Für den Ötztaler Radmarathon, der ja heute stattfindet, und dessen Teilnehmer ist das natürlich super. Für mich allerdings auch, denn noch so einen Tag wie gestern, so spektakulär er auch war, hätte ich mir heute nicht angetan.
Nach dem Frühstück muss ich erst mal mit dem Auto bis Prutz fahren, meinen Startort für den Aufstieg zum Gletscher. Die Strecke über den Reschenpass zieht sich doch sehr, jedenfalls kommt es mir im Auto so vor. Leider scheint sich auch das Wetter mit jedem Kilometer zu verschlechtern.
Als ich dann in Prutz ankomme und mein Fahrrad auslade ist es sehr frisch, und statt Sonne gibt es dunkle Wolken. So kommt es, dass ich zwar in kurzen Hosen und Trikot fahre, aber mit langen Gore Handschuhen. Sieht zwar witzig aus, aber ich will meine Hände heute auf keinen Fall schon wieder mit beißender Kälte drangsalieren.
Die ersten Kilometer geht es erst mal flach in Richtung Norden durch das Tal. Schnell kommt auch schon der erste von drei Tunnels. Der ist unbeleuchtet aber nicht sehr lange. Der zweite ist dann beleuchtet und vor dem dritten stehe ich plötzlich an einer roten Ampel, denn an dem wird gerade gebaut und der Verkehr auf einem schmalen Behelfsweg drumherum geleitet.
Die zwei Radler die ich vorher überholt hatte schließen jetzt wieder zu mir auf. Da auch Autos von oben runterkommen müssen wir auch tatsächlich so vier, fünf Minuten warten bis wir dann endlich losfahren können.
Bis dahin hatten sich die Steigungen nur angedeutet, aber hier in der Umgehung kommt gleich das erste 14% Stück, so dass es einem ordentlich warm wird, trotz der niedrigen Temperatur. Entgegen meiner Befürchtung gestern ist meine Form nach wie vor gut, die Kälte und das Frieren haben mir nichts anhaben können. Die 3000 Höhenmeter sowieso nicht...
So lasse ich die beiden anderen Radler schnell hinter mir und es geht jetzt immer stufenweise hinauf. Will heißen nach einem steilen Stück mit oft 13 oder 14% auf kürzeren Abschnitten und 11% auf langen Abschnitten folgt ein flacherer Teil. Das wiederholt sich praktisch die ganze Strecke bis zur Mautstation.
Auf den flachen Stücken wird es mir recht kühl, denn die Temperatur sinkt jetzt teils bis 6° C und wenn man dann den Fahrtwind noch dazu hat, tut der Windchilleffekt sein übriges. Allerdings scheinen die Wolken jetzt etwas aufzubrechen und die Sonne schaut immer wieder hervor, so dass ich guter Hoffnung bin, dass sich das Wetter hier so entwickelt wie im Vinschgau heute morgen.
Nach dem einige Dörfer passiert sind, kommt eine Mautstelle und die Straße sieht danach etwas mehr nach "Gletscherstraße" aus. Leider ist der Belag an vielen Stellen eher mäßig gut, aber für die Auffahrt ist das eh egal.
Die steileren Abschnitte häufen sich jetzt etwas, aber immer noch gibt es auch Chancen sich etwas zu erholen, wenn auch nicht mehr bei 2 oder 3 Prozent sondern eher bei 6 bis 8 Prozent. Dann kommt erstmals die Staumauer in Sicht. Mittlerweile ist der Himmel strahlend blau, aber es ist immer noch sehr kühl mit deutlich unter zehn Grad.
Nachdem man bis jetzt praktisch meist gerade durch das Tal gefahren ist, und sich nur an den steilen Stücken in Kurven nach oben gewunden hat, fangen jetzt kurz vor der Staumauer die nummerierten Serpentinen an. Insgesamt bis oben sind es 29 Stück, die Nummerierung geht auch hier von oben nach unten, so dass ich mir Teilziele setzen kann. Allerdings habe ich keine Ahnung wie die Serpentinen verteilt sind und wie lange die Streckenabschnitte dazwischen sind, so dass ich mit meinen Teilzielen 19, 9 und 5 ziemlich ins blaue hinein tippe.
Die Strecke ist ja mit ca. 39 Kilometern und knapp 1900 Höhenmetern sehr lange, und auch wenn ich mich gut fühle, so weiß ich doch, dass es noch richtig hart werden wird. Vorsichtshalber hatte ich, als wir an der Ampel standen noch einen Energieriegel gegessen. Weil es aber so kalt ist, trinke ich recht wenig, denn es geht kaum Flüssigkeit durch Schweiß verloren.
Nach den ersten Kehren ist dann der Stausee erreicht und jetzt kann man sich entscheiden ob man an der Ostseite, der Standardstrecke links des Stausees, fahren will oder an der Westseite. Ich fahre die Standardstrecke, denn entgegen den Berichten die ich über die Kaunertaler Gletscherstraße gelesen hatte ist der Verkehr sehr moderat. Gegen das was ich vom Stilfser Joch kenne ist das hier ein Paradies.
Ich habe keine Ahnung wie die Streckenführung ist. Da auch alles noch leicht weiß ist von dem Schneefall gestern kann ich mir nicht erklären wo die ganzen zu fahrenden Kilometer und die Höhenmeter noch herkommen sollen. Aber egal, noch ist die Form gut und es macht Spaß. Das Fahrrad läuft wie sau, die Beine fühlen sich wohl, der Kopf ist frei, irgendwann werde ich wohl auch wieder aus dem Schatten fahren, und vor allem ist die alpine Landschaft einfach herrlich!
Am Ende des Stausees geht es zunächst wieder ein paar Kehren sehr steil nach oben, dann wendet man praktisch im Talende und fährt auf der anderen Seite eine weitere Kehrengruppe nach oben. Hier sonnen sich ein paar Tierchen auf dem Asphalt, der im Gegensatz zu den von nassem Schnee bedeckten Wiesen, schön warm ist. Ich kann jetzt auch endlich in der Sonne fahren und das Thermometer steigt dann sogar in den zweistelligen Bereich.
Ich fühle mich noch immer gut, auch wenn es sehr anstrengend ist. Zur Sicherheit hatte ich am Ende des Stausees noch ein Energiegel genommen. Jetzt muss ich auch öfter mal was trinken, denn die Steigung bringt mich doch ordentlich ins Schwitzen.
Kehre 19 war noch recht schnell erreicht, aber der Weg zu Kehre 9 zieht sich doch etwas, denn die Straße verläuft zunächst recht lange erst mal kehrenlos in eine Richtung. Ein paar Radler sind hier oben vor mir aufgetaucht, so dass ich schöne Ziele hatte, aber so richtig schnell war keiner, im Gegenteil die sahen teils nicht mehr so gut aus, so dass meine Grüße eher mit Schnaufen erwidert werden, und keine Chance auf ein kleines "Duell" an dem man sich hochziehen könnte. Na egal, ich freue mich immer wenn ich andere Radfahrer so hoch oben im Berg treffe, irgendwie fühlt man sich dann nicht so alleine im Kampf mit Steigung, Höhenmetern und Wind.
Denn der Wind bläst jetzt an manchen Stellen kühl entgegen und verlangsamt die Fahrt etwas. Auch nach der Kehre 9 sind die Abschnitte zwischen den Serpentinen recht lange. Mit dem Weissee erreicht man dann einen kleinen Gletschersee, und es kommt die nächste Kehrengruppe. So langsam merke ich die Anstrengung doch ganz gut. Auch heute bin ich recht diszipliniert nach Wattmeter gefahren, allerdings kann ich selbst mit meiner 34-32 Übersetzung an den 13/14% Stücken nicht an meiner anaeroben Schwelle fahren, sondern muss da immer deutlich über 300 Watt treten.
Mein Kilometerzähler zeigt mir zwar an, dass das Ziel noch ein ganzes Stück entfernt liegt, aber gefühlmäßig würde ich sagen jetzt könnte so langsam die Kehre 1 kommen. Ich bekomme echten Hunger und würde gerne was essen. Kehre 5 habe ich irgendwie übersehen, stattdessen feiere ich Kehre 4 als letztes Zwischenziel. Die Ausssicht ist klasse, das Wetter ist klasse, die Szenerie ein Traum, aber ich wäre jetzt gerne endlich an Kehre eins. Noch immer geht es, wie es sich für eine ordentliche Gletscherstraße gehört oft mit 13% nach oben, so dass ich mich über kurze 10% Abschnitte zur Erholung freue. Kein Vergleich mit dem unteren Teil wo man auf den flachen Passagen auf das große Kettenblatt gewechselt hat.
Dann fällt mir ein, dass ich ja doch noch ein Gel dabei habe. Und da ich so einen Hunger habe nehme ich an Kehre zwei noch das Energiegel. Auch wenn ein Hungerast mich wohl kaum auf den letzten Metern noch einbremsen würde.
Auch diese letzten Meter sind noch steil, bieten aber auch einen tollen Blick zurück auf die Kehren davor und die spektakuläre Bergwelt rundherum. Und dann sehe ich endlich ein paar Gebäude, die das Ziel andeuten könnten. Aber von Kehre eins ist noch nichts zu sehen, und immer noch geht es mit 13% bergauf.
Und dann endlich Kehre 1. Das Ziel ist nah! Noch ca. 200 Meter und dann ist auch die Kaunertaler Gletscherstraße besiegt. Eine geile Auffahrt! Ich fühle mich extrem gut. Und da es natürlich kein Passschild gibt mache ich das Zielfoto am Gletscherrestaurant.
Aach wie gut! Ich liebe dieses Gletscherrestaurant. Ich weiß, dass einige Pässeradler das "Halligalli" nach einer langen Fahrt durch die beeindruckende Naturlandschaft der Alpen nicht mögen. Und ich gebe zu, Aprés Ski Musik und Schlager irritieren mich dann auch immer wieder, aber im Warmen in der Sonne zu sitzen, Germknödel oder Kaiserschmarrn zu essen und das eben Geschaffte dann dösend in den Sonnenstrahlen zu genießen, was besseres gibt es nicht. Außerdem habe ich Glück und es läuft angenehme bis gute Musik.
So bleibe ich einige Zeit im Gletscherrestaurant, genieße die Tiroler Küche (vor allem die Knödel) und gönne mir zum Nachtisch einen Kaiserschmarrn. Man wird hier nicht so abgezockt wie in der Schweiz, sondern zahlt den normalen Touri-Highlight-Bonus. Auch das trägt zum Wohlfühlen bei.
Da ich noch mit dem Auto bis nach Hause fahren muss und sicher so um die sieben Stunden Autofahrt vor mir habe, mache ich mich dann früher wieder auf die Abfahrt als ich es gerne tun würde. Aber egal, jetzt geht es mir nur noch gut, zwei spektakulär schöne Tage mit dem Rad in den Alpen hinter mir, und das bei guter Form, selbst die Auffahrt heute war mit 2:29 h wirklich ok, und jetzt noch eine gemütliche Abfahrt bei Sonnenschein vor mir. Herrlich!
Die Abfahrt gehe ich wie gesagt eher gemütlich an. In den Kehren läuft immer wieder Schmelzwasser über die Straße, der Belag ist an vielen Stellen schlecht und meine Hände leiden noch etwas von der letzten Abfahrt gestern, so fahre ich eher moderat und mache vor allem im oberen Teil noch einige Fotostopps. Da es aber oft 13 oder 14% Steil ist komme doch immerhin noch auf 76 km/h.
An der Stelle wo die Strecke die Talseite wechselt sonnen sich noch immer die Gemsen auf der Straße, und mittlerweile laufen auf der Strecke an der Ostseite Kühe auf der Straße, also auch hier ist gemütliches Fahren angesagt.
So geht es dann wieder an der Mautstation vorbei in den unteren Abschnitt. Auf den flacheren Passagen muss man ganz ordentlich treten um das Tempo zu halten, aber auch hier mache ich noch ein, zwei Fotostopps, und dann sind auch die letzten Tunnels passiert und das Ortschild von Prutz kündigt das Ende eines spektakulär schönen und ereignisreichen Radwochenendes an.
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