Mittwoch, 2. März 2016

Trainingslager Lanzarote Tag 2

Heute also der erste richtige Trainingstag. Allerdings erst mal nur vier Stunden und die Intervalle kann ich recht frei positionieren, so dass ich problemlos auf das Gelände reagieren kann.

So fahre ich zunächst umgekehrt wie ich gestern ins Hotel zurückgekommen bin, also über die LZ-14 auf die LZ-1 in Richtung Nordost. Richtung Nordost heißt natürlich auch gegen den Wind, aber das ist mir für die EB Intervalle die zunächst auf dem Plan stehen ganz recht.

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Es erfordert zunächst doch einige Konzentration einigermaßen in den Trainingsbereichen, bzw. auf der gewünschten Zielleistung zu bleiben. Auf dem Ergometer fällt das ja weg. Aber mit der Zeit gewöhne ich mich wieder dran.

Der Wind bläst für Lanzarote Verhältnisse noch recht moderat, aber auf dem Rad gegen den Wind ist es schon ganz schön laut und es sieht witzig aus, wenn gerade ein Triathlet mit optischen 17 km/h in Aerohaltung über die LZ-1 gegen den Wind „braust“.

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Die Landschaft kenne ich ja schon, zum Glück, letztes mal kam es mir hier sehr karg vor, aber nachdem ich Fuerteventura kennengelernt habe weiß ich was wirklich karg ist, so kann ich mich sogar an den Steinen etwas erfreuen.

Hier gibt es sehr viel recht „frische“ Vulkanausbrüche bzw. deren Spuren, und man kann sehr schön beobachten wie die zunächst tote Landschaft wieder besiedelt wird. Zunächst kommen die Flechten, dann niedrige anspruchslose Gewächse und dann so buschartiges Grünzeug. Hier im Nordosten ist die Landschaft schon bei den Büschen angekommen.

Der Verkehr mag etwas stärker sein als vor zwei Jahren, aber alles im Rahmen. Selbst auf dieser Hauptverkehrsader ist es erträglich. Es gibt auch einen Seitenstreifen den man befahren kann oder, wenn er zu sehr mit Split voll ist, ggf. darauf ausweichen kann.

Arrieta ist bald erreicht und sobald man es in Sichtweite hat, führt die Straße etwas näher am Meer entlang, so dass man immer wieder Blicke auf das Meer und die Brandung hat. Diese ist allerdings bis auf die Abschnitte im Norden moderat.

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Die Abbiegemöglichkeiten in Richtung Mirador del Rio lasse ich links liegen, stattdessen bleibe ich auf der 1 und fahre bis Orzola. Ich fahre nicht in den Ort hinein, sondern biege kurz nach dem Ortsschild links auf die LZ-204. Jetzt geht es durch Aloe Vera „Felder“ berghoch, zunächst moderat, dann auf kurzen Teilstücken auch mal etwas heftiger steil. Eine gute Strecke um das zweite EB Intervall zu absolvieren. Anfangs fahre ich etwas auf der Gegenfahrbahn um dem schlechten Straßenbelag zu entgehen, aber bald ist der Asphalt wieder glatt. Überhaupt ist der Straßenbelag bis jetzt sehr gut gewesen, nur einzelne kurze Abschnitte haben mal „amerikanischen“, sehr rauhen Asphalt.

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Die Straße trifft dann auf die LZ-201 die hinauf nach Ye führt und zum Mirador del Rio. Das Intervall ist noch nicht zu Ende und so kann ich die weitere Strecke bergauf noch etwas Druck machen. Praktisch bis Ye, dann ist das Intervall geschafft. Ich nehme dann den Abzweig zum Mirador del Rio, und rolle etwas aus, halte dort aber natürlich nicht an.

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Bergab geht es über eine Straße die auf dem Bergkamm entlang führt. Schon vor zwei Jahren war es hier recht stürmisch, einmal sogar fast unfahrbar, und auch diesmal habe ich zu kämpfen, mit dem Wind der heftig über die Straße fegt.Ich muss in der Mitte der Straße fahren, immer mit dem Gefühl, dass ich gleich über die kleine Begrenzungsmauer geblasen werde. Fotografieren ist nicht.

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Kurz unterhalb von Ye stößt die Straße wieder auf die 201 und ich fahre nun weiter südlich in Richtung Haria. In den Abfahrten gelingt es mir nicht immer den G1 Bereich zu halten, in den Anstiegen liege ich öfter drüber, aber alles noch im Rahmen. Ich muss nur aufpassen nicht zu oft im Rekombereich herumzutrudeln, denn dass kann einem bei so einem Profil leicht passieren. Manchmal arbeite ich deshalb etwas mit der Bremse um mehr Widerstand zu generieren.

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In Haria könnte ich mir das Haus von Manrique anschauen, dass jetzt ein Museum ist, aber das hatte ich schon letztes mal getan und natürlich mag ich keine Pause machen.

Ich fahre dann wieder etwas nördlich und durch ehemals landwirtschaftlich genutztes Gebiet, geprägt von den mit kleinen Mäuerchen abgegrenzten Feldern auf denen mittlerweile Wolfsmilchgewächse wachsen, über den unteren Teil der LZ-201 (diesmal abwärts) komme ich wieder auf die LZ-1.

Dabei hätte mich beim Abbiegen fast ein Auto umgemäht. Obwohl der Fahrer mich sieht rollt er weiter in die Straße hinein während ich abbiege und verfehlt mein Hinterrad um Millimeter. Ich fluche ihn kurz an, muss mich dann aber auf das nächste Intervall konzentrieren. Jetzt ist es nur noch G2, dafür etwas länger.

Wieder fahre ich bis Orzola, von der Länge her geht es genau auf. Eine kurze Runde durch den Ort und dann geht es auf der LZ-1 wieder zurück.

Die letzte Stunde bricht an und ein G2 Intervall steht noch auf dem Plan, ich überlege ob ich mir ein Gel gönne, lasse es aber dann. Bei vier Stunden sollten zwei Liter Wasser als Verpflegung eigentlich reichen.

Das Intervall funktioniert auch gut, und ich kann es nutzen um den ein oder anderen Radfahrer zu überholen. Ich muss allerdings die LZ-1 komplett bis Tahiche durchziehen und noch einen kurzen Abstecher nach Nazaret machen, sonst wäre ich zu früh im Hotel.

Am Ortsausgang Nazaret drehe ich um und rolle den Berg wieder runter, dachte ich jedenfalls, allerdings bläst mir der Wind ordentlich entgegen und ein kleines Stück geht es nochmal bergauf mit Gegenwind. So langsam geht mir etwas der Sprit aus. Aber bis ins Hotel reicht‘s noch, so dass ich die Trainingsvorgabe ganz gut umsetzen konnte.

Im Hotel gibt‘s erst mal einen Recoveryshake. Das Käsebrot fällt allerdings aus, da die Ameisen in meiner Küche alles essbare in Beschlag genommen haben. Ich war den Küchen in den Appartementanlagen schon immer etwas misstrauisch gegenüber, aber diesmal hatte ich mir tatsächlich ein paar Kleinigkeiten zu Essen gekauft. Mein Misstrauen wird nun bestätigt. Wenn ich nicht so im Überfluss leben würde, würde ich die Ameisen einfach mitessen und als zusätzliche Eiweißquelle gutheißen, so aber lasse ich das und esse das Reststück Tortilla, das im Kühlschrank vor dem Angriff der Killerameisen geschützt war.

Nach einem kurzen Regenerationsschläfchen fahre ich auf den Mirador del Rio und schreibe den Blogeintrag, in Orzola gibt es dann lecker Abendessen. So habe ich den Norden heute recht ausgiebig erkundet.

Mirador del Rio

Mirador del Rio

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Hafen von Orzola



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Trainingslager Lanzarote Tag 1 Statistik

Trainingsziel:
Installationsfahrt

Umgesetztes Training:
Distanz: 23,8 km
Gesamtdauer: 0:52 h
Höhenmeter: 238

Gesamte Arbeit an der Kurbel: 647 kJ
Durchschnittliche Leistung an der Kurbel: 205 Watt (max 409)
Normalisierte Leistung: 229 Watt
IF: 1,119
TSS: 108,9
Durchschnittliche Trittfrequenz: 84 (max 108)
Durschnittliche Geschwindigkeit: 27,1 km/h
Durchschnittlicher Puls: 131
Durchschnittliche Temperatur: 14,5° C (min 13° C / max 16° C)

Gewicht:
Fahrradgewicht: 10,8 kg inkl. Trinkflasche, Luftpumpe, Flickzeug, Schlauch, Radcomputer
Fahrergewicht: 83,70 kg
Kleidung, Foto, Handy: 3 kg
Gesamt(system)gewicht ca. 97,5 kg

Fahrrad:
Rahmen: Specialized S-Works Roubaix SL4 2014
Laufräder: Shimano RS 11 2015
Schaltung: Shimano Dura Ace 9000 Di2 mit
SRM – Dura Ace 9000 Kompakt 34/50 vorne, Ultegra Schaltwerk mittellang Kassette 11-32 hinten
Bremsen und Kette: Shimano Dura Ace 9000
Pedale: Look Keo2max
Lenker: Syntace Racelite2 Carbon
Lenkeraufsatz: Profile Design Airstryke
Sattel: ISM Adamo breakaway
Radcomputer: SRM Powercontrol 8 und Garmin Edge 1000



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Trainingslager Lanzarote Tag 1

Nachdem ich im Oktober 2015 meine Wettkampfplanung für die nächsten drei Jahre gemacht habe sticht ein Event dabei deutlich heraus. So werde ich versuchen 2017 erneut an der Startlinie des Race Across America zu stehen.

Um dort gut vorbereitet zu sein habe ich 86 Wochen Training geplant. Das ist natürlich eine extrem lange Vorbereitungszeit. Allerdings habe ich auch am Ende der Saison 2015 das Radfahren praktisch für drei Monate komplett eingestellt, so dass ich im Oktober die schwächste Leistungsdiagnostik hatte, seit ich von STAPS betreut werde (bzw. seit ich ernsthaft angefangen habe Rennrad zu fahren).

Es gilt also wieder komplett neu aufzubauen. Diesmal allerdings auf der Basis eines deutlich höheren Trainingsalters und mit der Erfahrung einiger Ultradistanzen.

Leider verlief der Start erst mal recht holprig. Immerhin konnte ich zunächst alle geplanten Trainingseinheiten umsetzen, etwas das mir in der „Nach-RAAM-Saison“ 2015 oft nicht gelungen ist, sei es auf Grund körperlicher Probleme oder mangelnder Motiviation. Vor Weihnachten hat mich dann allerdings eine fette Grippe erwischt, so dass ich drei Wochen nicht trainieren konnte und praktisch nochmal von vorne angefangen habe.

Mein Ziel war es für das heute beginnende Trainingslager in Lanzarote gesund zu sein und eine gute Grundlage zu legen, die ich dann in einer Leistungsdiagnostik letzte Woche nochmal bestätigen wollte. Dumm nur, dass ich offensichtlich mit Heuschnupfen zu kämpfen habe, der sich auch in leichten asthmatischen Beschwerden äußerte, die mich leider sehr begrenzen. Will heißen, während man an der deutlichen Verbesserung der Laktatbildungsrate die Wirksamkeit des Trainings sehen kann musste ich aber durch die „asthmatische Begrenzung“ recht früh abbrechen und die VO2max war erbärmlich, was die Bestimmung der Trainingsbereiche etwas ungenau macht.

Anyway, ausgerüstet mit Heuschnupfentabletten und einem Asthmaspray für den Notfall habe ich mich heute auf die Reise nach Lanzarote gemacht.

Vor zwei Jahren habe ich dort mein erstes Trainingslager verbracht, war aber leider krank. Heute weiß ich, dass die Lamblien aus Nepal schuld waren, damals war das alles recht rätselhaft und ich musste die erste Woche meist geschwächt im Bett verbringen, so dass ich keine besonders guten Erinnerungen an Lanzarote habe. Aber die Insel eignet sich an sich recht gut zum Training und die klimatischen Bedingungen passen. So kommt es, dass ich erstmals ein Trainingslager an einem bekannten Ort verbringe, bis jetzt hatte ich mir jedesmal was neues gesucht.

Flug und Unterkunft sind diesmal deutlich teuerer, die Ausweichtouristen, die eben nicht in die Türkei usw. fliegen machen sich da bemerkbar. So war es sogar recht schwierig zum gewünschten Termin noch einen Direktflug zu bekommen. Aber letztlich hat es geklappt und so komme ich mit knapp vier Stunden Flugzeit davon, was bedeutet, dass ich in der Unterkunft noch das Fahrrad zusammenbauen und eine Installationsrunde fahren kann.

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Von meinem Standort aus an der Costa Teguise fahre ich zunächst westlich auf über die LZ-34 auf den Montania de Tahiche zu, eine markante Strecke, die ich noch vom letzten mal kenne, und dann über den Ort Tahiche auf die LZ1 in Richtung Nordost.

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LZ-34 mit Blick auf den Montana de Tahiche

Die Straße führt bis ganz in den Norden nach Orzola, aber heute will ich ja nur ein bisschen einrollen und schauen, dass das Rad funktioniert und alles korrekt eingestellt ist.

So kehre ich am Abzweig nach Teguise um und fahre über die zunächst parallel zur LZ1 führende LZ-404 zurück um dann etwas früher über die LZ-14 in Richtung Küste und Costa Teguise zu fahren, vorbei am Montana Tejda.

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LZ-404, parallel zur LZ-1 in Richtung Süden

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LZ-14, das Tor zur Costa Teguise

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LZ-14, Blick auf den Montana Tejde

Die Strecke war vor zwei Jahren noch mit einem brutalen Körnerasphalt überzogen diesmal ist sie glatt und frisch geteert. Auch die riesigen Gullideckel mit Rillen in die ein 29“er MTB Reifen reingepasst hätte sind offensichtlich weg. Sehr gut. Manchmal werden Dinge auch besser.

Ab morgen geht es dann richtig los und Björn hat mir einige harte Einheiten für die nächsten Tage aufgeschrieben. Ich hoffe mein Heuschnupfen verfliegt in den heftigen Passatwinden die hier meist aus Nordost über die Insel fegen.

Nach all den Indooreinheiten auf dem Ergometer muss ich mich erst mal wieder ans Radfahren gewöhnen, aber das sollte einfacher sein als umgekehrt!



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Freitag, 30. Oktober 2015

Saisonfazit 2015

Das Fazit für die Saison 2015 fällt sehr gemischt aus. Die Nachwirkungen des RAAM waren bis zum letzten Wettkampf zu spüren.

Die Zeit nach dem Race Across America könnte man am besten als Pendel beschreiben, dass nach dem Rennen angestoßen wurde, kräftig ausgeschlagen hat, und, bei immer kleiner werdender Amplitude, sehr lange brauchte um wieder zur Ruhe zu kommen.

So ist die Nach-RAAM-Saison geprägt von großen Schwankungen. In der Form, in der Stimmung, in der Leistung beim Wettkampf, im Training und, nicht zuletzt, im Spaß am Radfahren. Die erfolgreiche Teilnahme am Race Across America hat mir ein großes Stück Motivation genommen. Ohne es zu wissen scheint das RAAM für einen Gutteil meines inneren Antriebs für das Training und auch für das Herausholen der letzten Prozent Leistung im Wettkampf gewesen zu sein.

Ich kann nicht sagen, dass mir bewusst der Glocknerkönig, der Alpenbrevet oder die 24h in Kelheim als „unbedeutend“ erschienen, aber die positive Anspannung die es braucht um das letzte herauszuholen war einfach nicht so stark wie ich es gewohnt bin. Dadurch ist der Körper vielleicht auch nicht so stark und das Immunsystem nicht so leistungsfähig. Wissenschaftlich sind solche Zusammenhänge ja noch nicht geklärt, aber es gibt Vermutungen und Indizien. Auf jeden Fall interessant, das am eigenen Körper zu beobachten.

Trotzdem bin ich mit den erzielten Ergebnissen durchaus zufrieden. Die Tour de Kärnten war ein nettes Event wo ich nichts gerissen habe, aber endlich mal wieder Wettkampf gespürt habe. Das war wichtig um wieder auf’s Rad zu kommen. Wobei auch das Trainingslager in Zypern schon gut gelaufen ist und Spaß gemacht hat.

Rein von den Laborwerten war ich mindestens so Leistungsfähig wie in der RAAM-Saison 2014. Deshalb konnte ich auch beim Glocknerkönig die erste Startgruppe halten obwohl es mir nicht gut ging. An einem normalen Tag wäre die 1:30h drin gewesen, das gibt mir die Zuversicht es nochmal zu versuchen.

Das schönste Wochenende 2015 überhaupt war aber mein Aufenthalt in Graubünden, wo ich mit Julier-, Albula, Maloja-, Splügen- und Berninapass ein paar der schönsten Passstraßen überhaupt an einem Wochenende gefahren bin. Ein Traum.

Dass ich ab da praktisch das Training komplett eingestellt habe ist sicher auch eine Folge der Vorsaison gewesen. Zunächst Wadenprobleme, dann das von Krämpfen und Magenproblemen begleitete 24h Rennen in Kelheim, dass dank Katrins Unterstützung mit einem 6. Platz doch noch recht gut gelaufen ist, dann kurze Regeneration und das 24h Rennen am Nürburgring. Auch hier war die Platzierung ok, vor allem hatte ich keine körperlichen Probleme.

Danach hatte ich aber überhaupt keinen Bock mehr auf Training, nicht mal auf’s Radfahren. So bin ich ohne Erwartungen in den Alpenbrevet gegangen, dass es aber so ein Desaster wird hatte ich nicht erwartet. Immerhin habe ich tatsächlich noch gefinished. Der Alpentraum war dann wieder ok, durch das mangelnde Training konnte ich zwar keine Bäume ausreißen, aber immerhin einigermaßen durchfahren und irgendwo in der Mitte landen.

Ein wirklich schöner Abschluss war dann die Eroica. Ein tolles Event, mal was völlig anderes, auch völlig andere Leute. Und das Erfolgserlebnis gut mit der 42-23er Übersetzung durchgekommen zu sein. Das war erstaunlich befriedigend. Überhaupt hat mir diese Veranstaltung sehr viel Spaß gemacht und viel Motivation zurückgegeben, mal ganz abgesehen davon, dass ich mit netten Leuten unterwegs war.

Was mich etwas runtergezogen hatte war die Nichtteilnahme am Race Around Ireland. Ein Grund waren die hohen Kosten und der organisatorische Aufwand, ein anderer die Unsicherheit über Oberschenkel und Schulter, die ja noch immer in physiotherapeutischer Behandlung sind. Sozusagen aus Frust darüber habe ich mich überhaupt beim Alpenbrevet und beim Alpentraum angemeldet. Aber ein Ultracyclingevent dieser Größenordnung muss man vernünftig vorbereiten und man muss absolutes Vertrauen haben, dass man es finishen kann, sonst macht eine Teilnahme einfach keinen Sinn.

Ich habe diese Saison also gelernt, dass ich bei einem Event ab 24h unter die Top Ten fahren kann, dass ich auch wenn’s mir schlecht geht durchziehen und finishen kann ohne dass das größte Rennen der Welt als Motivationshilfe im Hintergrund stehen muss, und dass ich mein Spektrum im Bereich Radfahren immer noch erweitern kann wie in der Toskana bei der Eroica.

Außerdem habe ich erstmals seit 2009 eine Phase mit langer Trainingspause, geprägt von Motivationslosigkeit und Zweifeln überstehen müssen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich noch ein bisschen was in mir drin habe, so dass ich noch zwei Jahre Wettkämpfe bestreiten will und einige Events die ich gerne noch machen möchte fahren werde.

Die Details dazu gibt es in einem weiteren Post…



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Dienstag, 13. Oktober 2015

L’Eroica 2015 – das Rennen

Das an einem Wettkampftag mit einem langen Radmarathon frühes Aufstehen angesagt ist, ist ja nicht ungewöhnlich. L’Eroica ist aber ein ganz besonderes Event und ich kann überhaupt nicht abschätzen was da wirklich auf mich zukommt. So schließe ich mich den anderen 209km-Fahreren unserer Gruppe an und will um 5 Uhr starten.

So kommen ungefähr vier Stunden Schlaf zusammen bevor ich mich in ins Retro Wolltrikot zwänge und erst mal zum Cafe gegenüber gehe um italienisch zu frühstücken, ein Cappuccino und ein Brioche. Dabei kann ich schon die anderen Fahrer und vor allem Fahrräder beobachten die bereits zum Start rollen.

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Zum Glück liegt unser Appartement zentral in der Fußgängerzone von Gaiole, also auch quasi direkt am Start. Da es keine Zeitmessung gibt, sondern im „Randonneurstil“ gestempelt wird, gibt es keinen Massenstart sondern ein Zeitfenster in dem gestartet wird.

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Ich finde auch die anderen Jungs gleich, obwohl jetzt um fünf Uhr doch schon einige hundert am Start stehen. Man gibt seine Startkarte ab, bekommt den ersten Stempel auf die Karte, ein prüfender Blick des Offiziellen auf das Fahrrad, ob es auch den geforderten Kriterien entspricht, und dann darf man losfahren.

Ich starte den Garmin. Ich hatte erst überlegt ob ich den ins Trikot stecke, denn Retro ist ein moderner Radcomputer ja nun wirklich nicht, aber ich hab‘ ihn am Lenker gelassen. Auch bei den Schuhen setze ich auf modernes Material, die bei ebay bestellten Uraltradschuhe sind nicht gekommen und auf dem Markt habe ich keine passenden gefunden. Retroschuhe im L’Eroica Shop waren mir mit ca. 300,- EUR für einen Eintagesspaß einfach zu teuer. Auch die Hose ist eine moderne, wenn auch sehr abgenutzte, die Wollhosen die man kaufen kann hatten alle moderne Polster, also richtig retro mit Hirschleder ginge sowieso nicht.

Anyway, die theoretisch geforderte reflektierende Jacke lasse ich weg, was auch nicht moniert wird. Ich möchte diesen Radsporttag so erleben wie ich ihn 1980 erlebt hätte. Auch meine Übersetzung habe ich dementsprechend nicht entschärft. Ich fahre die klassische Bergübersetzung von 42-23. Klingt brutal, ist es auch. Selbst das neu aufgelegte Eroica-Rad von Bianchi ist ein „old bike for new legs“ wie der Bianchi Mann am Stand sagte. D.h. vorne 36 und hinten 29, also eine wirklich moderne Bergübersetzung.

Ich will es aber so erleben wie ich es 1980 erlebt hätte, also werde ich auch mit der brutalen Übersetzung fahren. Ich nehme mir vor auf den ersten 100 Kilometern nicht zu schieben, auch wenn es auf Schotter 15% berghoch gehen sollte. Ob ich das umsetzen kann wird sich zeigen. Ich habe wirklich gehörigen Respekt vor der Strecke.

Die Übersetzung birgt allerdings einen weiteren Nachteil. Um nämlich halbwegs damit zurechtzukommen und die Kadenz in vernünftigem Rahmen zu halten muss ich eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit fahren. So kann ich eigentlich nur die ersten Kilometer im Flachen noch mit den anderen aus der Gruppe mitfahren und muss dann, sobald es ein bisschen bergauf geht meinen eigenen Rhythmus fahren.

Um viertel nach fünf habe ich meinen Startstempel bekommen und die Temperatur liegt so um 15°, also recht angenehm. Es ist trocken und das Rad läuft super. Die Atmosphäre mit den kleinen Lichtkegeln in der Dunkelheit auf gutem Asphalt ist klasse.

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Meine oben beschriebene Mindestgeschwindigkeit liegt doch deutlich über dem was die übrigen Starter gerade fahren und so hangele ich mich von Gruppe zu Gruppe, auch weil mein Frontlicht eine reine Positionslampe ist und ich den Lichtkegel der anderen Fahrer brauche.
Ich fahre aber sehr gerne im Dunkeln, da man da einfach das Rad so schön spürt und ich viel sicherer fahre, gerade in Abfahrten. Allerdings geht es hier jetzt erst mal bergauf. Zwar noch sanft, aber da ich 42-23 fahre liegt mein Puls die ganze Zeit deutlich über 170, was für mich schon ziemlich in Richtung Maximalpuls geht. Oje, ob ich da überhaupt bis zur ersten Verpflegungsstation komme?

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Bei Brolio kommt dann auch schon der erste Schotterabschnitt. Den konnte ich auf der Ausfahrt vorgestern schon mal testen, ist nicht so steil, aber ich muss natürlich mein Tempo durchziehen, so dass ich mich schon mal etwas durchsetzen muss, wenn vor mir welche gemütlich nebeneinander fahren. Ich komme aber gut hoch.

Dann die erste Abfahrt auf Schotter. Zum Glück fahren wir ja auf Stahlrädern und Stahl hat wunderbar dämpfende Eigenschaften, die man den Carbonrahmen ja erst in den letzten drei Jahren wieder beigebracht hat. Mit so einem bocksteifen Alurad möchte ich hier wirklich nicht runterfahren.

Im Dunkeln ist es durchaus abenteuerlich, aber der nächste Asphaltabschnitt folgt bald. Obwohl ich auf der langen, also der anspruchsvollsten, Strecke fahre ist der sportliche Ehrgeiz der Teilnehmer eher begrenzt. Es bilden sich keine schnellen Gruppen, ich fahre immer noch mein „Mindesttempo“, den Puls im 170er Bereich, folglich fahre ich an immer mehr Fahrern vorbei und das Feld wird dünner und dünner obwohl sehr viele Fahrer vor uns gestartet sind.

Die Ausschilderung ist nicht gerade spektakulär, die permanenten L’Eroica Schilder werden manchmal durch rote Pfeile ergänzt, in der Dunkelheit sind die aber nicht sonderlich gut zu sehen. Und nachdem ich mittlerweile kaum noch Fahrer um mich herum habe und die Frontlichtfunzel nur fahles Licht auf den Asphalt strahlt verpasse ich prompt einen Abzweig.

Zum Glück merke ich es recht schnell, so dass kaum mehr als ein Extrakilometer anfällt. Dafür geht es dann auf der korrekten Strecke wieder über Schotterstraße. Sie lässt sich eigentlich gut fahren und ich bin jetzt etwas mutiger und habe nicht mehr soviel Angst um die Reifen. Denn Schlauchreifen wechseln wäre echt unschön, auch wenn ich es mir von Bernd gestern nochmal habe erklären lassen. Aber wenn man es noch nie gemacht hat…

Aber 1980 wäre ich mit Sicherheit mit Schlauchreifen gefahren. Zwei Ersatzreifen habe ich mir umgehängt, sieht dann zwar eher Fifties mäßig aus, aber sonst konnte ich die nirgends unterbringen, denn ich nutze natürlich nur 0,5 L Flaschen und brauche dementsprechend zwei, so dass auch der zweite Flaschenhalter als Aufbewahrungsalternative wegfällt.

Die Schotterstraße führt jetzt bergab und ich habe erstmals einen eher schnellen Fahrer vor mir, wir lassen es richtig laufen, und dann dreht die Rechtskurve doch deutlicher ein als gedacht und der vor mir fährt ins Gras, ich schaffe es gerade noch auf der Strecke zu bleiben, muss aber ordentlich kämpfen und lege einen leichten Powerslide hin. Puh, jetzt bin ich wach, aber wenn’s gut geht macht’s auch Spaß.

Der Straßenbelag wechselt wieder und auf Asphalt fahren wir nun auf Siena zu. Es fängt langsam an zu dämmern, und in Siena geht es dann sehr ordentlich bergauf. Der Streckenverlauf streift die Stadt nur, und kurz hinter Siena fährt man auf einem kleinen Hügelkamm mit schöner Aussicht. Die Sonne würde gerne aufgehen, aber der Himmel ist bewölkt, so dass nur ein gelblich rotes Glimmen zu sehen ist. Das schafft eine tolle Atmosphäre für unser heroisches Vorhaben.

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Dann kommt auch schon der nächste Schotterabschnitt. Die Beine gehen gut, die Steigungen lassen sich mit der Übersetzung alle noch gut bewältigen, allerdings schaltet meine Schaltung unter starker Last auf dem kleinsten Ritzel gerne mal eins zurück, so dass ich dann mit 42-21 fahren muss. Ächz, da muss ich was machen. Ich beschließe bis zur Verpflegungsstation zu fahren und dort nach der Schaltung zu schauen.

Die Verpflegung ist auch bald erreicht, so ca. 50 Kilometer sind jetzt absolviert. Na das ging doch besser als erwartet. An der Mechanikerstation ist es komplett leer, so dass ich kurz dort anhalte und bevor ich erklären kann was mein Problem ist, hat der Typ schon die Zugspannung korrigiert und alles ist wieder gut. Respekt, ich wusste nicht, dass man das SEHEN kann.

Die Labstation ist tatsächlich so wie beschrieben, nämlich mit Rotwein (Wasser gibt’s auch) und toskanischen Spezialitäten. Nix Iso und Powerriegel. Sehr geil, es gibt Marmeladenbrote. Da haue ich mir einige von rein, genauso wie die mit Haselnusscreme und die Weißbrote mit Olivenöl. Topverpflegung! Es gibt aber nix wo man abstempeln kann, die Kontrollstation ist wohl separat und kommt später.

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Weiter geht’s ein Stück auf Asphalt und dann kommt wieder Schotter. Sehr schöne Strecke, die führt dann auf ein Castell oder ein Wehrdorf zu und dann geht es richtig steil berghoch. Zum Glück bleibt der kleinste Gang jetzt drin. Ich muss aber brutal reintreten um den kleinen Anstieg hochzudrücken.

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Oben ist dann die Stempelstation. Kurzer Halt, ich schnappe mir noch ein Wasser und trinke die 0,5er Flasche auf Ex.

Weiter geht’s, bergab erst auf Schotter, aber ok, dann geht es auf frischem Asphalt weiter in Richtung Süden. Ich habe sogar drei Mitstreiter, aber es gibt keine Gruppe, sondern die hängen sich ein bisschen dran und lassen dann reißen.

Es folgt ein erneuter Schotterabschnitt, der teilweise etwas ruppiger ist. Wieder auf Asphalt kündigt ein 15% Schild an was uns erwartet. Puh, hoffentlich komme ich da hoch. Sieht aus als ob sich der Anstieg etwas ziehen würde. Ich wünsche mir gerade mein Cannondale SuperSix Evo mit Kompaktkurbel und riesigem 32er Ritzel hinten herbei. Der Anstieg ist dann auch heftig zu fahren, aber es geht, obwohl er schon etwas länger ist.

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Es gibt ja hier keine alpinen Anstieg, sondern die Landschaft ist sehr hügelig, die Anstiege sind bis jetzt von der Länge her immer noch machbar gewesen, ich hoffe, dass das so bleibt.

Die Straße flacht wieder ab, der Belag wechselt wieder auf Schotter, ist aber gut zu fahren. Im Feld häufen sich die Pannen. Praktisch alle paar hundert Meter oder zumindest alle paar Kilometer steht jemand am Straßenrand und flickt. Aber nicht nur Reifendefekte gibt es zu beklagen, sondern auch größere Probleme mit Schaltung oder Tretlager sind zu beobachten. Mehrmals sehe ich Fahrer am Straßenrand auf dem Tret- oder Innenlager rumhämmern. Das Material wird hier schon heftig beansprucht, ist außerdem ja mindestens dreißig Jahre alt und oft auch nicht so optimal in Schuss. Ich hatte bis jetzt Glück, außerdem ist das Rad ja komplett neu aufgebaut und gewartet.

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Dann aber erwischt es mich doch. Der Reifen hinten ist platt. Mist! Die Luft ging schleichend raus, ich pumpe ihn einfach wieder auf und fahre weiter, ich hoffe ich komme bis zur nächsten Verpflegungsstation, da könnte ich mir von den Mechanikern mit dem Schlauchreifen helfen lassen.

Es geht nun in einen heftigen Anstieg mit 15% auf Schotter. Die Beine gehen immer noch gut, ich habe einen schönen Rhythmus und komme selbst die steilen Anstiege auf losem Untergrund gut hoch (Wenn auch teils mit Trittfrequenzen im einstelligen Bereich). Doch leider hält die Luft im Hinterreifen nicht lange, es hilft nichts ich muss den Reifen wechseln.

Für einen Schlauchwechsel beim Faltreifen brauche ich so drei, vielleicht fünf Minuten. Aber jetzt gilt es den Schlauchreifen zu wechseln. Ich habe Glück, der Verkäufer meines FullPro hat die Reifen mit Band geklebt. So bekomme ich den Reifen mit etwas Gewalt ganz gut runter und das Band von der Felge. Dadurch habe ich auch eine gute Grundlage um das neue Band zu kleben, was problemlos geht. Das Ganze dauert schon einen Moment, aber jetzt muss ich ja nur noch den Reifen aufziehen. Ich wurstele den „Conti Sprinter Gatorskin“ von der Schulter, pumpe ihn leicht auf und versuche das Ding aufzuziehen.

Puh, der ist wohl für 24“ Felgen gedacht, geht ja gar nicht. Ich mache ihn nochmal ab, ziehe mit Gewalt und Gefühl, komme aber nur bis zu den letzten zwanzig Zentimetern und die gehen um’s Verrecken nicht drauf.

Verzweiflung steigt in mir auf. Nochmal versuche ich es mit Gewalt und/oder Technik. Ich versuche den Reifen mit den Montierhebeln aus dem Multitool draufzuhebeln, keine Chance. Ich fluche auf den verdammten Reifen und versuche es nochmal mit lautem Stöhnen und aller Kraft die ich habe. Keine Chance. Wütend werfe ich die Felge und den Reifen in den Schotter der „Strade Bianchi“. Ein lautes F…Y… hinterher.

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Da hält ein britischer Radfahrer an. „I will help you“, „I’ve done that too many times“ Der Typ ist nicht nur supernett, sondern auch gut 190cm groß und hat Hände wie Schraubstöcke. Er hat offensichtlich aber nicht nur Kraft sondern auch eine gute Technik, innerhalb von einer Minute hat er den Reifen auf der Felge. Cool. „You get it from here?“ „Yeah, sure, thank you“ „See you on the top“

Das war wirklich supernett, danke nochmal Andrew, leider habe ich dich nicht mehr gesehen im Verlaufe des Rennens oder hinterher, hätte dir gerne ein Bier ausgegeben.

Ich pumpe den Reifen auf so gut es geht, mehr als vier Bar kriege ich nicht rein. So muss ich den nächsten Streckenabschnitt eher verhalten fahren. Insgesamt verliere ich so knapp vierzig Minuten mit der Reifenpanne und nochmal etwas durch das langsame Fahren bis zur Verpflegungsstation, die Strecke bis dahin zieht sich nämlich noch. Und es gibt nicht nur sehr steile Anstiege auf Schotter zu meistern, sondern auch entsprechende Abfahrten.

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Auch auf Asphalt geht es dann nochmal ordentlich berghoch und bergrunter, leider kann ich es nicht laufen lassen bevor ich nicht richtig Druck auf dem Reifen habe. Aber dann ist endlich die zweite Verpflegung erreicht, gerade als es anfängt zu regnen. Es ist so elf Uhr.

Ich fahre zunächst an die Mechanikerstation, die jetzt gut besucht ist, und pumpe den Reifen auf 8 Bar auf. Er scheint gut zu sitzen, alles ok. Dann stelle ich mein Koga Miyata FullPro neben ein gleich lackiertes Koga Miyata Pro Racer und ein goldenes Gents Racer.

Jetzt heißt es erst mal die Speicher auffüllen mit Marmeladen- und Olivenölbroten. Außerdem fülle ich die Flaschen auf und esse etwas Käse und Schinken. Vom Rotwein lasse ich allerdings die Finger…

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Es regnet, aber zu lange will ich mich dort nicht unterstellen. Nachdem ich die leckeren Kohlenhydrate und Fette zu mir genommen habe geht es gleich weiter. Wolltrikots fühlen sich ja zum Glück nicht so nass an, so dass das mit dem Regen nichts macht, zumal er auch immer wieder aufhört oder zumindest schwächer wird.

Die Schotterabschnitte werden jetzt etwas schlammiger und die Straßen sind teils wirklich schlecht, mit Teer zwischendrin und sehr großen Schlaglöchern. Die Italiener sind schon schlau, nennen ihre schlechten Straßen und Feldwege einfach „Strade Bianchi“, was in deutschen Urlauberohren romantisch und sommerlich klingt und schon ist das ein Highlight statt ein Ärgernis…

Für meinen Geschmack könnten wir etwas mehr auf Asphalt fahren, ist schon sehr stark Fifties Feeling, so alte Heroen wie Gino Bartali und Fausto Coppi tauchen vor dem geistigen Auge auf. Ich bin ja eher 60er, 70er, 80er Jahre mäßig unterwegs, also so Merckx bis Hinault.

Anyway, die Beine gehen noch gut. Anfangs habe ich es ganz ordentlich im unteren Rücken gespürt, das ist jetzt aber komplett weg, körperlich geht es mir recht gut. Die Landschaft ist in diesem Abschnitt etwas grauer, bzw. brauner, weniger grün, was im Zusammenspiel mit dem Wetter eine interessant düstere Atmosphäre schafft.

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Der Regen nimmt zu, auch ist es jetzt wieder etwas kühler geworden, nachdem zwischenzeitlich die Temperatur in Richtung zwanzig Grad ging, liegt sie nun wieder eher bei 15° C. Nach einem Anstieg auf Asphalt wechselt die Straße wieder auf Schotter und jetzt zunehmend schlammigen Weg. Ist aber noch ganz brauchbar zu fahren, vor allem im Flachen unproblematisch.

So arbeite ich mich bis zu nächsten Verpflegung vor. Die kommt früher als gedacht, denn nach dem Platten hatte ich etwas den Rhythmus verloren, ihn dann gerade wiedergefunden, als schon das Hinweisschild zur Verpflegungsstation kommt.

Passt aber trotzdem gut, denn es fängt jetzt richtig an zu schütten. Ich warte den Platzregen bei Suppe, Kuchen und Marmeladenbroten ab. Ich bin etwas erschüttert, als da wirklich welche lange Regenhosen anziehen! Ist doch kein Radwandern hier, Fausto Coppi wird sich im Grabe umdrehen. Ich ziehe es durch und mache mich weiter im Wolltrikot. Nass ist eh schon alles. Ich vergesse allerdings an der Station meinen Stempel zu holen, habe die Kontrollstation auch gar nicht gesehen.

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Die Schotterstrecken werden jetzt durch den Regen teils doch recht übel. Vor allem kommen teils sehr sehr heftige Abfahrten auf Strecken die für den Cyclocrosser gerade noch gingen, selbst mit dem Mountainbike wäre der eine oder andere Streckenabschnitt eine anspruchsvolle Herausforderung. Zwei steile Abfahrten muss ich einfach laufen lassen, da es keine Chance zu bremsen gibt, was ich mit heftigen Schlägen im Rad und im Körper bezahle. Zwei weitere Abschnitte, die als Trialstrecken durchgehen, erfordern etwas anfeuern des Vordermanns der fast stehenbleibt, was ja im Schlamm gerade gar nichts nützt.

Zwei übermotivierte Sanitäter stellen ihr Fahrzeug mitten in eine enge Gefällstrecke, und machen es so noch viel schwieriger, vielleicht wollten sie auch einfach endlich Kundschaft…

Aber auch diese Passagen lassen sich meistern und die Anzeige auf dem Tacho geht mittlerweile auf die 150 Kilometermarke zu. Bis jetzt musste ich trotz der anspruchsvollen Strecke und meiner 70er Jahre Profiübersetzung noch nicht schieben, geil.

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Schließlich kann ich die Mountainbikestrecke sturzfrei hinter mir lassen und erreiche auf Asphalt Asciano. Hier sind ja auch viele 135er unterwegs und prompt treffe ich auch Fred und Sanna aus der Gruppe.

Das Fahrrad hat jetzt doch etwas gelitten, die Beanspruchung für das Material ist brutal. Natürlich ist es komplett eingesaut. Ich wasche die Flaschen ab, damit ich beim Trinken nicht immer soviel „Strade Bianchi“ mit runterschlucken muss.
So argen Hunger habe ich eigentlich gar nicht, aber einige Marmeladen-, Olivenöl- und Nusscremebrote gehen doch.

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Dann geht es weiter. Jetzt kommt wohl ein heftiger Abschnitt mit vielen steilen Schotterhügeln. Zunächst geht es aber auf Asphalt raus aus der Stadt. Die Schotterstrecke kommt aber schnell, und nachdem es anfangs noch machbar ansteigt, zieht die Steigung dann ganz schön an. Ich kämpfe mich auf der, teils feucht glitschigen, Schotterstraße nach oben, die 42-23 verlangt meinen Oberschenkeln alles ab. Nach jeder Kurve denkt man, man ist jetzt oben, doch es kommt nur die nächste Steigung, da klappt die Straße kurz vor Ende nochmal richtig nach oben. Ich kämpfe mit einer Trittfrequenz im einstelligen Bereich gegen den Hügel an, aber dann ist es vorbei, ich muss aus dem Pedal. Nach 151 Kilometer muss ich erstmals schieben. Zwar nur so 15 Meter, aber es gab keine Chance für mich im Sattel zu bleiben.

Weiter geht’s, so richtig Entspannung gibt es nicht und die Schotterstraßen gehen mir mittlerweile echt auf den Keks. Dann kommt auch schon der nächste Anstieg, und wieder wird es sehr sehr steil. Und wieder das gleiche, die Straße klappt kurz nach oben, Trittfrequenz zwei bis drei, dann rutsche ich aus dem Riemenpedal und es ist vorbei, nochmals muss ich zehn Meter schieben.

Wieder aufsteigen, und die letzten Meter der jetzt etwas flacheren Steigung fahren, etwas Entspannung, und dann komm der nächste Anstieg. Den schaffe ich aber wieder. Das Rad sieht ganz schön versaut aus, außerdem haben sich ein paar Speichen gelockert und die Schaltung quietscht.

Trotz meiner brutalen Übersetzung liege ich mit meinen Schiebeanteilen aber noch bei einer kleinen Minderheit. Die meisten schieben die kompletten Anstiege, die die hochfahren haben hinten 27er, 28er Ritzel und auch vorne kleinere Kettenblätter.

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Am nächsten Berg muss ich eine längere Passage schieben, bestimmt hundert Meter, aber ich befinde mich in guter Gesellschaft. Die Sonne schaut gerade mal wieder etwas durch. Der Schweiß läuft mir in die Augen und brennt. Die Mütze ist längst vollgesaugt von Regen und Schweiß und hat ihre Aufnahmekapazität überschritten. Einen Moment kann ich nicht weitergehen, weil ich nichts mehr sehe. Nach zwei Minuten geht es aber wieder, gut, dass mir das nicht auf dem Rad passiert ist.

Ich laufe an einer rassigen Italienerin vorbei, lange radfahrgestraffte Beine, lange schwarze Haare, ein bildhübsches Gesicht, aber einen platten Hinterreifen und zwar Schlauchreifen, offensichtlich ohne Ersatz. Eine Gruppe kleiner Italiener schwänzelt um sie herum, allerdings alle ohne Schlauchreifen.

Ich habe noch einen Schlauchreifen dabei. Neben meinem natürlichen Helferinstinkt, und dem Gefühl die Hilfe von Andrew weitergeben zu wollen spüre ich ganz stark die Chance für einen Tag der Held dieser jungen Radfahrgöttin zu werden. Ich muss es aber abwägen gegen die Gefahr, dass ich dann bei eigenem Platten auf den immerhin noch fünfzig zu fahrenden Kilometern liegen bleibe und es nicht ins Ziel schaffe. Und sorry ragazza, aber selbst nach so einer durchwachsenen Saison brodelt noch zu viel Gier nach Zielankunft in mir.

So biete ich ihr meinen Schlauchreifen nicht an und schiebe die letzten Meter nach oben, schwinge mich auf mein Rad und trete in die Pedale. Die restlichen Schotterstücke sind alle machbar und dann gibt es endlich wieder Asphalt. Mittlerweile quietscht die Schaltung erbärmlich und von den 32 Speichen in den Laufrädern sind vielleicht gerade noch fünf nicht locker. Ich mache mir etwas sorgen ob ich es überhaupt bis ins Ziel schaffe ohne das mir die eine oder andere Speiche reißt.

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Ich fahre in den Abfahrten einen Hauch vorsichtiger und beschließe mir an der nächsten Verpflegungsstation einen Speichenschlüssel zu besorgen und die Dinger etwas nachzuziehen.

Als ich in Castelnuovo B.GA ankomme ist recht viel los an der Station. Ich hole mir den Stempel und was zu essen, mache nochmal die frisch gefüllten Flaschen sauber und will dann zu den Mechanikern, aber da ist eine große Schlange. Kein Wunder bei so einer Materialschlacht. Ich beschließe weiter zu fahren und es mit den losen Speichen zu riskieren, es sind ja nur noch ca. 40 Kilometer.

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Auf Asphalt geht es weiter, das Wetter ist weiterhin wechselhaft. Wenn die Sonne kommt wird es im Wolltrikot sofort recht warm, so bin ich eigentlich ganz froh, dass es eher kühl ist, auch wenn es an den Labstationen natürlich schöner wäre dort bei strahlendem Sonnenschein etwas zu ruhen.

Die Räder eiern etwas und in den Abfahrten fühlt es sich etwas schwammig an, aber die Beine funktionieren weiterhin erstaunlich gut und treten die 42-23 an den Anstiegen tapfer durch. Allerdings zähle ich auch schon seit der 150 Kilometer Marke rückwärts und motiviere mich mit „noch 50“, „noch 40“ usw.

Der Asphaltabschnitt ist recht lange, was gut tut, aber dann kommen wieder Schotterstrecken, die jetzt gegen Ende des Rennens doch deutlich mehr in den Knochen ankommen als am Anfang. Auch meine Hände haben etwas Kraft gelassen, man muss die Bremse doch ganz schön kräftig packen. Mit der Bremswirkung kam ich aber bis jetzt, auch in den schwierigen Passagen, gut zurecht.

Nachdem eine Zeit lang recht viele Fahrer auf der Strecke waren lichtet es sich jetzt wieder. Liegt auch daran, dass ich immer noch mein „Mindesttempo“ fahre und sich überhaupt keine Gruppen bilden, zumindest nicht mit dem Zweck Windschatten zu fahren und Kraft zu sparen.

Der Schlussabschnitt zieht sich sehr, mittlerweile bin ich auch platt, ich würde jetzt so langsam gerne ankommen. Das Schöne ist, dass ich jetzt ziemlich sicher bin im Hellen anzukommen, denn im Dunkeln erschöpft noch irgendwelche unbekannten Schotterstraßen runterzujagen schien mir nicht so verlockend. Falls ich tatsächlich ankomme und die Laufräder durchhalten natürlich.

Die Steigungen sind jetzt nicht mehr so brutal, aber noch merklich. Manchmal schalte ich aber gar nicht in den kleinsten Gang, ich habe mich schon sehr an dieses Powern im dicken Gang gewöhnt. Ein Fahrer überholt mich und ich überhole ihn immer mal wieder, das gibt nochmal etwas Motivation und als mal wieder eine etwas längere Steigung kommt kann ich ihn hinter mir lassen. Am Ende des Anstiegs fahre ich an einem Schweizer vorbei, der aber wohl trotz entsprechendem Trikot doch Deutscher ist. Ich unterhalte mich kurz mit ihm und bringe meine Hoffnung zum Ausdruck dass es jetzt bald vorbei ist (KM 190), aber er meint, die Kilometerangabe würde sowieso nicht stimmen, sein GPS sagt die Strecke sei knapp 220 Kilometer lang. Danke für die Aufmunterung, Blödsinn, was interessiert mich sein GPS.

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Dann kommt das Schild „Gaiole in Chianti“, cool bald ist es vorbei, noch schön den Berg runterrollen und es ist geschafft. Aber hatte Bernd nicht noch was von unangenehmer Abfahrt im Dunkeln auf Schotter erzählt. Dann müsste ja nochmal ein Umweg über Schotterstraßen kommen. Es folgt der Anstieg nach Radda. Ächz, so langsam gehen mir die Körner aus. Die Übersetzung fordert ihren Tribut.

Der Anstieg zieht sich elend, immer wieder denke ich das war’s jetzt, dann geht es nach der nächsten Kurve wieder berghoch, und wieder und nochmal. Dann aber ist Radda endlich erreicht, jetzt kommt das ersehnte Rollen ins Ziel. Falsch, nochmal biegen wir anders ab als es die einfache Autoroute vorgeben würde. Es geht schon wieder berghoch, ich muss fluchen. Auf in den Wiegetritt und hochgekämpft, Abzweig, Schotterstraße, ächz, ich bin platt. Dann aber zur Belohnung nochmal ein Bilderbuchtoskanapanorama bei tiefstehender Sonne. Hammer!

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Auf Schotter geht es nun bergab in Richtung Gaiole. Die Laufräder sollten doch jetzt die paar hundert Meter auch noch aushalten. Jetzt nur nicht stürzen. Als wir wieder Asphalt erreichen gibt es keine Schilder mehr, ich finde es etwas verwirrend, muss zweimal die Leute am Straßenrand fragen.

Steil führt die Straße in den Ort hinunter, und dann die letzten Meter. Vor mir eine größere Gruppe die ins Ziel trudelt, ich ziehe durch, ich will jetzt auch unter der zwölf Stunden Marke bleiben. Und dann ist es endlich geschafft. Sehr geil. Ich habe die lange Strecke der Eroica mit 42-23er Übersetzung gemeistert. Zur Belohnung gibt es ein Blechschild, eine Tasse und ein Finisherfoto.

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Es fühlt sich wirklich gut an. Ein Gefühl der Zufriedenheit stellt sich ein, nicht nur über die geschaffte Distanz, nicht nur, dass ich nun auch die Eroica als Event in mein Palmarès schreiben kann, sondern auch darüber, dass ich diese gesamte, durchaus schwierige NachRAAM-Saison sturzfrei und letztlich auch sehr befriedigend zu Ende gebracht habe.

Jetzt will ich nur noch unter die Dusche und den ganzen Dreck abwaschen, aber erst muss ich zwei Cappuccini und zwei Brioche reinhauen sonst kippe ich hier um. Dabei kann ich zärtlich auf mein verschlammtes Koga Miyata FullPro schauen. Es hat durchgehalten. Auch die Laufräder. Ein sehr geiles Rad, die Schaltung hat perfekt und butterweich funktioniert, der Rahmen ist ein Traum, ich sitze darauf sehr gut, vielleicht sollte es nicht unsere letzte gemeinsame Unternehmung sein…

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Mittwoch, 30. September 2015

Eroica 2015 – vor dem Rennen

Eigentlich bin ich kein rückwärts gewandter Mensch. Retro ist nicht mein Ding, ich suche lieber die optimal mögliche Lösung für eine Aufgabe mit dem was gerade aktuell an Material zur Verfügung steht.

So gesehen bin ich ein echter „Materialfahrer“, die emotionale Bindung zum Equipment ist gering und das Fahrrad nur mittel zum Zweck.

Nun habe ich aber, eher aus Versehen, ein 1980er Koga Miyata FullPro bei ebay geschossen.

Das schöne am Radsport ist ja, dass man sich alle Träume erfüllen kann, denn im Gegensatz zum Auto kann sich fast jeder sein Traumrad leisten egal ob aktuell oder Oldtimer. Auch das FullPro war bezahlbar und wenn ich es nun schon mal habe, dann will natürlich auch was sinnvolles damit machen.

Da es sich um ein Profirennrad handelt ist es nur logisch wenn man es auch so einsetzt. Die Eroica in der Toscana bietet sich dafür an.

Seit das Event in den Neunzigern erstmals ausgetragen wurde, hat es sich zu dem Retro Radsport Event schlechthin entwickelt.

Meine persönliche Idee hinter der Teilnahme ist es den Radsport so zu erleben wie er in den Endsiebzigern, anfang Achtziger für mich gewesen wäre. D.h. Kleidung und Equipment, Übersetzung und Fahrstil so wie ich es damals wahrscheinlich gemacht hätte.

Das man durch die Streckenführung und die „Strade Bianchi“, die Schotterabschnitte, auch etwas vom frühen Radsport der 30er bis 50er Jahre mitbekommt nehme ich als Nebeneffekt in Kauf…

Gemeldet habe ich für die lange Strecke, 209 Kilometer mit ca. 3200 Höhenmetern. Dass FullPro hat eine kleinste Übersetzung von 42 – 23. Klingt brutal, aber war damals durchaus eine Bergübersetzung. Für mich ist das wirklich heftig, ich schätze auch damals schon hätte ich einen Weg gefunden eine kleinere Übersetzung zu fahren, (39 vorne geht auf jeden Fall und hinten 27 wäre wohl auch noch in der Epoche gegangen), aber ich werde mal schauen wie weit ich mit der 42-23 komme, ggf. muss ich einige sehr steile Hügel schieben.

Ich fahre auch Schlauchreifen, weil ich die damals in einem Rennen mit Sicherheit auch gefahren wäre. Auch wenn ich nicht den geringsten Vorteil an Schlauchreifen erkennen kann und sie für mich unterwegs nicht zu flicken sind. Was natürlich das Risiko birgt, dass man auf der Strecke irgendwo strandet.

Die Bremsen haben damals nichts getaugt und tun es heute natürlich auch noch nicht. Kein Vergleich mit modernen Rennradbremsen. Entsprechend vorausschauend muss man halt fahren. Ich bin gespannt wie die Schotterabschnitte mit dem 80er Jahre Rennrad zu fahren sind, vor allem dann auch in den Abfahrten.

Retroklamotten kann man bekommen, auch wenn die Auswahl nicht so riesig ist. Beim Trikot geht’s noch, Handschuhe gab’s auch aber eher teuer, Mütze kein Problem, aber Hose und Schuhe, da ist es schwer was zu bekommen. Ich werde mit einer modernen Hose fahren, optisch kann ich da keinen großen Unterschied erkennen, das moderne Polster ist dann halt ein Kompromiss. Bei den Schuhen muss ich einfach schauen ob ich in Gaiole auf dem Markt noch was bekomme, denn dort soll es einen großen Teile- und Retroklamottenmarkt geben. Mal schauen, das wird bestimmt ganz interessant.

Hier noch ein paar Bilder von meiner Eroica Ausstattung:

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