An fast jedem Schild macht er ein Foto von seinem Fahrrad, und trägt ein wo er gefahren ist, und lässt sich z.B. an der Mautstation oder bei Sehenswürdigkeiten und Gasthäusern Stempel in sein Büchlein machen. Und da ist vor drei Tagen auch fein säuberlich das Autogramm von Magdalena Neuner...

Jedenfalls eine nette Begegnung, wir machen noch Fotos, da wir niemand haben der uns beide fotografiert, fotografiert eben jeder den anderen. Ich empfehle ihm noch die Germknödel von der Edelweißspitze und mache mich weiter berghoch.


Durch diese kleine Pause haben sich die Beine recht gut erholt, und jetzt bin ich eh soweit oben, dass ich natürlich auch durchziehe. Bergfahren ist im übrigen keine Tätigkeit sondern ein Zustand. Und besonders schön ist es wenn man merkt, wie die Tätigkeit in den Zustand übergeht. Dann kommt trotz Anstrengung, so ein positives, zufriedenes Gefühl auf.


Auffällig ist die extrem niedrige Herzfrequenz, was entweder auf eine weitere positive Anpassung hindeutet, oder auch Ausdruck von Erschöpfung sein kann. Jedenfalls kann ich davon ausgehen, dass ich gestern doch Richtung Grenzbereich gekommen bin. So soll es in einem Wettkampf ja auch sein.

Auf den letzten zwei Kilometern vollziehe ich in Gedanken das gestrige Finale nach, und kann recht gut vergleichen. Das Fuscher Törl ist tatsächlich 400 Meter hinter dem 27km Stein, deshalb habe ich mich gestern mit dem Zielsprint so verschätzt. Heute ist natürlich an Sprint nicht zu denken, aber schließlich komme ich oben an. Es gibt ein Bestägigungsfoto (macht man wohl als Reiseradler so), und dann mache ich mich wieder auf den Rückweg. Zum Hochtor zu fahren habe ich überhaupt keine Lust, und ob die Kraft reicht weiß ich nicht so genau, deshalb ist das überhaupt kein Thema.


Ich ziehe meine gestern neu gekaufte Windjacke an und klemme die Brille an den Lenker, da die völlig nass ist, und ich mir am Bikerspoint eine Serviette zum Trocknen holen will. Dummer Fehler! Auf den 400 Metern Abfahrt Richtung Bikerspoint kriege ich dann doch Lust noch zur Edelweißspitze hoch zu fahren. Schließlich schreit mein Fahrrad förmlich nach Kopfsteinpflaster.

Vor mir quälen sich zwei 60er Jahre Vespas aus Holland die Strecke hoch, nur wenig schneller wie ich. Passiv rauchen am Vespaauspuff ist bestimmt schlimmer als Reval ohne Filter. Stinkt erbärmlich, auch wenn es witzig aussieht.


Als ich oben bin merke ich, dass ich durch das Kopsteinpflastergerüttel die Brille verloren habe. Hm, erst mal Germknödel und Milchkaffee! Das Ding sollte damals 179,- Euro kosten, ich habe 99,- bezahlt und getaugt hat es trotzdem nicht so recht. Also was soll's. Der Germknödel ist lecker wie immer. Aber jetzt brauche ich natürlich was für die Abfahrt, denn bei 50 oder 60km/h eine Fliege im Auge, das hatte ich schon mal am Umbrail Pass, und das war nix.

In dem kleinen Shop beim Gasthaus auf der Edelweißspitze gibt es leider keine Sonnenbrillen. Aber der Wirt meint er würde mir eine von seinen leihen, ich solle sie dann unten an der Mautstation wieder abgeben. Die Österreicher sind echt nett! Genauso machen wir's dann auch, und er meint noch sowas wie „auf der Abfahrt willst du ja auch Spass haben und es krachen lassen“, jedenfalls habe ich mir seine schwer verständlichen Worte aus dem Österreichischen so übersetzt.

Die Abfahrt macht dann auch tierisch Spaß. Ich gewöhne mich mehr und mehr an das neue Fahrrad, und gewinne mehr vertrauen ins Material. Die Bremsen sind wirklich sensationell gut. Im Flachen merkt man faktisch keinen Unterschied zwischen einer Ultegra und einer Dura Ace Bremse, aber hier wo man lange Abfahrten im zweistelligen Prozentbereich fährt ist der Unterschied eklatant.

Irgendwann, ich habe gerade so knapp 60km/h drauf, steht plötzlich ein Radfahrer quer auf der Fahrbahn und weiß nicht ob er vor oder zurück soll, und ruft dabei „Entschuldigung, Entschuldigung“, was mir jetzt allerdings wenig nützt... Die Frage ist bewegt er sich nach vorne und ich muss links vorbei, oder bewegt er sich nach hinten und ich muss rechts vorbei. Die Chancen stehen 50/50. Es geht irgendwie gut. Und siehe da, dass war doch der Dieter, der Reiseradler von vorhin. Ich grüße ihn nochmal, und schnappe mir dann noch ein Auto und einen Motorradfahrer. Das Abfahren macht also auch wieder richtig Spaß, so hat sich dieses Wochenende für meine Bergqualitäten, vor allem Hinblick auf das große Ziel Ötztaler Radmarathon doch sehr gelohnt. Interessant ist allerdings, dass es schwer fällt auf Grund der schlechten Aerodynamik meines Rades und vor allem der Laufräder hohe Geschwindigkeiten zu erzielen. Das ging mit dem alten Rad leichter.

An der Mautstation gebe ich wie vereinbart die Sonnenbrille vom Edelweißspitzenwirt ab, und lasse es dann etwas lockerer angehen. Am Schluss ist es nur noch ein lockeres Ausrollen Richtung Bruck. Dabei lasse ich das sensationelle Wochenende und den dann doch sehr schönen heutigen Tag nochmal Revue passieren.

Als Fazit kann man sagen, dass der Glocknerkönig die gewünschte Funktion als Trainingsmotivation und Testwettkampf voll erfüllt hat. So ungefähr dürfte das Niveau vom Vorjahr wieder erreicht sein, darauf kann ich jetzt für den Ötzi aufbauen. Vor allem gibt mir das Ergebnis auch Hoffnung, dass ich im August doch irgendwie durchkommen werde.

Statistik Glocknerkoenig 2010

Glocknerkoenig Classic Strecke
Kilometer: 27 km
Zeit: 1:54.43,6 h
Schnitt: 14,12 km/h
Höhenmeter: 1694
Durchschnittliche Temperatur: 14°C
Rückstand auf den Sieger: 34.57,4 min
Rang Overall Classic: 500 (von 2108)
Rang Overall Classic Herren: 486 (von 1908)
Rang Altersklasse H4: 162 (von 682)

Zwischenzeit Mautstation Ferleiten
Zeit: 00:36.08 h
Rang Overall Classic: 626
Rang Overall Classic Herren: 607
Rang Altersklasse H4: 204
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel (SRM): 248 Watt
Durchschnittliche Herzfrequenz: 157 bpm

Zeit Mautstation bis Ziel
Zeit: 1:18.35 h
Rang Overall Classic: 470
Rang Overall Classic Herren: 458
Rang Altersklasse H4: 155
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel (SRM): 260 Watt
Durchschnittliche Herzfrequenz: 169 bpm

Fahrrad: Specialized Roubaix mit Mavic R-Sys SL Laufrädern und SRM Kurbel
kleinste Übersetzung: 34 - 32 = 2,27m
Gewicht: ca. 10,5 kg inkl. Trinkflaschen und Fotoapparat, Energiegel
Systemgewicht inkl. Fahrer (80,5kg + 3,5 Kleidung) ca. 94,5 kg

Sonntag, 6. Juni 2010

15. Glocknerkoenig 2010, das Rennen

Sonntag 6.6.2010

3:21 Uhr. Oje, das fängt ja gut an! Zwar konnte ich in Bruck noch nie gut schlafen, egal in welchem Hotel oder Zimmer, aber halb vier ist ja nun wirklich keine Zeit zum Aufwachen. Zu allem Übel ist auch noch die Nase komplett zu.

Da ich nicht richtig wieder einschlafen kann, mache ich mir einige Gedanken zur Renntaktik. Vielleicht ist es klug bis zur Mautstelle unter 45 Minuten zu fahren, eher so 40 Minuten, damit ich vor dem Start der Kurzstreckler (Glocknerkönig light) da durch bin, sonst komme ich noch ins Gewühl? Naja aber letztlich bin ich vor zwei Wochen eh immer am Anschlag gefahren, also habe ich gar keine Luft zum Taktieren.
Rumdrehen weiterschlafen. 4:15 Uhr die Nase nervt, ich bin eigentlich durchaus müde, aber so richtig einschlafen kann ich nicht mehr. Ich esse ein paar Reiswaffeln und döse bis das Handy Alarm gibt 5:10.

5:30 Frühstück. Viel Hunger habe ich nicht, ein Müsli und zwei Käsebrote gehen aber rein. Ich verzichte auf Kaffee, Coffein ist Doping, und ich solidarisiere mich gerne mit dem Slogan von quaeldich.de „Berge statt Doping“. Aber Kamillentee ist sowieso mein Leibgetränk...

Nachdem ich noch etwas im Hotelzimmer vor mich hingedöst habe geht es um 6:30 so langsam in Richtung Startbereich. Die ersten zwei Startblöcke sind für die Schnellen aus den Vorjahren reserviert, Startblock 1 für die, die unter 1:30 Stunden gefahren sind, und Startblock 2 für die, die unter 2:00 Stunden gefahren sind.
Ich gehöre natürlich in den Startblock 3, wo der Rest fährt. Und da stehe ich auch nicht gerade vorne, was aber letztlich egal ist, da die Zeitmessung erst startet, wenn man die Startlinie überquert, der einzige Nachteil ist also, dass man im Gewühl steht.


Der Moderator sagt immer mal die Minuten bis zum Start an, und man hat Gelegenheit die anderen Räder anzuschauen, oder kurz mal seine bereits geleisteten Trainingskilometer dieses Jahr in die Runde zu werfen. Meine Theorie ist, die Wahrheit liegt am Berg, alles andere ist eh Wurscht.

Aus den Boxen dröhnt neben dem Moderator auch noch ordentliche Rockmusik, zum Glück also kein HipHop/House oder Aprés Ski Müll. Sehr angenehm. Als es noch 5 Minuten sind rücken alle plötzlich nach vorne, und dann spürt man endlich, dass es jetzt gleich losgeht, ein Fuß eingeklickt, ungeduldiges Wiegen des Rades, bei Pferden würden man wohl von scharrenden Hufen sprechen.

Noch 2 Minuten, und der Moderator spielt Hells Bells von AC/DC. Der erzählt zwar was von den Glocken von Bruck, aber das ist so geil, dass die hier extra für mich AC/DC spielen. Das wird heute richtig gut, auf einmal fühle ich mich richtig stark, von wegen schlecht geschlafen, Nase zu, zu wenig trainiert, alles egal, ich will jetzt endlich diesen verdammten Berg hochgeißeln.

Dann ist es soweit, der Startschuss fällt. Es dauert trotzdem noch ein, zwei Minuten, bis sich auch unser Pulk in Bewegung setzt. Zwar ist es schon recht voll, aber alle fahren völlig vernünftig, ist alles überhaupt kein Problem.

Die ersten Kilometer bis zum Bärenwerk kurz hinter Fusch sind ja recht flach, und so wird zunächst ein erstaunlich hohes Tempo gefahren. Ich versuche zunächst „mein Tempo“ durchzufahren, ist aber völliger Quatsch, denn dann kriege ich überhaupt keinen Windschatten. Also hänge ich mich immer wieder an verschiedene „Züge“ dran, und ich muss sagen das macht tierisch Spaß.


2810 Teilnehmer sind es laut Moderator dann doch geworden, und so findet man immer eine Gruppe mit der man sich nach vorne beamen kann. Ab und ein Blick auf den Powermeter, und da steht ganz oft 300 und mehr, ich bekomme schon Angst ich überziehe. Allerdings macht es auch Spaß schon mal ordentlich zu überholen, allerdings werde ich auch von etlichen überholt, manche fahren so schnell, dass ich mich frage ob die wissen, dass da noch ein Berg kommt. Aber wenn man unter 1:30h bleiben will, dann muss man natürlich auch hier schon ordentlich was gut machen. Mein Ziel ist ja deutlich bescheidener, nämlich unter die top eintausend zu kommen, d.h. so ca. 2:30h


Nach fünf Kilometern habe ich zwar Spaß ohne Ende, aber auch Schmerzen, wo man sie als Mann überhaupt nicht haben will. Hatte ich noch nie. Mir schießt nur durch den Kopf, dass Lance Armstrong mit (überstandenem) Hodenkrebs die Tour de France gewonnen hat, da werde ich wohl den verdammten Glockner hier hochkommen, egal was weh tut.

Nach ca. 10 Kilometern ist es dann vorbei mit flach, und es geht in den Berg. Und was jetzt kommt kann ich noch gar nicht fassen. Ich fahre kleine Gänge, und kann meine Trittfrequenz gut in den 80ern halten, was mir vor vierzehn Tagen überhaupt nicht gelungen ist. Und ich fahre einfach an den anderen vorbei. Die Kilometer bis zur Mautstation ist mit das geilste was ich je sportlich gemacht habe. Es fühlt sich an wie beim ersten Pass den ich je gefahren bin, da habe ich zu meiner Überraschung etliche „richtige“ Rennradler überholt. Und jetzt ist es so, dass mich bis zur Flachstelle kurz vor der Mautstation genau 3 (drei) Radfahrer überholen. Und an den anderen 500 fahre ich einfach vorbei (Anmerkung der Redaktion: die richtig Schnellen waren in den Startblöcken vor mir...).


Die Beine fühlen sich so gut an, ich kann es gar nicht glauben. Im Gegensatz zu sonst interessiert mich die Landschaft überhaupt nicht, ich kurbele einfach mein Ding durch, und dass mein Tempo deutlich über dem der meisten anderen liegt ist enorme Motivation. Und so schaffe ich die 40 Minute Marke, die ich mir heute Nacht gewünscht hatte locker, und hoffe jetzt nur noch, dass ich im jetzt kommenden schweren Abschnitt nicht komplett einbreche. Irgendwie werde ich mich schon hoch kämpfen.

Und es geht tatsächlich zunächst richtig gut weiter. Zwar ist es nicht mehr so, dass ich einfach an den meisten vorbeifahre, aber ich bewege mich auf jeden Fall schneller als die Haupströmung. Es gibt so drei vier Radler, die ich immer wieder sehe, d.h. mal sind die schneller und überholen mich, dann wiederum ist es umgekehrt. Wobei ich die ersten Kilometer nach der Mautstation recht konstant meine Trittfrequenz durchziehen kann (im kleinsten Gang bin ich sowieso).


Dadurch, dass ich bis auf Ausnahmen nicht auf die Landschaft achte, vergehen die Kilometer viel schneller als die letzten Male wo ich hier alleine gefahren bin. Nach ca. 17 Gesamtkilometern kam vor zwei Wochen die Stelle, wo es sich so zäh angefühlt hat. Auch jetzt merke ich, dass es jetzt hier schwerer wird, aber ich versuche einfach durchzuziehen, was zum Teil auch gelingt. Trotzdem fällt die Trittfrequenz teils auf unter 70 ab. Allerdings erhole ich mich auch wieder und versuche jedesmal wenn der Körper schwach werden will hochzuschalten und im Wiegetritt richtig draufzuhalten.

Die Lance Armstrong Schmerzen werden mittlerweile von einem ordentlichen Ziehen im unteren Rücken überlagert, aber irgendwann ist beides kein Thema mehr. Und als die 2000Metermarke überschritten ist, habe ich nach einem Blick auf den Radcomputer die fixe Idee, dass ich die zwei Stunden Marke knacken könnte. Und auch wenn der Weg noch lang ist. Die visualisierte 1000, die ich mir als Motivationshilfe erdacht hatte, taucht nicht mehr auf. Das Ziel heißt jetzt „unter 2 Stunden“.

Die drei vier Radler, die ich immer wieder gesehen habe, scheinen sich jetzt doch deutlich von mir abgesetzt zu haben, und jetzt kommt nochmal ein richtig steiles Stück, und in der Höhe brennt die Lunge etwas, da ich doch mehr im Grenzbereich fahre wie gewöhnlich. Aber auch das geht dann doch relativ gut, und als die Steigung wieder auf 10% nachlässt spüre ich deutlich wie wieder Kräfte zurückkehren. Ein Energiegel hatte ich mir vor der Mautstation reingezwängt, ein weiteres brauche ich jetzt auch nicht mehr, zumal mein modifiziertes Carboloading mit Gröstl und Semmelknödel ja zu funktionieren scheint.

Und dann kann man endlich das erste mal das Fuscher Törl sehen. Zwar ist es dann noch sehr lange, aber da ich die Strecke schon kenne und darauf eingestellt bin, ist es eindeutig motivierend. Mittlerweile schaue ich nicht mehr auf das Powermeter, denn noch immer steht da meist was zwischen 250 und 300 Watt, was ja nicht funktionieren kann.


Ich merke schon, dass ich mich recht nah am Limit bewege, will aber die zwei Stunden unbedingt knacken, und als ich die mir bekannten Radler, die schon entschwunden schienen wieder näher kommen sehe, funktionieren die Beine auf einmal wieder recht gut. Und dann fällt mir ein, dass ich ja jetzt ans Limit gehen kann/muss, da das Rennen ja am Fuscher Törl vorbei ist, und nicht etwa bis zum Hochtor geht. Also versuche ich weiter draufzuhalten.

Noch zwei Kehren! Ich kanns kaum fassen, ich bin mir sicher die zwei Stunden Marke zu knacken, jetzt heißt es rausholen was geht. Während einige die letzten paar hundert Meter mit letzter Kraft schleichen, versuchen andere noch einen Zielsprint. Ich entscheide mich für die letzte Variante, denn a) sind die Beine noch gut (irgendwie jedenfalls), und b) kann man so noch ein, zwei Plätze gut machen und c) sieht es natürlich besser aus!


Allerdings ziehe ich meinen Zielsprint deutlich zu früh an, und schnell habe ich das Gefühl meine Beine explodieren. So gehe ich ein paar Sekunden zurück in den Sattel, und beschließe dann, scheißegal, gib alles. Und genau das versuche ich dann auch, und fahre so standesgemäß mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht über die Ziellinie. Mein Radcomputer zeigt 1:55:13h!

Unfassbar! Einfach nur geil! Vor vierzehn Tagen habe ich mir hier gefroren und habe alleine für den zweiten Teil 1:35h gebraucht, jetzt stehe ich hier bei strahlendem Sonnenschein und habe gerade den Glocknerkönig unter zwei Stunden gemeistert. Glücksgefühl strömt durch den ganzen Körper...

Eine fesche Österreicherin hängt mir die Glocknerkönig Medaille um, und es gibt herrlich übersüßten Tee. Ich genieße etwas das Getümmel im Zielbereich, und mache mich dann auf zum wohlverdienten Kaiserschmarrn.


Traumhaft, mit Tee und Kaiserschmarrn sitze ich hier oben und kann mir die Radfahrer anschauen die noch am Berg kämpfen. Was für ein Wettkampf. Ich denke für die besten 1000 hat es auf jedenfall gereicht, aber das weiß ich natürlich erst wenn die offizielle Ergebnisliste vorliegt, und vor allem meine Zeit von der offiziellen Zeitmessung bestätigt ist.





Glücklich über das erreichte macht die Abfahrt dann natürlich richtig Spaß. Bis über die Hälfte des zweiten Streckenabschnittes oberhalb der Mautstation fährt man an einem langen Strom kämpfender Radler vorbei. Zwei Handbiker sehe ich, die sich nur mit der Kraft ihrer Arme die Strecke hochquälen, Respekt! Und ein Radler hat tatsächlich einen Anhänger mit Kind dabei. Ich finde der müsste ein Sonderwertung kriegen.

Interessant ist, dass genau wie bei den Radlern um die zwei Stunden auch bei denen die jetzt noch kämpfen alle Kategorien und Preisklassen von Rennrädern und auch MTBs zu finden sind. Als die Mautstation passiert ist, gebe ich nochmal ein bisschen Gas, um dann in der Höhe von Fusch auszurollen, und die letzten Kilometer zum ausfahren zu nutzen. Der Zielsprint ist in den Beinen doch deutlich zu spüren...

Dabei kann ich noch ein paar Worte wechseln mit dem ein oder anderen, der ebenfalls auf der Abfahrt ist, und so geht es relaxt zurück zum Hotel.

Nachdem ich wieder einigermaßen frisch bin, schlendere ich nochmal zum Stand von Zweirad-Stadler, ich habe tierisch Lust irgendwas zu kaufen, und außerdem kann man dort E-Bikes ausprobieren. Das Teil, das ich probefahre macht enorm Spaß, die Beschleunigung ist schon irre. Einfach einen großen Gang drin lassen und dann Feuer. Leider stellt das Ding bei 25 km/h die Unterstützung ein, so dass es für dauerhaftes schnell fahren nicht so geeignet ist. Aber der Spaßfaktor beim Beschleunigen ist groß.

Um zwei startet dann der Siegerehrungsmarathon, da es doch einige Klassen gibt, die gewertet werden. Meine offizielle Zeit ist letztlich 1:54:43h

Damit bin ich bei den Herren 485., bei den Damen hätte es für Platz 15 gereicht. D.h. Von den 2810 Startern insgesamt bin ich 499. geworden. Also statt Top 1000 ist es die Top 500 geworden. Für einen Reiseradler nicht so schlecht... (Der Sieger ist übrigens 1:19h gefahren)

Glocknerkönig und Glocknerkönigin 2010:

Nach dem das Spektakel vorbei ist, gibt’s erst mal irgenwas mit Semmelknödel, dann geht’s ins Bett, und Abends wird einfach nur noch gegessen und getrunken.

Samstag, 5. Juni 2010

Glocknerkoenig 2010

Samstag 05.06.2010

Kaiserwetter am Glockner! Hoffentlich ist das bis morgen wieder weg... Denn ich wünsche mir eigentlich ein ordentliches Fritz Walter Wetter, mit Regen und am liebsten Schnee am Berg. Das würde schon mal ein paar Gegner für den Glocknerkönig aus dem Weg räumen. Denn an meiner Wetterfestigkeit habe ich spätestens seit Irland und dem Kälteeinbruch am Iseran letztes Jahr keine Zweifel.


Letztlich macht es aber natürlich bei schönem Wetter mehr Spass, und der „Glocknerkönig“ ist für mich ja nur ein Testwettkampf, mein erstes Radrennen, um mal die Abläufe kennenzulernen und ein Gefühl dafür zu bekommen wie es ist mit tausenden von Mitradlern den Berg anzugehen. Alles im Hinblick auf den Ötztaler Radmarathon.

Daher bin ich auch so entspannt wie die ganze Atmosphäre hier in Bruck. Zu meiner Überraschung war die Anreise per Auto gestern völlig problemlos, ohne größere Staus, obwohl ich erst sehr spät losgefahren bin. So konnte ich noch ein paar Kilometer Richtung Fusch fahren um mir die Beine zu vertreten. Und heute gab es eine Regenerationsrunde rund um den Zeller See. Ein lockeres Stündchen, bei strahlendem Sonnenschein in herrlichem Alpenpanorama.



Zum Mittag gab es eine Reinanke (keine Ahnung ob das Rhein-Anke oder Rei-Nanke ausgesprochen wird), ein Süßwasserfisch, der angeblich im Zeller See gefangen wurde. Da der Fisch sich auch im zubereiteten Zustand noch heftig gegen seinen Verzehr gewehrt hat, war es mehr ein meditatives Essen, was der relaxten Gesamtstimmung durchaus angemessen war.



In Bruck wird schon kräftig für das Rennen morgen aufgebaut, und rund um die Startnummernvergabe sind einige Stände aufgebaut, vor allem auch von Zweirad-Stadler, der das Event auch sponsort.


So kann man die Zeit ein bisschen totschlagen, und schon mal „die Anderen“ beobachten. Jedes Rennrad wird neugierig bis misstrauisch beäugt, und genauso wie ein Mann schon nach einer Sekunde weiß welches Attraktivitätslevel eine Frau hat, wendet sich auch hier der Blick entweder sofort wieder uninteressiert ab, oder ein zweiter etwas ausführlicherer Blick signalisiert Bewunderung oder (technisches) Interesse.

Der Blick gilt allerdings nicht nur den Rennrädern, sondern auch den Fahrern. Und obwohl das Ganze für mich nur ein Test ist, habe ich mir natürlich trotz allem sportliche Ziele gesetzt. Aufgrund meiner Zeiten von vor zwei Wochen und den Ergebnislisten der letzen Jahre, ist das Ziel unter die besten tausend Fahrer von 2225 Teilnehmern zu kommen. Das ist durchaus realistisch, aber klappt auch nur dann, wenn ich eine ordentliche Leistung abrufen kann.

Wenn ich mir die „die Anderen“ allerdings so betrachte, kommen mir doch ein paar Zweifel. Ich wusste nicht, dass es so viele große, schlank bis sehnige, durchtrainierte Rennradfahrer gibt, die schon ohne Fahrrad so schnell aussehen. Sofort schießt mir durch den Kopf, dass ich erst einmal am Berg war dieses Jahr, dass ich natürlich nicht die fast 7000 Kilometer mit 40kg Fahrrad und 25% Steigungen in den Beinen habe wie letztes Jahr, und dass ich zu allem Überfluss in den letzten zwei Wochen aus beruflichen Gründen nicht wie geplant trainieren konnte.

Und dann gehöre ich noch zu den Älteren, dass wird einem hier sehr deutlich vor Augen geführt, zu Hause ist das kein Thema, da lasse ich mir immer von der Körperfettwaage schmeicheln, die mein biologisches Alter auf 28 schätzt. (macht die wahrscheinlich bei jedem, deshalb verkauft sich das überteuerte Ding auch so gut)

Anyway, wenn ich es irgendwie schaffe mich mental darauf einzustellen, dass es nach der Auffahrt zum Fuscher Törl vorbei ist, und ich mich bis dahin also voll verausgaben kann, und wenn ich es dabei auch noch schaffe nicht auf Grund der Rennsituation am Anfang zu überziehen oder in einen Massensturz verwickelt zu werden, dann ist die Position 1000 ein erreichbares, leuchtendes Ziel, das ordentlich Motivation liefert.

Abends schlendere ich noch etwas durch Bruck und suche mir ein Restaurant, wo ich meinen „Nudelparty“ Gutschein einlösen kann. Das Gasthaus Lukashansl war wohl die richtige Wahl, denn das Buffet ist direkt in der Küche aufgebaut, die Auswahl riesig, wenn's auch leider keine Vollkornnudeln gibt, und für faire drei Euro gibt’s auch noch einen ordentlichen Salat.

Insgesamt scheint die Organisation wirklich gut zu sein, außer seinem Fahrrad braucht man eigentlich nichts mitbringen, und selbst das hätte man heute noch hier kaufen können...

Morgen stehen hier 2225 Fahrradfahrer: