Der erste Blick morgens aus dem Fenster gibt dem Wetterbericht von gestern leider recht, dichte Wolken und Regen. Und wenn das mit dem Saisonabschluss auch immer etwas ironisch gemeint ist, so muss ich doch feststellen, dass ich gar keine rechte Lust habe bei diesem Wetter zu fahren, ich also wohl für dieses Jahr wirklich genug habe, denn normalerweise reicht meine Motivation auch bei noch schlechterem Wetter um mit Freude durch die Alpen zu fahren.
Als ich dann auf dem Weg zum Frühstück auch noch durch die Kälte muss und es unter 10° C sind, beschließe ich zwar erst mal zu Frühstücken als ob ich fahren würde (ich gönne mir sogar einen Schokoladenkuchen), aber als die Dame aus der Küche erzählt, dass die Schneefallgrenze auf 1700m fällt und das Penser Joch nur mit Winterausrüstung zu fahren ist, gehe ich zurück auf mein Zimmer und ziehe die Radklamotten wieder aus.
Ich überlege kurz nach Sterzing reinzufahren, habe aber eigentlich keine Lust „Zeit totzuschlagen“ so lege ich mich nochmals ins Bett. Das erweist sich als kluge Entscheidung. Denn als ich wieder aufwache und aus dem Fenster schaue bietet sich ein überraschend anderes Bild. Die Wolkendecke ist etwas aufgerissen und man sieht sogar ein wenig blauen Himmel und Sonne. Die Straße fängt an abzutrocknen.
Zehn Minuten später sitze ich auf dem Fahrrad und fahre Richtung Sterzing und Penser Joch. Keine Ahnung wie lange das hält, aber diese Chance muss ich nutzen. Bis oben hin werde ich kaum fahren können, aber die Straße wird ja immer gleich geräumt und gestreut, ich werde also einfach mal schauen wie weit ich komme.
So biege ich auf die Passstraße zum Penser Joch ein, und zunächst geht es erst mal ein paar Kilometer recht flach, bevor die Straße dann recht steil auf deutlich über zehn Prozent ansteigt. Laut Pässebuch ist diese Seite nicht gerade für mich gemacht, weil sie doch recht steil ist, und vor allem im oberen Teil auf 16 – 18% ansteigen soll.
Zunächst geht es allerdings recht gut, auch wenn das Penser Joch ein ganz anderes Kaliber ist als der Jaufenpass. Die Straße ist gut zu fahren, die Temperatur liegt bei knapp 11°C, mit den langen Hosen und Handschuhen gar kein Problem. Es ist mir fast zu warm.
Nach ungefähr einem Drittel des Anstiegs passiere ich die markanteste Stelle dieses Anstiegs. Ein beliebtes Fotomotiv.
Ein paar Kilometer weiter beim einzigen kleinen Dorf auf dem Weg zur Passhöhe (Egg) wird es mal etwas flacher, ansonsten war es bis dahin schon recht steil, meist im zweistelligen Prozentbereich. Hier fahre ich jetzt auch in die Wolkendecke rein, die teils recht tief hängt. In den Bergen kann das Wetter innerhalb von fünf Minuten umschlagen, und so kann letztlich hinter jeder Kurve Schluss sein, so dass ich umkehren muss. Als mir aber ein paar Motorradfahrer entgegen kommen, habe ich das erste mal die Hoffnung vielleicht doch bis oben hin fahren zu können.
Und dann fahre ich plötzlich nach einer Kurve aus der Wolke raus, und zu meiner Überraschung scheint die Sonne wieder und ich schaue auf blauen Himmel. Zu allem Überfluss flacht die Straße auch für ein paar hundert Meter deutlich ab, so dass ich mich etwas erholen kann.
Auf dem Passschild, dass anzeigt, dass der Pass geöffnet ist, war auch der Hinweis auf Schneeketten, bzw. Winterausrüstung angebracht. Allerdings ist die Straße bis jetzt frei, auch als die 1600m Grenze überschritten ist, und der erste Schnee am Straßenrand liegt. Mit jedem Meter nimmt der Schnee am Straßenrand zu. Nicht lange und ich fahre richtig durch den Schnee. Die Straße ist allerdings frei und teils sogar schon am trocknen, nur links und rechts liegt recht viel Schnee, den die Räumfahrzeuge dorthin geschoben haben. Die Bäume und Wiesen sehen aus wie mit Puderzucker bestreut.
Jetzt wird die Fahrt traumhaft schön. Die Sonne scheint, alles ist schneebedeckt und die Straße ist wie gesagt frei und super zu fahren. Jetzt bin ich mir fast sicher, dass ich bis oben hin fahren kann. Und obwohl es wieder recht steil ist, und auch so bleibt, macht die Strecke richtig viel Spaß. Die erwarteten super steilen Abschnitte kommen nicht. Jedenfalls habe ich sie nicht als solche wahrgenommen. Die hohen Prozentzahlen gibt es wohl nur auf ganz kurzen Abschnitten, so dass sie nicht auffallen. Die Beine funktionieren gut, und auf den letzten drei Kilometern lege ich sogar nochmal etwas zu.
Nun kann man auch schon die Passhöhe sehen, und praktisch den ganzen letzten Abschnitt, das sieht alles machbar aus, und so werden die letzten Kilometer zur echten Genussfahrt, mit blauem Himmel, Sonnenschein, und verschneiter Landschaft. Also doch noch ein spektakulärer Saisonabschluss. Hier oben liegt die Temperatur allerdings unter zehn Grad und es weht ein noch etwas kälterer Wind, der gerne auch mal als Gegenwind von vorne kommt...
Oben angekommen gibt es erst mal das Passschildfoto. Mittagessen geht leider nicht, weil das Gasthaus wegen Todesfall geschlossen hat. Die fünfzig Kilometer Abfahrt nach Bozen macht keinen Sinn. Die Wetterlage gibt es nicht her noch über eine Stunde Abfahrt und über drei Stunden zurück zu fahren. Wenn es wieder anfängt zu schneien stehe ich auf der anderen Seite des Berges und komme nicht ins Hotel zurück. Außerdem ist es mir für diese lange Abfahrt zu kalt. Die andere Seite des Penser Jochs ist also was für den nächsten Sommer.
So mache ich mich wieder zurück auf die Abfahrt nach Sterzing. Auch hierbei wird es ordentlich kalt, aber die Abfahrt dauert ja nur zwanzig Minuten, und weitere fünfzehn Minuten später stehe ich unter der heißen Dusche.
So findet eine spektakuläre Bergsaison ihren würdigen Abschluss. Den Jaufenpass konnte ich mir nochmal „schön fahren“, und nehme so keine schlechten Erinnerungen mit in den Winter, und mit der Nordauffahrt zum Penser Joch konnte ich noch einen weiteren Klassiker unter den Rennradpässen kennenlernen. Und beides ohne einen Tropfen Regen, fantastisch. Jetzt habe ich erst mal keine Lust mehr auf Fahrradfahren, eher auf Zerlegen, Putzen, Schmieren, und vor allem „Einmotten“...
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