Mittwoch, 30. September 2015

Eroica 2015 – vor dem Rennen

Eigentlich bin ich kein rückwärts gewandter Mensch. Retro ist nicht mein Ding, ich suche lieber die optimal mögliche Lösung für eine Aufgabe mit dem was gerade aktuell an Material zur Verfügung steht.

So gesehen bin ich ein echter „Materialfahrer“, die emotionale Bindung zum Equipment ist gering und das Fahrrad nur mittel zum Zweck.

Nun habe ich aber, eher aus Versehen, ein 1980er Koga Miyata FullPro bei ebay geschossen.

Das schöne am Radsport ist ja, dass man sich alle Träume erfüllen kann, denn im Gegensatz zum Auto kann sich fast jeder sein Traumrad leisten egal ob aktuell oder Oldtimer. Auch das FullPro war bezahlbar und wenn ich es nun schon mal habe, dann will natürlich auch was sinnvolles damit machen.

Da es sich um ein Profirennrad handelt ist es nur logisch wenn man es auch so einsetzt. Die Eroica in der Toscana bietet sich dafür an.

Seit das Event in den Neunzigern erstmals ausgetragen wurde, hat es sich zu dem Retro Radsport Event schlechthin entwickelt.

Meine persönliche Idee hinter der Teilnahme ist es den Radsport so zu erleben wie er in den Endsiebzigern, anfang Achtziger für mich gewesen wäre. D.h. Kleidung und Equipment, Übersetzung und Fahrstil so wie ich es damals wahrscheinlich gemacht hätte.

Das man durch die Streckenführung und die „Strade Bianchi“, die Schotterabschnitte, auch etwas vom frühen Radsport der 30er bis 50er Jahre mitbekommt nehme ich als Nebeneffekt in Kauf…

Gemeldet habe ich für die lange Strecke, 209 Kilometer mit ca. 3200 Höhenmetern. Dass FullPro hat eine kleinste Übersetzung von 42 – 23. Klingt brutal, aber war damals durchaus eine Bergübersetzung. Für mich ist das wirklich heftig, ich schätze auch damals schon hätte ich einen Weg gefunden eine kleinere Übersetzung zu fahren, (39 vorne geht auf jeden Fall und hinten 27 wäre wohl auch noch in der Epoche gegangen), aber ich werde mal schauen wie weit ich mit der 42-23 komme, ggf. muss ich einige sehr steile Hügel schieben.

Ich fahre auch Schlauchreifen, weil ich die damals in einem Rennen mit Sicherheit auch gefahren wäre. Auch wenn ich nicht den geringsten Vorteil an Schlauchreifen erkennen kann und sie für mich unterwegs nicht zu flicken sind. Was natürlich das Risiko birgt, dass man auf der Strecke irgendwo strandet.

Die Bremsen haben damals nichts getaugt und tun es heute natürlich auch noch nicht. Kein Vergleich mit modernen Rennradbremsen. Entsprechend vorausschauend muss man halt fahren. Ich bin gespannt wie die Schotterabschnitte mit dem 80er Jahre Rennrad zu fahren sind, vor allem dann auch in den Abfahrten.

Retroklamotten kann man bekommen, auch wenn die Auswahl nicht so riesig ist. Beim Trikot geht’s noch, Handschuhe gab’s auch aber eher teuer, Mütze kein Problem, aber Hose und Schuhe, da ist es schwer was zu bekommen. Ich werde mit einer modernen Hose fahren, optisch kann ich da keinen großen Unterschied erkennen, das moderne Polster ist dann halt ein Kompromiss. Bei den Schuhen muss ich einfach schauen ob ich in Gaiole auf dem Markt noch was bekomme, denn dort soll es einen großen Teile- und Retroklamottenmarkt geben. Mal schauen, das wird bestimmt ganz interessant.

Hier noch ein paar Bilder von meiner Eroica Ausstattung:

P1150865 P1150866 P1150867 P1150868

 



from WordPress http://ift.tt/1POcjb5
via IFTTT

Dienstag, 22. September 2015

RAAM 2016

Wie schon in einigen Blogposts erwähnt habe ich mich nun endgültig entschlossen 2016 nicht beim Race Across America zu starten.

Die Entscheidung war ehrlich gesagt ein schwieriger Prozess, da ich das Gefühl hatte, dass ich 2014 durch das Knieproblem nicht mal ansatzweise meine wahre Leistungsfähigkeit habe abrufen können.

Vielleicht war das so, aber letztlich haben wir gefinished und mittlerweile kann ich das als großen Erfolg für mich akzeptieren. Dabei haben mir seltsamerweise die zwei sehr unterschiedlich verlaufenen Radmarathons beim Alpenbrevet und beim Alpentraum geholfen.

In der Schweiz ging es mir so schlecht, dass ich letztlich alles in Frage gestellt habe und schon das Gefühl hatte, jetzt hat endgültig der Leistungsverlust durch das Alter den Leistungsgewinn durch das zunehmende Trainingsalter weit überholt.

Beim Alpentraum dann, obwohl ich da jetzt keine Bäume ausgerissen habe, habe ich irgendwie im Verlauf des Rennens meinen Frieden mit allem gemacht. Vielleicht weil es das letzte Rennen der Saison war (aber noch nicht das letzte Event, dazu später mehr;), vielleicht weil ich soviel Zeit zum Denken hatte, schließlich war ich ja zwölf Stunden unterwegs, vielleicht auch weil ich das ganze Wochenende ohne jede Ambition, nur alleine mit mir verbracht habe.

Ich halte eine RAAM  Teilnahme 2017 für möglich, aber wenn es nicht passiert ist das auch ok.

2016 wird aber für Deutschland auf jeden Fall ein spannendes RAAM Jahr. Mit Stefan Schlegel und Julian Eisenbeis haben schon zwei vielversprechende Solomänner gemeldet.

Stefan hat schon zweimal bewiesen, dass er alles mitbringt für das Rennen und die organisatorischen Fähigkeiten genauso hat, wie die Rennhärte und Finishermentalität die es braucht um das Race Across America zu überstehen. Durch seinen Sturz letztes Jahr hat er, vor allem in den USA, an Popularität gewonnen, ich wünsche ihm, dass er dieses Jahr das Ziel sturzfrei erreicht und richtig angreifen kann. Ein Podium ist möglich, der „deutsche Rekord“ (gehalten von Hubert Schwarz) sowieso.

Julian scheint auf dem Rad alles mitzubringen was es braucht. Außerdem ist er noch jung, ich tippe mal der kann richtig überraschen.

Außerdem hat endlich mal eine deutsche Frau für das RAAM solo gemeldet. Das Juliana Buhring für dieses Rennen prädestiniert ist ergibt sich offensichtlich aus ihren bisherigen Rennen. Sehr cool, für mich ist sie schon jetzt die Favoritin bei den Frauen.



from WordPress http://ift.tt/1OrpwJd
via IFTTT

Donnerstag, 17. September 2015

Endura Alpentraum 2015 – Das Rennen

Nun stehe ich also am Start des Endura-Alpentraums. So gut 500 Teilnehmer haben sich für die lange Strecke von Sonthofen im Allgäu über 252 Kilometer und gut 6000 Höhenmeter nach Sulden in Südtirol entschieden.

Wieder war frühes aufstehen angesagt, denn der Start ist um 6:30 Uhr und vorher muss man noch auschecken, das Auto am Startgelände unterbringen und frühstücken. Leider war der Allgäustern nicht so richtig dem Rennen zugeneigt. An der Rezeption wurde man mit einem Zettel begrüßt, dass man doch gefälligst sein Rad im Park Ferme des Rennens unterbringen solle und nicht auf dem Zimmer. Außerdem gab es kein frühes Frühstück, sondern ein, für’s Rennen nutzloses, Lunchpaket. Das habe ich noch bei keinem Rennen erlebt, dass die Hotels im Ort nicht, zumindest ein einfaches Frühstück für die Radler anbieten. Schwache Leistung vom Allgäustern.

Anyway, mit etwas knapper KH-Versorgung und ohne Frühstückstee stehe ich ungefähr in der Mitte der Startaufstellung. Die Temperatur ist sehr angenehm bei 10°, die Wettervorhersage scheint sich zu bewahrheiten und ich fahre kurz/kurz. Der Moderator plaudert mit angenehmer Stimme. Er macht das wirklich gut, kein dummes Gelaber, vielen Dank :) Außerdem ist die Musik unaufdringlich, ebenfalls sehr angenehm. Zum Startcountdown gibt es dann AC/DC.

P1150583

Die ersten flachen Kilometer aus Sonthofen raus fahren wir quasi neutralisiert, dicht im Feld hinter dem Führungsfahrzeug der Rennleitung. Zweimal gibt es, durch den Ziehharmonikaeffekt recht heikle Momente. Beide Male ist gute Radkontrolle und schnelle Reaktionsfähigkeit gefragt. Ganz ohne Berührungen geht es nicht ab, aber alle bleiben auf dem Rad…

In Hindelang geht es endlich in den ersten Anstieg. Das Oberjoch führt uns hinauf ins Tannheimer Tal. Der Anstieg bleibt moderat. Ich lasse die Spitzengruppe natürlich ziehen und fahre mein eigenes Tempo. Dabei werde ich nicht oft überholt, ich denke mal ich befinde mich solide im Hauptfeld. Die Leistung liegt im oberen G2- bis EB-Bereich. Nach der Erfahrung vor zwei Wochen beim Alpenbrevet horche ich natürlich aufmerksam in meinen Körper hinein, aber alles ist normal. Ich merke zwar meinen großen Trainingsrückstand, aber ich fühle mich ok und habe mich auch damit arrangiert heute nur auf solides Ankommen zu fahren.

P1150587

Über einige Serpentinen schrauben wir uns nach oben und kommen nach ca. einer halben Stunde oben an. Schnell sammeln sich ein paar Fahrer zu einer kleinen Gruppe, die im Verlaufe der Fahrt auf diesem Hochplateau noch anwächst. Ich denke mal das ist jetzt das „Hauptfeld“.

Die Landschaft ist klasse, ich kann sie wirklich genießen, was ja in der Schweiz vor zwei Wochen praktisch gar nicht ging. Auch macht es einfach Spaß zum Sonnenaufgang bei gutem Wetter durch die Alpen zu radeln. Sehr geil.

P1150588

Ich kann mich gut in der Gruppe halten, viel Führungsarbeit muss ich nicht leisten, weil immer mal wieder welche nach vorne fahren. Sonderlich effektiv ist das nicht, die Gruppe könnte eigentlich deutlich schneller fahren, aber ist mir egal, ich schwimme so mit und hoffe, dass mein Knie hält.

Im ersten Anstieg habe ich es ganz schön im unteren Rücken gemerkt und das hat ausgestrahlt bis ins rechte Bein. Wäre mal eine Abwechslung zu den Schmerzen im linken Bein, aber keine die mir gefallen würde. Ich gehe einfach davon aus, dass sich das „rausfährt“. Jetzt im Flachen lässt das Ziehen im Bein auch nach.

Die Strecke durchs Tannheimer Tal zieht sich länger als ich gedacht habe, dann aber geht es über den Gaichtpass bergab. Bei weitem nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung dargestellt, eine ganz normale Abfahrt in den Alpen halt.

Ich verliere bergab allerdings etwas, weil die Vorderradbremse, wie auch schon in der Schweiz, ab 50 km/h heftig stottert, so dass ich die Kurven deutlich früher anbremsen muss. Etwas nervig, aber der Zeitverlust hält sich in Grenzen. Dabei hatte ich nochmal alles geprüft und nichts gefunden, Bremsbeläge ok und sauber, Felge schien auch ok. Schön wäre es gewesen, wenn ich nicht auch dieses Rennen ohne mein Mavic Ksyrium Vorderrad hätte fahren müssen, dass nach vier Renneinsätzen hinüber war und nun seit über zwei Wochen beim Service ist…

Auch am Ende der Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Auch diese fährt nicht sonderlich effektiv, aber mir reicht’s. Das ist der Vorteil wenn man nicht das Optimum als Ziel hat, man kann einfach mitfahren ohne sich viel Gedanken zu machen oder immer wieder wertvolle Körner für Führungsarbeit und Beschleunigung einzusetzen.

P1150590

Kurz hinter Elmen biegen wir dann links zum Hahntennjoch ab. Der Blick auf die recht lange Anfangsrampe ist beeindruckend. Die Labstation am Beginn der Rampe lasse ich aus, ich habe erst eine halbe Flasche Wasser getrunken und ein Gel gegessen. Ich bin vorsichtig mit der Nahrungsaufnahme, denn auf keinen Fall will ich wieder irgendwelche Probleme bekommen die mich schwächen. Ich hoffe aber, dass ich so trotz des mageren Frühstücks nicht in ein KH-Defizit fahre.

Es geht zunächst sehr gut am Berg. Ich bin in der Mitte einer Gruppe angekommen, von denen einige unten an der Verpflegungsstation gehalten haben, trotzdem überholt mich zunächst niemand und ich arbeite mich Fahrer um Fahrer langsam weiter nach vorne, bzw. nach oben.

P1150591

Die Leistung liegt im G2 Bereich, manchmal etwas darüber. Der Anstieg ist schon recht deftig, gerne um 11%. Das Schöne an dieser Auffahrt ist allerdings, dass es immer mal wieder flache Passagen gibt. So kann ich mich ganz gut erholen. Ich mache dann auch nicht wirklich Druck, sondern versuche wirklich etwas zu regenerieren. Noch bin ich etwas nervös wegen des linken Knies, aber das meldet sich nicht, alles ok.

P1150593 P1150594

So komme ich gut durch bis Boden, einer kleinen Häuseransammlung. Ab dort zieht die Steigung wieder an. Und zwar recht ordentlich. Noch geht es ganz gut, aber ich muss gegen die zweistelligen Steigungsprozente kämpfen. Jetzt lässt die Steigung auch nicht mehr nach, sondern es gilt „durchziehen“. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lange die Auffahrt von dieser Seite eigentlich ist. Ich muss jetzt ganz schön kämpfen. Auf dem Garmin kann ich immer mal wieder 13% ablesen, wie gut, dass mir heute der Wiegetritt uneingeschränkt zur Verfügung steht.

sportograf-69385507_lowres

Als wir durch Pfafflar fahren bin ich mir nicht sicher, ob nicht schon bald die Passhöhe kommt oder ob es noch lange so weitergeht. Aber die Hoffnung beginnt in mir zu leuchten, soo weit kann es jetzt doch gar nicht mehr sein. Nochmal geht es steil eine recht gerade Rampe hoch, doch dann, nach einer Kurve, zeichnet sich schon die Passhöhe ab. Wie geil, ohne Knieprobleme, ohne Stehenbleiben bin ich hochgekommen. Selbst die Zeit dürfte mit ca. 55 Minuten noch völlig ok sein.

P1150597

Ich freue mich auf die Abfahrt. Da kann man es eigentlich ordentlich laufen lassen, allerdings ist der Straßenbelag nicht immer gerade perfekt. Außerdem verliere ich etwas Zeit durch das Bremsproblem, aber ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt, wenn es auch das Erste ist was ich nach dem Rennen beheben muss.

So ist Imst recht flott erreicht. Schon etwas oberhalb von Imst beginnt die neutralisierte Zone. Wegen des Verkehrs und Vorgaben der Polizei wird hier die Zeitnehmung ausgesetzt. Keine schlechte Regelung, so kann man sich das Vorbeiquetschen an Autos und Wohnmobilen sparen und einfach mitrollen. Allerdings ist der Verkehr überschaubar, nur einen besonders langsamen Autofahrer müssen wir überholen, sonst rollt es schön bis zum Kreisel an dem die Labstation aufgebaut ist.

An der Verpflegungsstation fülle ich meine Flaschen mit Wasser und Powerbar Iso auf. Außerdem schnappe ich mir ein Käsebrötchen. Dabei lasse ich mir etwas Zeit. Aber nicht zu lange, denn ich will ja auf der nun folgenden Fahrt durch das Inntal möglichst nicht alleine fahren.

Vom Kreisel geht es erst mal noch etwas bergauf, ein Anstieg der mir noch vertraut ist, da ich mal aus versehen hier irgendwo im Berg ein Hotel gebucht hatte…

Ich fahre an drei andere Fahrer ran, von hinten kommen auch noch ein paar, so kann ich in einer soliden Gruppe bis zum Beginn des Anstiegs zur Pillerhöhe fahren. Noch immer merke ich den unteren Rücken etwas und das rechte Bein, aber ich kann gut mitarbeiten.

Heute scheint es also deutlich besser zu laufen als vor zwei Wochen auf der Platinrunde des Alpenbrevets. Nur vor der Pillerhöhe habe ich großen Respekt. Die soll von dieser Seite wirklich steile Passagen enthalten, und das macht mir wegen des linken Knies und meines Leistungsdefizits doch etwas Sorgen.

Mein Respekt ist nicht unbegründet wie ich sofort nach dem Abzweig nach Fließ feststellen kann. Mittlerweile ist es deutlich wärmer geworden. Und jetzt wird es richtig steil. Recht unnachgiebig zieht die Straße in Richtung Pillerhöhe. Meine Leistung bricht nicht so dramatisch ein wie in der Schweiz, aber ich kämpfe jetzt schon um die 230 Watt und die Trittfrequenz sinkt ab.

So kurbele ich mich langsam nach oben, dabei überholen mich jetzt doch immer mehr andere Fahrer und Fahrerrinnen. Manche von denen sind erst in Landeck gestartet und fahren die „kurze“ Distanz, aber das macht keinen Unterschied. Ich muss heftig kämpfen. In mir steigt das Bedürfnis auf stehen zu bleiben. Dagegen muss ich wirklich ankämpfen, ich will mir das wirklich nicht angewöhnen, dass ich jetzt immer wenn’s ein bisserl schwerer wird stehen bleibe. Das wäre wirklich ein fatales Signal.

Ich kämpfe lange dagegen an. Aber der Anstieg ist lang und steil. Und meine Power lässt nach. Ich will nur die Labstation erreichen, dann darf ich Pause machen. Ich versuche auf dem Rad zu bleiben. Die Trittfrequenz sinkt. Und sinkt. 53, das ist keine Trittfrequenz, das ist nicht mal ein vernünftiger Ruhepuls! Der Kopf wehrt sich, aber die Beine geben nach. 49, 47, es ist nur noch Gurkerei. 45 und dann ist Schluss, ich muss vom Rad, ich kriege einfach die Kurbel nicht mehr rum.
Ich steige ab und trinke eine viertel Flasche Iso. Hier ist etwas Schatten, kurz verschnaufen. Ein Mädel fährt an mir vorbei und ruft „Komm Guido, auf geht’s“. Das weckt mich etwas auf und nach einem weiteren Schluck aus der Flasche setze ich mich wieder auf’s Rad. Ich finde es immer schön wenn die Vornamen der Teilnehmer auf den Startnummern aufgedruckt sind, so kann man jeden mit Namen ansprechen und ggf. auch mal aufmuntern (Übrigens, danke Steffi :)

P1150599

Das ich überhaupt angehalten habe ärgert mich zwar etwas, aber es hat mir gut getan, und ich kurbele ganz solide weiter. Natürlich ist auch dieser Anstieg viel länger als erhofft, aber ich kann meine Kräfte beisammenhalten und muss nicht mehr vom Rad. Ich kann sogar immer mal die herrliche Aussicht genießen. Naja, kurz jedenfalls.

P1150600

Es ist schon etwas Quälerei, und mental bin ich dieses Jahr einfach nicht so stark. Aber ich komme an der Labstation auf der Pillerhöhe an. Und sooo viel habe ich jetzt auch nicht verloren.

An der Verpflegungsstation fülle ich beide Flaschen mit dem Powerstar Iso auf, esse etwas Obst und vor allem Brot, Wurst und Käse. Riegel gibt es hier leider keine, so stecke ich mir ein paar Waffeln ins Trikot.

P1150601

Die Abfahrt beginnt zunächst moderat, es geht sogar nochmal bergauf, ich mache mir schon sorgen, ob es nochmal richtig steil berghoch geht, dann führt die Straße aber sehr schön am Hang über dem Inntal bergab. Auch diese Abfahrt ist eine normal Alpenabfahrt, also nicht so dramatisch gefährlich wie in der Fahrerbesprechung angekündigt. Durch meine schlechte Vorderbremse ist für mich allerdings schon etwas mehr Vorsicht geboten. Zum Glück wird das Bremsverhalten mit der Zeit sogar etwas besser. Alles in allem hat mich das auf den Abfahrten bis jetzt aber sicher schon einige Minuten gekostet.

Auch nach dieser Abfahrt findet sich schnell eine Gruppe zusammen. Zunächst nur so vier, fünf Fahrer, die Gruppe läuft auch ganz gut. Dann wird die Gruppe größer und uneffektiver. Wir sammeln immer mehr Fahrer und kleine Gruppen ein, mit jedem Fang scheint die gesamte Gruppe langsamer zu werden. Es arbeitet zwar in mir, aber ich halte mich zurück. Ich will nur unbedingt das Zeitlimit in Laatsch für den Aufstieg zum Umbailpass und Stilfser Joch schaffen. Ob ich dann wirklich drüber komme sei mal dahingestellt. Aber das ist mein Ziel.

So rolle ich in der Gruppe mit und akzeptiere das Gewusel. Nur als einer abreißen lässt ackere ich mich nach vorne und schließe mich dem vorderen Teil der Gruppe an, bzw. zieht sich dann alles wieder zusammen. Trotz der unruhigen Gruppe genieße ich zwischendurch die schöne Landschaft. Bis jetzt war die ganze Strecke traumhaft schön, das gute Wetter tut sein Übriges. Alpentraum ist also durchaus eine passende Bezeichnung für das Rennen.

Wir fahren immer auf der „Dorfstraße“, die die Bundesstraße immer mal wieder kreuzt und vor allem recht wellig ist. An den kleinen Hügeln muss ich öfters ordentlich kämpfen um dran zu bleiben. Dann entspannt sich das Ganze etwas und es geht überwiegend abwärts. So fahren wir eine ganze Weile durch das Tal. Mittlerweile ist die Gruppe sehr groß und sehr langsam. Vorne fahren zwei Radler die sich gemütlich unterhalten.

Irgendwann reicht’s mir dann aber. Als ein ziemlich grell pink-blau gekleideter Radfahrer nach vorne fährt um etwas Tempo reinzubringen schließe ich mich an, aber nach wenigen Metern fahren wir alleine, die Gruppe kommt nicht mit. Gibt’s doch nicht. Egal, wir fahren zu zweit, wobei mein Mitstreiter die meiste Führungsarbeit macht, er fährt wohl lieber vorne?! Anyway, vielen Dank für den Windschatten.

Den braucht man hier auch wirklich, denn schon seit dem Hahntennjoch haben wir praktisch immer Gegenwind. Mal stärker mal schwächer, aber auf jeden Fall nervig. Kurz vor dem Abzweig zum nächsten Anstieg holt uns aber die große Gruppe wieder ein. Ich überlege kurz ob ich mich ärgern soll weil ich etwas Körner verschwendet habe, aber vielleicht hätte die Gruppe auch nicht beschleunigt wenn wir nicht vorgefahren wären, so hatten doch letztlich alle was davon…

Den Anstieg in Richtung Nauders hatte ich anders in Erinnerung, ich bin bis jetzt immer nur über die Bundesstraße gefahren (im Rahmen einer geführten Tour, eigentlich ist der Reschenpass kein attraktiver Radlerpass, nicht steil genug und zu wenig Verkehr), so dass ich etwas die Orientierung verliere. Aber auch diese Seite steigt moderat an. Trotzdem fällt mir das Bergauffahren schwer.

P1150604

Wieder trete ich nur im G1 Bereich. Ich kann zwar verhindern, dass die Leistung unter 200 Watt absinkt, was ein deutlicher Unterschied zu der Katastrophe von vor zwei Wochen ist, aber richtig Power habe ich nicht. Mir ist auch warm, obwohl es gerade mal 17° C hat.

Mein Kopf schreit schon wieder absteigen. Oje, wenn’s an diesem Pässchen schon so weit ist, wird der Rest wirklich hart. Und die 15:30 Uhr Marke für Laatsch schwebt ja auch noch im Raum. Ich versuche mich zusammenzureißen, aber es fällt schwer. Eigentlich ist alles ok, ich fahre nicht mal im kleinsten Gang, trotzdem fällt es mir einfach schwer. Nach ein paar Kilometern bleibe ich stehen. Trinken, durchschnaufen, weiterfahren.

Jetzt geht es etwas besser. Es wird auch zunehmend kühler. Ich frage mich nur, wann die Serpentinen nach Nauders hoch kommen. Dann zeichnet sich die Passhöhe ab, aber wir sind ja noch nicht mal in Nauders. Es wird wieder schwerer. Irgendwie wünsche ich mir, dass Andrea und Jörg, die ja in Nauders fast so zu Hause sind wie im Westerwald, da oben stehen und mich anfeuern, das hat beim ersten Ötzi so gut getan, als sie da mit Maj-Britt am Timmelsjoch standen und nochmal die letzten Kräfte in mir frei gesetzt haben mit ihrer Unterstützung. Aber das wird natürlich nicht so sein.

Mittlerweile habe ich den höchsten Punkt erreicht, das ist die Norbertshöhe. Jetzt geht es nach kurzer Abfahrt erst mal durch Nauders. Es ist richtig kalt hier oben und windig. Herrlich, trotz kurz/kurz kann es mir gar nicht kalt genug sein, unter zehn Grad fühle ich mich erst halbwegs brauchbar. Meinem Wunsch wird entsprochen ;)

P1150605

Nach kurzer Fahrt durch den Ort ist die Verpflegungsstation erreicht. Ich lege mein Fahrrad an die Seite und futtere mich durch das Angebot, inkl. „Nudelsuppe Bolognese“. Außerdem fülle ich die Flaschen mit Iso auf. Das schmeckt heute richtig gut. Vier halbe Riegel stecke ich mir auch noch ein.

Weiter geht es auf einem Fahrradweg. So hundert Meter vor mir sind zwei, drei vereinzelte Fahrer, hinter mir kommt erst mal niemand. So fahre ich alleine gegen den jetzt recht heftigen Gegenwind.

P1150606

Ich hole die Fahrer vor mir zwar ein, aber keiner hängt sich dran, so fahre ich alleine weiter. Ich sehe von hinten auch nix kommen, so dass es keinen Sinn macht zu warten. Dann biegt der Fahrradweg auf die Bundesstraße ein. Die Polizei unterstützt uns und hält die Autofahrer an, so dass wir gefahrlos auf die Straße in Richtung Reschen einbiegen können. Jetzt habe ich die Orientierung wieder.

P1150609

Leider kommt immer noch keine Gruppe und vor mir ist auch nichts zu sehen. So fahre ich alleine am Reschensee entlang. Der Wind peitsch ordentlich von vorne, der See ist recht aufgewühlt und die Kitesurfer freuen sich. Ich finde es gerade nicht so lustig. Ich fahre etwas grummelnd vor mich hin, als dann endlich doch eine Gruppe von hinten kommt. Ich hatte auch nicht zu viel Gas gegeben, macht eh keinen Sinn.

So rollen wir am See entlang in Richtung Vinschgau. Die Beine haben sich ganz gut erholt, die Probleme im unteren Rücken und rechten Bein haben sich tatsächlich „ausgefahren“. Vor allem aber hatte ich noch keinerlei Knie- oder Oberschenkelbeschwerden im linken Bein. So hatte ich mir das gewünscht. Das Zeitlimit für den Aufstieg über den Umbrailpass sollte ich auch locker schaffen. Ich bin zwar jetzt eher am Ende des Hauptfeldes, aber noch über eine Stunde vor dem Timecut.

Ich überlege aber trotzdem ob ich nicht lieber die Umfahrung nehmen soll und eben nicht über das Stilfser Joch fahren soll. Ich fahre schon ziemlich schwach bergauf, und der Umbrail ist heftig. Mir ging es ja irgendwie hauptsächlich darum, dass Zeitlimit zu schaffen um mich entscheiden zu können.

Die Abfahrt ins Vinschgau ist geil. Diese riesige Talstufe fand ich schon bei meinem allerersten Besuch 2009 faszinierend. Außerdem ist es herrlich zu fahren mit sanften Kurven, so dass man die Bremsen kaum braucht und einfach ins Tal sausen kann.

Eine gute Stunde vor dem Zeitlimit ist Laatsch erreicht. Es gibt keine Streckenauswahl, es werden wohl nur die Fahrer umgeleitet die nach 15:30 Uhr dort ankommen. Also geht es in den langen Aufstieg in Richtung Stilfser Joch.

Denn schon nach kurzer Zeit steigt die Straße an, und man fährt, immer mit soliden Steigungsprozenten auf dem Radcomputer, den langen Weg durch das Münstair Tal in Richtung Santa Maria wo der Beginn des Umbrailpasses liegt.

P1150610

Hier ist es jetzt wieder ordentlich warm. Deutlich über 20° C. Aber nun komme ich besser damit zurecht. Die Beine funktionieren wieder ganz gut und ich kann die lange Steigung mit ca. 250 Watt bestreiten, was mir die Möglichkeit gibt zu dosieren und mit vernünftiger Trittfrequenz zu fahren. Ich fahre die meiste Zeit alleine, ein paar wenige Fahrer fahren weit verstreut auseinander. Das heißt ich bin wirklich ziemlich am Ende des Hauptfeldes, allerdings komme ich vorne denen näher und hinten die fallen zurück, auch ein Zeichen das es jetzt wieder besser geht.

P1150613

Nach einer Weile lässt die Steigung nach und es geht teils flach, teils moderat ansteigend durch einige Ortschaften. Da spricht ein anderer Fahrer mich an ob ich das mit dem steilberghoch.com Blog wäre. Offensichtlich liest er meine Bericht ab und zu. Cool, freut mich immer wenn den Leuten meine Berichte gefallen.

Kurz vor Santa Maria biegt die Strecke links in einen richtig steilen Feldweg. So richtig steil. Ich muss ganz schön ochsen, und komme gerade so hoch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir nicht die Standardstrecke durch das Dorf fahren.

Anyway, nach ein paar hundert Metern kommt die Verpflegungsstation. Nochmal fülle ich die Flaschen auf und esse noch ein bisschen was. Die Riegel hatte ich noch gar nicht angerührt, aber die kann ich sicher auf dem nun folgenden schweren Anstieg gebrauchen.

Zunächst geht es mal recht gerade eine steile Rampe hoch, bevor es über Serpentinen aus den Wiesen in den bewaldeten Abschnitt geht. Die Beine funktionieren. Zwar ist es sehr anstrengend, aber ich fühle mich ganz brauchbar. Ich habe auch genug Power um die Trittfrequenz in angenehmen Bereichen zu halten. Ich schätze mal der gesamte Anstieg bis auf die Passhöhe des Stilfser Joch dürfte so um 20 Kilometer liegen. Eigentlich ein normaler Alpenpass, aber für mich nach den letzten Wochen eine unvorstellbar lange Bergaufstrecke.

P1150614 P1150615

Es folgt Serpentinengruppe auf Serpentinengruppe. Die Temperatur ist angenehm, aber die Steigung lässt selten nach und dann auch nur wenig. So wird es natürlich mit jedem Höhenmeter anstrengender. Die Kilometer vergehen überhaupt nicht. Ich schaue auf den Tacho, fahre und fahre und fahre, und schaue wieder auf den Tacho und da steht noch genau das Gleiche. Verdammt hat der Radcomputer das GPS-Signal verloren?

Nein, nach weiteren, gefühlt unendlich vielen Kurbelumdrehungen, springt die Anzeige endlich einen Kilometer weiter.

Die Temperatur sinkt. Es ist jetzt wirklich frisch. Die Beine jammern etwas, aber treten trotzdem weiter brav um 250 Watt. Ich denke vor mich hin und muss feststellen, dass es gut ist nicht abgesagt zu haben. Nach dem desaströsen Erlebnis beim Alpenbrevet tut es mir gut nochmal was „normales“ zu erleben. Normal im Sinne von „es ist sauanstrengend, weil es eben lang und steil ist, aber eben auch nur das und nicht mehr“. Aber eben auch nicht weniger, ich muss ganz schön kämpfen.

Die Straße führt aus dem Wald heraus, nachdem man eine Brücke überquert geht es recht lange eher gerade, aber genauso steil, berghoch.

P1150616

Das Stück Naturstraße, dass ich beim letzten Mal noch gefahren bin gibt es nicht mehr, jetzt ist alles geteert. Offenbar wurde der Pass insgesamt etwas ausgebaut, was sich auch in deutlich gesteigertem Verkehrsaufkommen bemerkbar macht. Immer mal wieder zerreißt ein kreischendes Motorrad die Stille. Ich glaube alle die sich gerade hier im Pass und den umliegenden Bergen befinden denken dasselbe darüber außer dem Motorradfahrer selbst. But anyway, ich genieße trotz der Anstrengung die geile Landschaft.

Auch wenn es schwerer und schwerer fällt. Denn die jetzt folgende Serpentinengruppe ist noch weit von der Passhöhe entfernt. Immer wieder hat man den Eindruck jetzt müsste man doch bald oben sein, nur um einzusehen, dass es noch etliche Höhenmeter, Serpentinen und Kilometer zu bewältigen gilt. Obwohl ich den Pass schon mal gefahren bin geht es mir so.

P1150618

Mittlerweile bin ich zehn Kilometer gefahren, also ungefährt die Hälfte? Oje, ich müsste ja nochmal so lange fahren bis ich oben bin…

Kurbeln, kurbeln, zum Glück aber kann ich das Gefühl absteigen zu wollen unterdrücken. Es ist jetzt wirklich sehr kalt und der Wind bläst wieder heftiger entgegen. Als ob die Steigung hier am Umbrailpass alleine nicht genug wäre. Mittlerweile bietet sich ein herrlicher Blick zurück ins Tal, aber bis oben ist es noch weit.

P1150620

Nochmal eine Serpentinengruppe und dann nochmal eine mehr als gedacht. Und dann geht es immer noch weiter, das gibt’s doch nicht, hört das verdammte Ding den überhaupt nicht auf?

P1150621

Aber schließlich zeichnet sich die Passhöhe ab. So ca. 13, 14 Kilometer sind es wohl bis hierher gewesen. Die Straße flacht ab, am Passschild vorbei geht es zur Verpflegungsstation. Der Blick auf die schneebedeckte Passhöhe des Stilfser Joch ist beeindruckend, so wie der Blick auf den Teil der Strecke der bis dorthin noch zu bewältigen ist.

P1150623

Ich fülle die Flaschen nochmal auf, ich habe immer noch die vier halben Riegel, dass dürfte wohl reichen bis Sulden. Allerdings soll der Schlussanstieg nochmal heftig sein. Ich finde, man hätte hier jetzt schön hinunter fahren können nach Bormio, als Belohnung für die ganze Anstrengung eine tolle Abfahrt ins Ziel. Aber es sollten wohl einfach mehr Höhenmeter als beim Ötzi sein, so haben wir noch einen Anstieg vor uns. Eigentlich noch zwei.

Es ist nur wenig über Null Grad hier hoben, der kalte Wind bläst heftig, so setze ich mich wieder auf’s Rad und fahre vorbei an den Schuppen die mir bei dem Hagel- und Schneesturm 2011 Unterschlupf geboten hatten.

Heute ist die Strecke schneefrei und trocken. Es hat etwas Gegenwind, aber je höher man kommt, desto mehr nimmt er ab. Interessant, ist mir aber nur recht. Der Schlussanstieg bis zur Stilfser Joch Passhöhe geht erstaunlich gut. Es sind nur drei Kilometer, da hatte ich mich zum Glück etwas verschätzt.

P1150624

Die letzten Meter zur Passhöhe fühlen sich gut an. Oben mache ich noch ein Foto und ziehe erstmals für heute die Weste zum Schutz vor Wind und Kälte an. Dann geht es in die lange Abfahrt durch die 48 Kehren der Stilfser Joch Nordseite hinunter nach Gomagoi.

Der Belag ist oben teils ziemlich vom Frost angegriffen, außerdem schlafen mir die Finger ein. Links kann ich bald kaum noch bremsen vor Kälte und Taubheit der Finger. Das rechte Knie schmerzt etwas so im Bereich Patellasehne. Links ist nach wie vor alles ok.

Die Abfahrt zieht sich sehr. Ich fahre ziemlich alleine, ich überhole zwei Fahrer und zwei Fahrer überholen mich, sonst heißt es einfach auf der Strecke bleiben. Durch die vielen Serpentinen muss man immer wieder antreten um Geschwindigkeit aufzunehmen. Das entspannt sich erst im unteren Teil.

Unten wird es auch etwas wärmer, aber ich bin an den Händen und am Kopf ganz schön kalt. Die Abfahrt zieht sich, aber als Gomagoi erreicht ist fühle ich mich eigentlich ganz wohl. Ich nehme den Abzweig nach Sulden, hineingewunken von freundlichen Helfern, die sicher schon ganz schön lange hier stehen.

Es geht erst mal ordentlich berghoch, dann aber flacht die Straße ab. Die letzte Verpflegungsstation fahre ich nicht mehr an, denn die Flaschen sind noch fast voll, immer noch habe ich die vier halben Powerbarriegel und sonst brauche ich nichts mehr. Im Augenwinkel nehme ich ein Schild war auf dem „noch 12“ draufsteht. Ich bin etwas unsicher ob die Strecke nun 252 oder 256 Kilometerlang ist. Wenn ich jetzt noch 12 Kilometer fahre komme ich auf 255. Hm, ich bin etwas verwirrt, außerdem sind es laut Garmin noch fast 900 Höhenmeter, ich hoffe einfach nur, dass das Teil die bisher gefahrenen Höhenmeter unterschätzt hat…

Ich halte nochmal kurz am Straßenrand an um die Weste auszuziehen, dann nehme ich den Schlussanstieg in Angriff.

Kurz geht es noch moderat aufwärts, dann zieht Steigung an. Wie angekündigt wird es wirklich nochmal steil, ich hoffe einfach, dass ich den Rest jetzt auch noch durchstehe.

Ich komme eigentlich relativ gut voran, kann sogar ein paar Fahrer einholen. Eine Radlerin schiebt ihr Rad, ich versuche ihr was aufmunterndes zuzurufen, aber sie reagiert nicht. Aber sie kommt sicherlich auf jeden Fall ins Ziel. Das ist es auch was ich mir erhoffe.

In einem kleinen Tunnel geht es recht steil bergauf, danach flacht die Straße aber immer mal wieder etwas ab. Und so geht es weiter, dass die Steigung immer mal zunimmt, teils so, dass man ordentlich kämpfen muss, dann aber wieder abflacht.

P1150628 P1150629

Psychologisch ist es für mich immer am besten wenn man mir vorher erzählt, dass ein Anstieg unglaublich steil und böse ist und die Straßenführung dann aber gar nicht so schlimm ist. Genau das ist hier der Fall. Vor allem gegen Ende ist die Straße erstaunlich flach.

P1150633

Noch fürchte ich, dass irgendwas böses noch kommt, weil ich mir nicht sicher mit den noch zu fahrenden Kilometern bin, aber nach einem Abzweig fährt man schon auf Sulden zu, und ich weiß jetzt, dass das heute ein ganz ordentlicher Tag wird.

Ich überhole zwei Radler, die überholen mich wieder. Immer noch bin ich etwas misstrauisch ob noch was fieses kommt, aber dann steht da tatsächlich schon das 1000 Meter Schild. Wie geil. Es sind also 252 Kilometer.

Ich ziehe einen richtigen Schlussspurt an gebe nochmal alles was ich habe. Ich überhole die zwei wieder und rase durch Sulden, dann ein letzter Rechtsknick und das Ziel kommt in Sicht.

Fast hätte mich nochmal ein von rechts kommendes Auto abgeräumt, aber alles geht gut, und dann ist das Ziel erreicht! Über zwölf Stunden saß ich auf dem Rad, aber es war wirklich sehr geil. Die zwei Schwächemomente in der Auffahrt zur Pillerhöhe und am Anstieg zur Norbertshöhe sind vergessen. Und dunkel ist es auch noch nicht…

sportograf-69375991_lowres



from WordPress http://ift.tt/1Qk1KfU
via IFTTT

Freitag, 11. September 2015

Alpentraum 2015 – vor dem Rennen

Lange musste ich mit mir kämpfen, aber schließlich habe ich nicht abgesagt und habe mir die Startunterlagen für den Endura-Alpentraum abgeholt.

Ein harter Radmarathon mit über 6000 Höhenmetern auf gut 250 Kilometern.

Eigentlich ist das kein Rennen was mich besonders gereizt hat. Logistisch ist es sehr aufwändig, da der Start- und der Zielort weit auseinanderliegen. D.h. Rücktransfer mit dem Bus, Stress vor dem Start mit Auto unterbringen usw., schwierige Zimmersuche (da man das Rad für den Rücktransport schon quasi im Ziel abgeben muss ist man auf Sulden als Übernachtungsort festgelegt, und das ist sehr klein), und letztlich ist man von der propagierten Alpenüberquerung doch recht weit entfernt, da fehlen ja nochmal so 100 Kilometer… Ich hattte mich aber angemeldet, da ich vielleicht einen Bericht dazu veröffentlichen kann.

Anyway, trotz des Desasters vor zwei Wochen in der Schweiz, als ich gerade noch vor Zielschluss des Alpenbrevets ankam, bin ich jetzt hier in Sonthofen.

Mir ist zwar klar, dass ich völlig außer Form bin und ein ordentliches Trainingsdefizit mit mir rumschleppe, aber ich hoffe, dass es mir wenigstens nicht so schlecht geht wie auf der Platinrunde. Wenn der Magen mich in Ruhe lässt und vor allem das Knie wenigstens bis zum Umbrailpass nicht böse schmerzt, dann hoffe ich am Ende des Hauptfeldes einigermaßen vor dem Zeitlimit mitzuschwimmen. (die Limits werden hier auf die Sekunde genau durchgesetzt)

Um meine Knie zu schonen und mich heute trotzdem etwas einzufahren habe ich zu einer recht ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen und mir an der Touristinfo in Sonthofen ein Elektrorad geliehen. So konnte ich die Belastung gut steuern trotz der vielen steilen Anstiege. (War mit 11,- EUR für einen halben Tag recht fair bepreist.)

IMG_2184 IMG_2191 IMG_2195 IMG_2197

Es hat Spaß gemacht so dreißig Kilometerchen mit dem Elektrobrummer durch die Gegend zu radeln. Mehr Allgäu als hier geht eigentlich kaum. Auch wenn das nicht ganz so mein Terrain ist, vielleicht eher für Familienurlaub mit kleinen Kindern, habe ich doch das eine oder andere Landschaftsidyll mit der Handykamera eingefangen.

Sonthofen selbst ist vorsichtig ausgedrückt optisch nicht wirklich attraktiv, aber Gelegenheit einen Milchcafe in der Sonne zu genießen gab’s reichlich. Die Leute sind hier auffallend freundlich, auch die vom Orgateam bei der Startnummernausgabe.

Die Fahrerbesprechung war etwas düster, es ging gleich los mit allen möglichen Verboten und Warnungen und das blieb die ganze Besprechung so. Ich kann ja nachvollziehen, dass in der Fahrerbesprechung hautpsächlich die Gefahrenstellen und ähnliches dargestellt werden, aber ein bisschen was positives kann man doch zu seiner Veranstaltung sagen?! Letztlich geht es doch um den Spaß, hier hörte sich das an, als sei unsere Hauptaufgabe zu verhindern, dass dies der letzte Alpentraum ist und als ob alle Teilnehmer potentielle Fieslinge sind.

IMG_2210

Ich habe mir jedenfalls die Timecuts genau gemerkt, denn es wurde mehrfach betont, wenn man nur eine Sekunde nach einem Zeitlimit die Linie überfährt wird man definitiv aus dem Rennen genommen.

Naja, ich werde morgen immer mit dem Ziel „nächste Verpflegungsstation“ auf der Strecke unterwegs sein. Ich habe lange mit Björn meinem Trainer telefoniert und ich gehe ohne jedes Ziel in dieses Rennen, außer eben durchzukommen. Das wird sicher schwierig, aber wenn das Knie hält ist’s möglich. Es fällt mir nicht ganz leicht mir keine Zielzeit zu setzen und Zeiten für die Anstiege auszurechnen oder Leistungsvorgaben für bestimmte Streckenabschnitte festzulegen usw., aber ich habe mich heute ganz gut zurückgehalten und werde das morgen zunächst auch tun.

Das Sponser Competiton habe ich entsorgt, ich starte erst mal mit Wasser und Sponser Recovery, einfach weil ich das noch habe und dann werde ich an den Labstationen nehmen was es gibt.

Das Wetter soll theoretisch passen, das sind aber die Alpen, wir werden sehen :)



from WordPress http://ift.tt/1OjvECh
via IFTTT

Dienstag, 8. September 2015

Alpenbrevet 2015 platin – das Rennen

Start zum Alpenbrevet ist 6:45 Uhr, d.h. die Nacht ist kurz. Sehr kurz. Um 4:20 Uhr werde ich wach. Um Viertel nach fünf sitzen wir beim Frühstück. Ich gönne mir etwas Birchermüsli, das gibt es in Schweizer Hotels häufig zum Frühstück, immerhin ein Trost, den man auch braucht wenn man die deftigen Übernachtungspreise hier bedenkt.

Aber das ist mir jetzt natürlich schnuppe. Vom Zimmerbalkon aus kann ich die Startzone sehen. So kann ich schon die ersten Einzelstarter sehen während ich mich noch in die Radklamotten werfe. (eine Besonderheit des Alpenbrevets, wer keine Lust auf einen Start mit tausenden von anderen Radfahrern hat, weil er sich unsicher fühlt, der kann einzel vor dem Feld starten).

Dann muss ich aber mein Fahrrad schnappen und zum Start fahren. Katrin ist schon längst mit dem Auto auf dem Weg zur Grimsel Passhöhe. Ich hoffe, dass ich in ungefähr 1:50 h dort meine Trinkflaschen von ihr bekomme. Mal schauen was so ohne echte Vorbereitung geht. Vielleicht ist es aber auch arrogant zu denken, dass ich mit zwei Monaten Trainingspause hier tatsächlich was reißen kann? Aber ohne Ziel brauche ich ja auch gar nicht erst antreten. Also bleibe ich dabei, dass ich es in elf Stunden schaffen will.

Am Start sortiert man sich freiwillig in den Startabschnitt mit der passenden Durchschnittsgeschwindigkeit ein. 24 km/h ist der schnellste Startblock, ich muss ja noch etwas flotter fahren. Also ganz nach vorne. Allerdings ist es da schon recht voll.

P1150424 P1150425

Es dauert auch nicht mehr lange, dann beginnt der Countdown und das Feld jagt in Richtung Grimsel. 2011 habe ich versucht möglichst lange an der Spitzengruppe dranzubleiben. Da bin ich als 34. über den Grimsel gekommen und am Nufenen war ich noch 43. bevor ich am Lukmanier mit einem ordentlichen Hungerast eingebrochen bin.

Heute will ich es etwas verhaltener angehen, mit der Spitzengruppe werde ich nix am Hut haben, mein Ziel ist es eher gleichmäßig zu fahren und Anfangs nicht zu sehr in den Spitzenbereich zu kommen. Dementsprechend ist die vordere Gruppe recht schnell einige hundert Meter vorne.

Ich komme aber ganz gut über den ersten kleinen Anstieg in Richtung Innertkirchen und auch die erste kleine Miniabfahrt in den Ort hinein läuft gut. Ich versuche immer ein Hinterrad zu haben, was mir auch recht gut gelingt, nur einmal muss ich eine kleine Vierergruppe etwas beschleunigen und im Wind arbeiten, aber dann kommt auch schon eine größere Gruppe von hinten. Lange profitiere ich aber nicht davon, denn jetzt zieht die Steigung erstmals an und jeder kämpft gegen den Berg.

Die ersten Schlucke von meinem Iso-/KH-Getränk schmecken widerlich. Der Berg ist aber noch nicht widerlich ich glaube das kommt erst am Nufenen wo wir ja die fiese Seite von Ulrichen aus hochfahren.

Es gelingt mir zunächst ganz gut in den immer wieder abflachenden Teilen des Grimselpasses an anderen Fahrern dranzubleiben, aber mit jedem steileren Abschnitt fällt es mir schwerer. Ich merke jetzt, dass ich weit von irgendsowas wie „Form“ entfernt bin. Auch ist es so, dass ich kaum mal jemanden überhole, aber ich eigentlich permanent überholt werde, allerdings eher von einzelnen Fahrern.

P1150427

Das Competition schmeckt immer noch widerlich. Ich quetsche es aber trotzdem in mich rein. Außerdem nehme ich noch ein Gel nach dem letzten Ort, diesmal möchte ich keinesfalls ein KH-Defizit aufbauen. Das sollte mir mit Hilfe von Katrins Unterstützung auch problemlos gelingen.

Der Grimselpass ist schon recht lange. Allerdings kenne ich ihn auch ganz gut, so dass ich nicht davon überrascht werde. Die erste Umfahrung ignorieren wir und fahren durch den Tunnel, bei der zweiten fahren wir aber die Radlerumleitung. Ist ja auch ein sehr schöner Streckenabschnitt mit Felsüberhängen und der engen Schlucht. Hier bin ich aber schon recht langsam. Irgendwie geht es mir nicht so richtig gut. Es rumpelt etwas im Bauch. Aber alles noch im Rahmen, das gibt sich schon wieder.

Die Serpentinen hoch zur ersten Staustufe gehen noch, auch wenn es jetzt manchmal etwas unangenehmen Gegenwind gibt. Sonst ist das Wetter traumhaft. Schon am Start waren es 15° C, fast schon zu warm. Wobei es hier oben jetzt auch wieder kühler wird.

Im ersten Flachabschnitt am Stausee entlang fahre ich hinter einem langsamen Radfahrer aber ich habe nicht die Power selbst Tempo zu machen. So verschenke ich etwas Zeit, aber besser als sein Pulver zu verschießen.

Wenn man den Grimselpass das erste mal fährt, hat man an dieser Stelle schon das Gefühl, dass man es bald geschafft hat, aber das täuscht gewaltig, es gibt noch einige Serpentinengruppen zu überwinden und die haben auch eine solide Steigung.

Ich hoffe trotzdem, dass es bald vorbei ist, auch wenn ich weiß was noch auf mich zukommt. Zweite Staustufe und wieder etwas flache Strecke, wieder fahre ich langsamer als ich sollte um etwas Windschatten zu genießen.

Die kommenden Serpentinen fallen mir schwer. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Fahrer mich überholen. Und nach wie vor überhole ich kaum mal jemanden. Ich habe meine Flaschen zwar einigermaßen geleert, aber so scheußlich hat das Zeug noch nie geschmeckt. Hoffentlich bessert sich das mit der Zeit. Egal, ich kämpfe mich die Strecke regelrecht hoch, weil ich wirklich nix drauf habe heute. Dann sehe ich endlich Katrin da stehen. Ich nehme zwei Flaschen auf, Competition und Ensure. Vielleicht hilft mir ja das.

5417864_orig

Dann ist die Passhöhe erreicht. Ich fahre trotz Privatversorgung durch die Labstation, da ich mir nicht sicher bin wo die Zwischenzeitmessung erfolgt. Die ist diesmal erst am Ende der Passhöhe. Die flachen vierhundert Meter oben tun gut, Jacke brauche ich keine, und ich hoffe mich in der Abfahrt zu erholen.

Die Abfahrt läuft auch ok, kurz muss ich an der Baustellenampel halten, aber sonst komme ich ohne Probleme nach Gletsch. Allerdings bin ich unten erst mal alleine. Blöd, hier wäre eine Gruppe ganz gut. Aber schnell wird es auch wieder steiler, so dass es egal ist. Im Laufe der Abfahrt sammeln sich auch mehrere Fahrer, so dass wir zunächst eine Gruppe bilden.

Mir geht es nicht so richtig gut, es rumpelt im Bauch, aber jetzt bin ich erstmal mit der Gruppe beschäftigt. Ich hänge an einem Hinterrad und merke aber nicht wie der Vordermann abreißen lässt. Verdammt, ich sprinte vorbei und will wieder Anschluss an die Gruppe finden, da durchfährt mich ein stechender Schmerz im rechten Oberschenkel, vom Knie bis zur Hüfte, ein heftiger Krampf durchzieht den Muskel. Das gibt’s doch nicht, hatte ich ja noch nie! Oberschenkelkrämpfe? Ich erinnere mich an Kelheim, da hatte ich das, aber eher im linken Bein, da bin ich erstmals die Look Pedale gefahren, diesmal das zweite mal die Lookpedale, das erste mal am Cannondale SuperSix Evo. Reagiere ich wirklich so empfindlich auf die Umstellung des Pedalsystems?

Ich versuche das irgendwie in den Griff zu bekommen, die Gruppe ist natürlich weg und es tut richtig weh. Normalerweise hilft nur draufhalten, aber es tut wirklich sehr weh und ich muss etwas jammern auf dem Rad. Und gleich kommt auch noch der verdammte Nufenen. Der ist auch fit schon ein echtes Miststück.

So gurke ich nach Ulrichen. Schaffe es allerdings den rechten Oberschenkel in den Griff zu bekommen. Nur bin ich ohne Gruppe langsam unterwegs und bin froh, dass es jetzt erst mal bergauf geht. Ich kann mich erinnern, dass recht früh ein ziemlich steiler Abschnitt kommt, so ist es auch. Der Oberschenkel muckt zwar mal, aber es geht.

Als es dann nach gefühlt unendlich langem Anstieg endlich mal etwas flacher wird schaffe ich es sogar nochmal ein Foto zu machen.

P1150432

Allerdings geht es mir elend. Ich bin eigentlich davon ausgegangen den unangenehmen Nufenen in knapp zwei Stunden zu fahren. Aber gerade bezweifle ich, dass ich überhaupt hochkomme. Mir ist schlecht, ich müsste eigentlich eine Toilettenpause machen. Oje, das wird ja ein Katastrophentag.

Mittlerweile ist es richtig warm und ich bin froh, als die Straße die Talseite wechselt und wir endlich im Schatten fahren. Allerdings bin ich total am Ende, ich will nur noch absteigen. Ich wehre mich eine Weile dagegen, aber dann ist es vorbei, mir ist schlecht, ich habe Durchfall und Power habe ich sowieso keine. Ich steige ab und stelle mich an den Straßenrand. Hier ist nirgends ein Gasthaus oder so, ich muss mich mit „Atemtechnik“ beherrschen. Ich lehne mich über das Rad und finde eine Position in der ich mich halbwegs wohl fühle. Schon mitten im zweiten Pass am Ende!

Ich weiß nicht wo Katrin mit dem Auto steht. Ich steige auf und fahre weiter, mir ist schlecht. Mit einer 65er Trittfrequenz gurke ich vorwärts. Ungefähr einen Kilometer, dann sehe ich das Auto und Katrin am Straßenrand stehen. Ich halte wieder an, jammere ein bisschen und fahre dann weiter. Meine Motivation oben anzukommen ist das Gasthaus auf der Passhöhe und der Gedanke an die Toilette dort. Aber der Nufenen ist steil und zieht sich.

Ich schaffe es in die Serpentinen, mittlerweile überholen mich scharenweise Radfahrer. Ich könnte kotzen, deswegen und wegen des Grummelns im Bauch sowieso. Serpentine für Serpentine schleppe ich mich nach oben. Jetzt kommen auch noch Schmerzen im unteren Rücken hinzu. Das hatte ich das letze mal als ich meinen allerersten Alpenpass (das Stilfser Joch) hochgefahren bin. Da saß ich allerdings auch erstmals so richtig auf dem Rennrad…
Keinen Meter habe ich mal das Gefühl, dass es irgendwie besser wird. Katrin steht nochmal am Straßenrand, aber ich kann eh nicht viel von meiner Nahrung aufnehmen, auch wenn ich mich zwinge den ein oder anderen Schluck zu nehmen. Irgendwie kriege ich das mit dem Magen/Darm etwas in den Griff, ich hoffen nur, dass ich es bis obenhin schaffe.

5439897_orig

Kurz vor der Passhöhe halte ich nochmal am Auto an. Ich werde auf jeden Fall versuchen die 11:15 Uhr Marke zu schaffen und auf die Platinstrecke abbiegen. Auf gar keinen Fall will ich das Kopfsteinpflaster vom Gotthardpass auf der Goldstrecke fahren, das wäre mein Ende.

Ich schaffe es auf die Passhöhe und fahre direkt in die Abfahrt. Die Toilette im Gasthaus kann ich nicht nutzen, dann schaffe ich das Zeitlimit auf gar keinen Fall. Ich nehme mir vor unten an der großen Labstation alles zu erledigen.

Die Abfahrt ist elend. Mir tut alles weh, die Hände, der Bauch, der Rücken, und ich habe Krämpfe in den Oberschenkeln ohne Ende. Mit jedem Kilometer wird es schlimmer und die Abfahrt ist sehr lange…
Die letzten Kilometer vor Airolo jammere ich ohne Ende auf dem Fahrrad, die Beine (mittlerweile beide) schmerzen ohne Ende, es sticht in der Hüfte, ich glaube ich muss aufgeben. Sobald es abflacht und ich auch nur ein bisschen mittreten muss ist es die Hölle. Ich will nicht aufgeben, aber lange geht das nicht mehr. Ich werde wahrscheinlich sowieso die Zeit nicht schaffen, ich brauche auch unbedingt eine Toilette, unbedingt.

Es ist schon 11:05 Uhr, ich schaffe es irgendwie an einem Fahrer dranzubleiben der mich überholt hat, immer wieder mal muss ich etwas jammern, wenn ich treten muss und das linke Bein unten und das recht oben ist, dann sind die Krämpfe heftig. Mein Jammern irritiert den anderen offensichtlich, mir ist es total peinlich, aber nur so halte ich es aus, das hilft einfach sehr.

Wir kommen aber tatsächlich in Airolo an, um 11:08 Uhr! Ich habe es vor dem Timecut geschafft und kann auf die Platinstrecke abbiegen. Puh, zum Glück bleibt mir der Gotthardpass erspart.

Ich halte nicht an, mein Bauch rumort, aber ich habe es (hoffentlich) im Griff. Hier halten wäre Mist, ich bin bei den letzten die noch auf die Platinstrecke abbiegen, wenn ich jetzt eine Toilettenpause mache, fahre ich die ganze restliche Strecke komplett alleine! Außerdem gab es an der Verpflegungsstation keine Toiletten.

Ich fahre ein ganzes Stück alleine, die Krämpfe haben sich gelegt, nur ab und zu sticht es etwas, wenn ich gleichmäßig trete und mich konzentriere habe ich es im Griff. Ich fahre sogar an einen anderen Fahrer langsam heran, da kommt von hinten eine langsame Gruppe der ich mich anschließe und dann noch eine schnellere, der wir uns komplett anschließen, so das eine recht große Gruppe unterwegs ist. Die Gruppe läuft nur mittelgut ist aber trotzdem recht flott, das Gelände passt einfach und man kann immer wieder die Gruppe zusammenziehen. Zur Führungsarbeit gebe ich was geht, was recht wenig ist. Zweimal verliere ich den Vordermann an zweiter Position weil der im Wind erstmal richtig losprescht, allerdings kann ich in den steileren Bergabstücken immer wieder ranfahren. Eine schweizer Radlerin versucht die Gruppe etwas zusammenzuhalten und kommandiert ganz gut wenn vorne einer in der Führung lospowert statt einfach das Tempo gleichmäßig hoch zu halten in der Gruppe.

Einmal verbremse ich mich heftig, vor mir fährt einer so seltsam bergab, so dass ich versuche ihn auf der letzten Rille zu überholen, dabei bremse ich eine Kehre mit einem kleinen Mäuerchen zu spät an und schaffe es gerade noch vor der Mauer stehen zu bleiben. Zwei Zentimeter weiter und ich wäre über die Mauer gegangen und ordentlich tief gestürzt. Aber ist ja alles gut gegangen.

Die Fahrt bis Biasca zieht sich, aber ich halte durch und komme mit der Gruppe an der Labstation an. Durch die Gruppe habe ich sogar etwas aufgeholt und bin nun wieder im (hinteren) Feld der Platinfahrer.

An der Labstation ist ein Gasthaus, das ich sofort ansteuere. Ich schaffe es gerade noch höflich zu fragen ob ich die Toilette benutzen darf, dann ist es vorbei mit „Atemtechnik“. Das war knapp…

Es dauert eine gute Viertelstunde bis ich wieder auf dem Rad sitze. Aber ich fahre nicht alleine durch Biasca, sondern in einer Vierergruppe. Wir unterhalten uns sogar ganz nett. Ich fühle mich nicht super, aber jetzt wenigstens halbwegs normal.

Der Anstieg zum Lukmanier ist zwar 50 Kilometer lang, steigt aber abzunächst nur moderat an. Durch die Unterhaltung hätte ich fast Katrin übersehen, die mir wieder Flaschen anreicht. Zunächst kann ich in der Vierergruppe bleiben, wir überholen sogar einige einzelne Fahrer. Dann kommen die ersten „Stufen“, kleine Abschnitte wo die Steigung etwas anzieht. Ich muss reißen lassen.

Ich fühle mich schon wieder schlecht. Eigentlich geht es im Bauch, ich habe auch keine Krämpfe mehr, aber ich bin total schlapp. Mittlerweile zeigt das Thermometer über 27° C. Und dann ist es plötzlich vorbei, Katrin steht am Straßenrand und ich schaffe es gerade noch bis dorthin und muss dann absteigen. Ich bin total am Ende. Der Lukmanier wird schon wieder so eine Qual. Ich habe zwar diesmal zu essen und zu trinken, aber ich bin trotzdem total platt. Ich will einfach nur liegen.

P1150434

Katrin redet mir gut zu und nach einer Weile fahre ich weiter. Es geht dann auch erst mal ganz gut, aber recht schnell fühlt es sich wieder elend an. Ich kann die eigentlich tolle Landschaft nicht genießen, erinnere mich aber an meine erste Auffahrt hier hinauf und an den Enthusiasmus der mich damals überkam.

Von Enthusiasmus ist jetzt nichts zu spüren, ich kurbele mit dem was ich habe vor mich hin und hoffe nur irgendwie, dass es endlich vorbei ist. Aber ich weiß wie lange dieser verdammte Pass ist. Noch sind es zwanzig Kilometer bis zur Passhöhe, es geht jetzt etwas steiler berghoch. Wieder steht Katrin am Straßenrand, ich nehme aber keine Flasche auf. Ich versuche mich etwas zusammenzureißen, schaffe aber es aber geradeso um die nächste Ecke, dann ist es wieder vorbei. Die Beine wollen nicht mehr treten, der Kopf ist leer, der will nur runter vom Rad. Und obwohl hier kein Schatten ist halte ich an, und lege mich am Straßenrad auf die Wiese. Gegenüber ist ein Brunnen, hier halten auch ein paar Fahrer, aber ich brauch diesmal kein Wasser, ich bin gut mit Getränken versorgt, aber ich habe heute einfach nichts, aber auch gar nichts drauf.

Ich kann mich aber erinnern, dass ich 2011 an genau diesem Brunnen auch angehalten habe. Am Lukmanier gibt es definitiv zu wenig Labstationen. Selbst die schnellsten brauchen hier über drei Stunden und am Fuß des Passes die Labstation ist nicht gut bestückt. Aber selbst mit zwei 1L Flaschen kommt man hier nicht bis oben hin, vor allem da es hier auch gerne mal recht warm ist.

Anyway, ich setze mich auf’s Rad und fahre weiter. Naja, fahren ist vielleicht das falsche Wort. Obwohl es hier nie brutal steil wird habe ich eine Trittfrequenz im 60er Bereich. Selbst wenn ich hier oben ankomme, wie soll ich dann wohl den Oberalppass oder gar den Sustenpass hochkommen?

Irgendwie hatte ich mir zwar vorgestellt heute langsamer zu sein als ursprünglich geplant, aber dass es so eine elende Quälerei wird, damit hatte ich nicht gerechnet. So gurke ich weiter den Pass hoch. Die Rückenschmerzen kommen wieder, das Knie zuckt manchmal. Nocheinmal halte ich an, auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt es etwas Schatten und dort setze ich mich an die Straßenböschung.

Weiter geht’s, die ersten paar Meter sind immer ganz ok, dann wird’s anstrengend und schließlich fühlt es sich elend an. Aber ich schaffe es weiter, Katrin steht alle paar Kilometer am Straßenrand, so geht mir auch nie das Getränk aus. Ensure geht nicht so recht, das Sponsor Competition geht überhaupt nicht, so trinke ich hauptsächlich Sponser Recovery und Wasser. Ich freue mich allerdings schon auf das Nutrixxion Iso an der Labstation, denn eins ist klar, dort oben muss ich eine Pause machen.

Und nach einem weiteren nicht enden wollenden Abschnitt nähere ich mich tatsächlich der Verpflegungsstation. Aber selbst die 1000 Meter Marke setzt keine Kräfte frei, ich schleiche einfach bis zum Passhospiz (das ja unter der Passhöhe liegt).

An der Labstation nehme ich mir etwas Brot, Käse und Schokolade, kann aber gar nicht so in mich reinstopfen wie 2011 wo ich mich dann doch sehr gut erholt hatte. Aber ich trinke sechs! Becher Cola. Dann lege ich mich erst mal auf die Wiese. Ich bin am Ende. Ich glaube nicht, dass ich zu Ende fahren kann. Ich möchte einfach ins Auto steigen. Und gut ist’s.

Ich weiß nicht wie lange ich liege, aber schließlich raffe ich mich auf und fahre weiter. Katrin versucht mich noch etwas zu motivieren, aber bei mir kommt nichts mehr an. Trotzdem geht es den letzten Kilometer bis zur Passhöhe, die ja in einer Lawinengallerie liegt, ganz gut. Ich freue mich aber nicht auf die Abfahrt, denn die ist diesmal wohl keine Erholung.

Es geht aber besser als am Nufenen. Vor allem profitiere ich von Rückenwind, so dass ich in den langen Geraden deutlich über 70 fahren kann obwohl die oft gar nicht so steil sind. Mit Krämpfen habe ich kaum zu kämpfen, allenfalls mal ein Ziehen, meist rechts. Aber durch Pedalieren kriege ich das ganz gut in den Griff. Noch weiß ich nicht wie ich den Oberalppass hinauf kommen soll, aber trotzdem wünsche ich mir, dass die Abfahrt bald vorbei ist, ich bin so platt, dass ich mühe habe genug Konzentration für die Radkontrolle aufzubringen.

Aber je mehr Höhenmeter ich verliere, desto besser wird es. Besonders im unteren Teil ist die Landschaft spektakulär schön, dass nehme ich selbst heute wahr. So habe ich gerade etwas Spaß und genieße den letzten Teil der Abfahrt, es geht über einen der Zuflüsse zum Vorderrhein und durch einen kleinen Tunnel, da liegt plötzlich eine Radfahrerin auf der Gegenfahrbahn, zwei weitere Rennradler stehen dabei.

Ich schaffe es gerade noch vor dem Tunnel anzuhalten, ein weiteres Fahrzeug hält und Katrin kommt zum Glück auch gerade mit unserem Auto. Ich laufe zur Unfallstelle und frage die beiden ob Sie den Notarzt verständigt haben, die Gestürzte liegt in stabiler Seitenlage auf der Straße. Die Fahrerin des Autos das neben mir gehalten hat kümmert sich um die Verletzte und nimmt das Ganze in die Hand. Respekt, das macht sie richtig gut. Die beiden Radfahrer sind offensichtlich geschockt, jedenfalls antworten sie mir recht unklar mal ja, mal nein…
Wir stellen Warndreiecke auf, denn in beide Richtungen sind Kurven und Tunnel, so dass die Fahrzeuge gewarnt werden müssen. Katrin bleibt dann noch an der Unfallstelle und ich fahre weiter. Als ich in Disentis reinfahre höre ich auch schon den Krankenwagen. Ich bin wirklich froh, dass die Frau sich gleich um die Verletzte gekümmert hat, ich stand echt auf dem Schlauch und habe erst nicht gecheckt, dass die beiden anderen Radfahrer ziemlich geschockt waren, ich hätte einfach sofort die Notfallkarte vom Veranstalter aus dem Trikot nehmen sollen und die Notfallnummer wählen sollen, egal was die beiden sagen. Anyway, Notarzt ist unterwegs und soweit ich das übersehen konnte dürfte sie sich nicht schwer verletzt haben. Auf jeden Fall wünsche ich ihr gute Genesung und dass sie schnell wieder unbeschwert die Abfahrten genießen kann.

Durch den Schreckmoment habe ich etwas Ablenkung und kann den ersten Teil auf dem Weg zum Oberalppass ganz ordentlich fahren. Als es steiler wird verlassen mich aber die Kräfte wieder. Der Oberalppass hat auch zwei recht lange Geraden ohne Serpentinen, die sind heute auch psychologisch anstrengend. So muss ich in einem Dorf an einem schattigen Platz vor einer Scheune nochmal vom Rad. Mittlerweile ist das Thermometer auf 30° C geklettert. Hitze ist eigentlich nicht so mein Terrain, ich habe lieber 7° als 27°, wobei ich 17° auch noch nehme. Aber 30° muss eigentlich nicht sein. Ich bin allerdings gut mit Flüssigkeit versorgt, daran kann mein erbärmlicher Zustand nicht liegen.

Wieder setze ich mich auf’s Rad und kurbele weiter. Die nächste lange Gerade zieht mir schon etwas den Zahn, denn zur Steigung kommt noch ordentlich Gegenwind dazu. Aber ich schaffe es bis zu den Serpentinen. Nicht, dass es ab da leichter würde, aber die Abwechslung macht das Vorwärtskommen bzw. das Durchhalten einen Hauch leichter.

Ich schaffe es dann tatsächlich bis obenhin. Meist mit Trittfrequenz im niedrigen 60er Bereich. Aber irgendwie gurke ich da hoch. Ich bin jetzt sicher bei den allerletzten, die Chance um 19:15 Uhr auf der Susten Passhöhe zu sein ist gleich Null.

Oben auf dem Oberalp angekommen trinke ich nochmal drei Cola, esse etwas Brot, Käse und Schokolade, aber rechten Hunger habe ich nicht. Ich setze mich eine Weile auf eine Bank und überlege ob ich nicht gleich ins Auto steigen sollte. Wenn ich eh nicht finishen kann macht es keinen Sinn sich am Susten nochmal richtig weh zu tun.

Ich beschließe mit Katrin, erst mal nach Andermatt zu fahren, bzw. gleich hinunter nach Wassen und dann zu schauen.

Die Sonne steht schon ganz schön tief. Auch auf der Abfahrt hinunter nach Andermatt herrscht heftiger Gegenwind, so dass die Abfahrt wenig locker ist, im Gegenteil ich muss eigentlich ständig gegen den Wind arbeiten.

In Andermatt geht es durch den Ort und ich schlängele mich zwischen den Autos hindurch, dann gelangt man auf die Straße hinunter in Richtung Wassen. Noch einmal durch die Labstation wegen der Zeitmessung, dann geht es auch schon abwärts durch die Schöllenenschlucht. Hier ist wegen des hohen Verkehrsaufkommens die Zeitmessung neutralisiert.

So mache ich mir keinen Überholstress, außer einem extrem langsamen Auto und einem sehr langsamen Motorrad überhole ich gar nicht und rolle einfach im Verkehr mit. Wenn man am Kreisel dann den Hauptverkehrsstrom verlässt und parallel zur Autobahn fährt, macht es richtig Spaß. Zwei Radfahrer überhole ich noch, warum die sich nicht dranhängen verstehe ich nicht, aber ist mir egal, es ist so steil, dass man auch ohne Gruppe gut voran kommt.

In Wassen biege ich dann direkt links ab in die Auffahrt zum Sustenpass. Ein Schlenker über die Zeitmessung und dann geht der letzte Kampf für heute los. Es könnte allerdings ein aussichtsloser Kampf sein, denn das Zeitlimit ist eigentlich nicht zu schaffen.

Am Oberalppass hatte ich schon öfters die gleichen Fahrer um mich herum, auf dem Rad war ich meist deutlich schneller, obwohl ich nur geschlichen bin, durch meine Pausen allerdings fuhren die immer wieder an mir vorbei. Am Susten wiederholt sich das Ganze.

Zunächst läuft es einigermaßen, aber in der ersten sehr langen Geraden geht mir irgendwann der Saft aus. Witzigerweise an der gleichen Stelle an der ich 2013 pausieren musste als ich mit einer Lamblieninfektion die Silberstrecke gefahren bin. Ich kann nicht sagen, dass es sich gerade auch nur einen Deut besser anfühlt.

Der Susten ist wirklich böse wenn du Probleme hast. Man kann sehr weit nach vorne sehen wie sich eine elend lange Gerade recht steil nach oben erstreckt. Und wenn man dann tatsächlich das Ende dieser Gerade erreicht hat, was viieeel länger dauert als man zunächst glaubt, dann kommt die nächste noch längere Gerade. Ist man halbwegs in Form, dann freut man sich über die moderate Steigung, meist zwischen 7 und 9%. Ist man nicht in Form dann ist es ein unglaubliches Gegurke.

Mittlerweile befinde ich mich auf der zweiten langen Gerade, Katrin hat nachgeschaut, der Timecut liegt gar nicht bei viertel nach sieben, sondern bei 19:45 Uhr. Aber ich kann es trotzdem nicht schaffen, es ist einfach noch zu weit bis zur Passhöhe. Ich kämpfe aber zunächst weiter. Ich habe doch schon die Hälfte des verdammten Susten gekämpft, es fängt schon an zu dämmern, ich steige aber erst aus, wenn der Besenwagen mich einsammelt.

Dachte ich jedenfalls, aber dann setzen heftige Knieschmerzen ein. Kein Muskelschmerz den man ignorieren kann, sondern böser Schmerz. Auch eine weitere Pause bringt keinerlei Verbesserung. Ich sage Katrin, dass ich wohl aufgeben muss. Wir beschließen ich fahre weiter bis es nicht mehr geht.

Nach elend langem Gegurke bei dem ich die gleichen Fahrer mehrmals überhole (bzw. die mich) weil ich mehrmals stehen bleibe, erreiche ich tatsächlich das Sustenbrückli. Vor acht Uhr kann ich die Passhöhe keinesfalls erreichen, so oder so werde ich wohl nicht auf dem Fahrrad in Meiringen im Ziel ankommen.

Ich weiß nicht mal ob mir das was ausmacht. Mir ist wirklich alles komplett egal. Aber noch sitze ich auf dem Rad. Die lange Gerade bis zu den Schlussserpentinen zieht sich elend. Immer wieder geht es um die Ecke und der nächste lange Abschnitt kommt. Einmal muss ich da noch stehen bleiben, die Zeit läuft, es ist mir egal. Es dämmert ziemlich.

Dann endlich die Kehren, auch hier Gegurke, niedrige Trittfrequenz, Knieschmerzen. Wiegetritt geht nicht mehr, ich kann nicht mehr aus dem Sattel. Erinnert mich ans RAAM, da bin ich dann noch fast 4000 Kilometer gefahren, da sollten die 30 Kilometerchen bis Meiringen doch noch gehen?

Die letzte Kehre ist geschafft, aber wieder geht es ein ganzes Stück geradeaus. 2013 hatte ich mich hier nochmal zehn Minuten in den Seitengraben gelegt. Diesmal versuche ich das zu vermeiden, aber es zieht sich. Mir scheint aber von den Fahrern aus der Gruppe die mit mir ungefähr das gleiche Tempo hier hoch gefahren sind, bin ich jetzt vorne. Ich überhole gerade noch einen Fahrer, da ruft Katrin uns zu, dass gleich das 1000 Meter Schild zur Labstation kommen würde, noch ein Kilometer.

Ich versuche Motivation daraus zu ziehen, ein ganz klein bisschen gelingt das auch. Als aber nach einem Knick nicht der erwartete Tunnel, sondern nochmal eine Gerade kommt muss ich laut fluchen. Dieser verdammte Pass! Das gibt’s doch nicht. Selbst die letzten Meter bis zum Tunnel sind elendes Gegurke.

Dann endlich der Tunnel, aber ich kann mich nicht freuen, ich merke nur, dass ich endlich leichter treten kann und der Knieschmerz etwas nachlässt. An der Labstation frage ich ob die Zeitmessung schon abgebaut ist, aber die sagen nur hier wär‘ gar keine. Hm, solange mich niemand aus dem Rennen nimmt fahre ich weiter, es ist zwar schon nach acht, aber vielleicht ist das nur eine Richtzeit und die Rennleitung nimmt das nicht so streng. Außerdem bin ich nicht der einzige Fahrer hier.

Jetzt muss ich nur in Meiringen ankommen bevor das Ziel abgebaut wird.

Die Abfahrt vom Susten hinunter nach Innertkirchen ist sehr sehr lange. Ich bin total platt und alles tut mir weh, schnell krampft es wieder in den Beinen, außerdem gibt es nur eine Position in der die Knieschmerzen im Rahmen bleiben, so fahre ich Linkskurven mit dem kurveninneren Pedal unten, dafür muss ich dort dann halt heftiger Bremsen. Die Hände tun erst weh, dann spüre ich die linke Hand kaum noch, die ist komplett eingeschlafen. Das bedient ja die Vorderbremse, also nicht so richtig witzig, ich kriege aber zumindest zwei Finger und den Daumen wieder wach, so dass das mit dem Bremsen klappt.

Die Fotografen packen schon ein, aber ich glaube er hat noch ein Foto gemacht, ist jetzt eh schon recht dunkel. Ich habe hinten sehr gutes Licht, vorne eher ein Positionslicht um gesehen zu werden. In den Gallerien und Tunneln geht es gerade noch.

Eigentlich ist die Abfahrt geil, wenn sie nur nicht so lange wäre, aber trotz aller Probleme fahre ich ganz ordentlich runter. Nur gegen Ende als die ersten Dörfer kommen geht mir etwas die Luft aus, denn das Mittreten geht nur noch schlecht und es ist jetzt dunkel.

Trotzdem erreiche ich Innertkirchen und als ich über die Bahnschranke fahren bekomme ich plötzlich Beifall von den Helfern die dort schon zusammengepackt haben und nun die letzten die noch im Rennen verbliebenen anfeuern. Sehr cool. Das gibt mir nochmal richtig Schub.

So schaffe ich auch die flache Strecke bis zur letzten nur 1,5 Kilometer langen Steigung. Ich hatte mir etwas Gedanken gemacht ob ich da noch drüber komme, aber kurz vor der Steigung werde ich nochmal aus einem Auto heraus angefeuert und ich weiß jetzt, dass ich tatsächlich noch finsihen kann.

Ich schaffe den Anstieg sensationell gut, nur einmal als ich in den Wiegetritt will sagt das Knie „no!“, aber im Sitzen kann ich tatsächlich nochmal Druck auf’s Pedal bringen, obwohl da den ganzen Tag über nichts war.

Das ist ein ganz neues Gefühl, ich habe die Steigung geschafft und fahre jetzt mit Vollgas bergab auf Meiringen zu, ich gehöre sicher zu den allerletzten die noch ins Ziel kommen, es ist schon dunkel, ich bin vierzehn Stunden unterwegs – ich freue mich.

In Meiringen geht es dann nochmal über die Bahnschiene, zwei, drei Kurven und ich bin auf der Zielgeraden, Wahnsinn. Im Zieleinlauf gibt es Jubel als hätte ich das Ding gewonnen, die Letzten bekommen offenbar viel Sympathie vom Publikum, die nehme ich dankbar an.

5424112_orig

Selten habe ich mich so über ein Finishertrikot gefreut. Einfach nur Geil.

Als ich vom Rad absteige spüre ich kaum Erschöpfung. Es fühlt sich an als wäre ich fünf Stunden G1 gefahren. (letztlich bin ich ja 80 bis 90% im G1 Bereich gefahren…) Nur das Knie signalisiert, das es schlau wäre die Saison nun wirklich zu beenden und die nächste Zeit mit Physiotherapie und Schwimmen zu verbringen…



from WordPress http://ift.tt/1Lh3m69
via IFTTT

Dienstag, 1. September 2015

Alpenbrevet 2015 – vor dem Rennen

Normalerweise ist der August mein bester Monat. Da habe ich das geringste Körpergewicht und die Rennen der Saison plus das ganze Training haben mich halbwegs in Form gebracht. So gesehen, klingt es logisch die Platinstrecke des Alpenbrevet zu fahren und sich dort mit elf Stunden ein ambitioniertes Ziel zu setzen.

Diesmal ist es aber anders. Nach Silvaplana und dem herrlichen Wochenende mit Splügen-, Julier-, Maloja-, Albula- und Berninapass konnte ich zwei Wochen nicht auf’s Rad wegen einer Verletzung, dann die 24h von Kelheim, dann wieder zwei Wochen nicht auf’m Rad, es folgen die 24h vom Nürburgring, und dann, ja dann musste ich zwei wichtige Entscheidungen treffen. Zunächst musste ich einsehen, dass das Race around Ireland für mich dieses Jahr nichts wird (ich hatte immer noch die kleine Hoffnung auf eine Lastminutelösung) und ich musste entscheiden ob ich 2016 nochmal das RAAM fahre. Gerade letzteres ein schwieriger Prozess dessen Ausgang mir zudem nicht gefallen hat. (Ich habe mich dagegen entschieden).

Ich weiß nicht wirklich ob das der Grund war, aber ich hatte keine Lust auf Rennradfahren. Überhaupt gar keine. Ja der Gedanke mich auf’s Rennrad zu setzen und die immer gleiche Strecke aus der Stadt rauszufahren hat mich regelrecht angekotzt. Zweimal habe ich es indoor probiert bei hohen Temperaturen in der Dachgeschosswohnung, aber nach fünfzehn Minuten habe ich abgebrochen. Mein Kopf wollte einfach nicht fahren.

So kamen weitere VIER Wochen ohne Training hinzu. Den Alpenbrevet als „Ersatz“ für das RAI zu fahren war dann doch wohl eine Schnapsidee. Nur habe ich es ja tatsächlich geschafft noch ein Zimmer in Meiringen zu bekommen (normalerweise muss man für den Alpenbrevet im November die Zimmer buchen, weil das Städtchen sonst komplett dicht ist). Außerdem werde ich wieder von meiner Freundin Katrin begleitet und unterstützt. Jetzt alles zu stornieren wäre wirklich unschön. Auch wenn es vom Fahren her die vernünftigste Lösung wäre.

Ich rede mir ein, dass ich morgen immer noch auf die Silberstrecke abbiegen könnte, aber ich weiß auch, dass ich das nicht machen werde. Ich werde mich mit zwei Monaten Trainingspause (abgesehen von den zwei 24h Rennen, die man als HighIntensityTraining durchgehen lassen könnte) über die 276 Kilometer und über 7000 Höhenmeter schleppen, das werde ich durch logisches Denken nicht verhindern können.

Anyway, ich werde morgen versuchen das schöne Wetter und die herrliche Gegend zu genießen, wenn es dann zwölfeinhalb Stunden werden ist mir das auch egal. Das Fahren der Vorbelastung bei schönem Wetter auf flacher Strecke heute war eigentlich erstaunlicherweise ganz ok.

P1150423 P1150414 P1150418



from WordPress http://ift.tt/1O5eVjT
via IFTTT