Freitag, 14. März 2014

Trainingslager USA Tag 6

Gestern abend habe ich noch den Sattel gewechselt. Ich will im Juni mit mindestens zwei verschiedenen Modellen arbeiten um möglichen Beschwerden vorzubeugen. Nachdem der Selle SMP Avant in den ersten Tagen wie immer keine Probleme machte und gut funktionierte, teste ich nun den Pro Aerofuel.


Einen anderen Test hatte ich gestern unfreiwillig gemacht. Für die Wüste hatte ich spezielle Arm- und Beinlinge angezogen. Den Kühleffekt konnte ich bei diesen Temperaturen nicht überprüfen, aber den Sonneschutz sehr wohl. Aus Versehen habe ich aber am Knöchel und an den Handgelenken freie Stellen ohne Sonnencreme belassen, so dass ich eine schöne „Kontrollgruppe“ hatte.



Fazit. Der Sonnenschutz mit den Klamotten funktioniert sehr gut, die Kontrollgruppe ist verbrannt und ich sehe jetzt aus als hätte ich mir Armreifen und Fußkettchen tätowiert…


Anyway, heute morgen starte ich direkt vom Übernachtungsort Parker, der TS 4. Sehr gut. Gerne würde ich den Tag auch wieder an einer Timestation beenden, aber für zwei TS ist der Tag zu lang und für drei die Strecke, ich werde wohl irgendwo zwischen TS6 und TS7 landen.


Aus Parker heraus geht es erst mal – richtig, geradeaus. Der Belag auf der 95 ist rauh, aber fahrbar, wobei ich den Seitenstreifen eher vermeide, denn da hat’s Querfugen und alle paar hundert Meter hört der plötzlich auf.


Es ist etwas bewölkt und deutlich kühler als die Tage zuvor. Den Teil mit der Hitze konnte ich also hier im Trainingslager nicht wirklich testen, nur an Tag 3 konnte ich erahnen was mich im Juni erwarten könnte. Ab jetzt wird es aber wohl jeden Tag kühler werden, denn wir bewegen uns in Richtung Colorado Hochplateau.


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Morgens ist der Verkehr immer etwas lebhafter, aber wie schon die Tage zuvor sind die Autofahrer und auch die Truckfahrer sehr rücksichtsvoll. Befürchtungen, dass man als Radfahrer hier mit agressivem Verhalten konfrontiert wird waren völlig unbegründet. Trotzdem gibt es immer mal Situationen in denen einfach der Platz begrenzt ist, es keinen Seitenstreifen gibt, und der Abstand zu den Trucks nicht sehr groß ist, aber immer alles im grünen Bereich.


Ich finde die Landschaft immer noch ziemlich geil, auch wenn sich nun erstmal für viele Meilen wenig ändert. Selten mal gibt es eine Ansammlung von wenigen Häusern mit einem Ortsnamen oder mal eine Kreuzung. Die Straße wechselt dann, ohne dass ich abbiegen müsste, zur SR 72.


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Der Belag bleibt rauh, aber fahrbar, man gewöhnt sich etwas an die Vibrationen. Der Wind kommt aus unterschiedlichen Richtungen, gerne auch mal von vorne, wobei mir Marco was von Rückenwind zuruft. Hm, im Auto vielleicht wegen der Lüftung, aber auf dem Fahrrad nicht wirklich.


Links der Straße verlaufen Bahnschienen, die Strommasten sind mal links oder mal rechts, wieder ein „Ort“, der so ca. 10 Grundstücke lang und 1 bis 2 Grundstücke tief ist, sonst tut sich landschaftlich wenig. Dafür kann sich die Sonne etwas besser gegen die Wolken durchsetzen.


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Der Belag wird schlechter, mehr Querfugen, aber noch bin ich frisch, da kann man das ganz gut kompensieren. Die Strecke, die bis jetzt recht flach war, mit einer ziemlich konstanten Steigung um 1,5% wird etwas welliger, flacht dann aber wieder ab.


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Am Örtchen „Hope“ biegen wir nach knapp 50 Meilen das erste mal ab. Es geht jetzt auf die US 60. Im Roadbook steht „Your Now Beyond Hope“ – [really!]. – Ultracycling Humor.


Die Steigung zieht etwas an, der Straßenbelag ist dafür sehr gut. Eine echte Erholung. Ich treffe einen Reiseradler der in einem Mikrogang mit hoher Trittfrequenz langsam den Anstieg hochkurbelt. Ich spreche ihn an, aber er hat keine rechte Lust zu reden. Er ist zwar freundlich, aber er scheint mich nicht gerade in seiner Peergroup der Reiseradler zu sehen. Was optisch sicher zutrifft, aber tief in mir drin… anyway, wenn er nicht reden mag auch gut, so gebe ich wieder etwas Gas, wobei sich heute laut Trainingsplan alles hauptsächlich im G1 Bereich abspielen soll, also alles eher verhalten.


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“The Germans have the neates bikes” – näh, just doing small talk, I think you want to stretch your legs, by see ya



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Nachdem Marco im Begleitfahrzeug im ersten Abschnitt, der im Prinzip nur geradeaus ging, etwas unter der öden Strecke gelitten hat (auf dem Fahrrad merkt man das nicht so), wird es nun wieder interessanter. Nach wenigen Meilen ist dann auch die TS 6 Salome erreicht. Wie gehabt ein paar Häuser entlang des Highways.


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Salome



Wir halten nicht an, sondern fahren weiter mit Ziel Congress der TS 7. Die Landschaft ist jetzt sehr cool, Arizona wie man sich das vorstellt. Californien haben wir ja schon gestern verlassen und dabei den südlichsten und den tiefsten Punkt der RAAM Route passiert. Seitdem geht es beständig aber sehr sanft berghoch.


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In Arizona geht es gerne mal geradeaus…



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…und geradeaus



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Beim Fotografieren komme ich manchmal auf den gefrästen Streifen der an vielen Stellen die Fahrbahn vom Seitenstreifen trennt. Sinn der Fräsung ist es einen evtl. eingeschlafenen oder tagträumenden Autofahrer durch das laute Reifengeräusch zu wecken. Nur wenn man mit dem Fahrrad darauf kommt ist es, als ob man ein Maschinengewehr beim Feuern mit beiden Händen festhält. Einmal hätte ich fast die Kontrolle über das Rad verloren dabei.


Aber das mit dem Seitenstreifen hat sich bald sowieso erledigt, denn der wird unfahrbar. Heftige Querfugen mit aufgewölbten Asphaltteilen aus denen teils Gras wächst. Ich wechsle auf die Fahrbahn und hoffe, dass die RAAM Offiziellen im Juni diesen Abschnitt ebenfalls als unfahrbahr einstufen. (sonst ist man gezwungen auf dem Seitenstreifen zu fahren)


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Ich habe jetzt tatsächlich teils etwas Rückenwind und kann trotz moderater Intensität etwas Tempo aufnehmen. Es geht wieder sehr laaange sehr geradeaus. Ok, eigentlich nur 30 Meilen, auf dem Fahrrad geht’s auch noch, aber im Auto ist es schon etwas nervig.


Aber dann biegen wir hinter Aguila links ab auf die SR 71. Die Landschaft bzw. die Vegetation hat sich jetzt etwas verändert, sehr spannend, und wir fahren jetzt auf die Berge zu.


Eigentlich ist das hier gerade wirklich der Hammer, ich muss mir das immer mal wieder bewusst machen wo ich gerade bin und was ich hier gerade mache. Ein Traum.


Allerdings auch gleichzeitig ein Albtraum. Die Straße sieht zwar ganz normal aus, aber der Belag ist nicht zu fassen. Wer schon mal auf Lanzarote im Trainingslager war kennt diese Straßenabschnitte wo offensichtlich eine deckende Asphaltschicht vergessen wurde und die kleinen Steinchen, Mineralgemisch, Kiesel was auch immer aus dem Asphalt schauen. Das löst dir die Netzhaut ab wenn du da drüber fährst. Das hier ist noch schlimmer.


Die Vibrationen sind jetzt so stark, dass ich die Zahlen auf dem Garmin nicht mehr lesen kann, weil das Ding so zittert. Eine materialmordende Strecke. Und ich merke es an den Füßen, die fangen an zu Schmerzen. Wiegetritt ist Mist, Oberlenkerhaltung ist Mist, Aeorbars geht fast gar nicht. Ich überlege kurz ob ich wütend werde auf die Straße.

Bin dann aber zu sehr damit beschäftigt meine Beine zu beobachten. Die wollen nämlich irgendwie nur noch 70er Trittfrequenz treten. Obwohl ich nach wie vor im G1 Bereich fahre kriege ich durch das Gerüttel keine rechte Kadenz in die Beine. Das scheint eine natürliche Schutzreaktion zu sein, die Muskulatur hat soviel mit der Vertikalbewegung zu tun, dass sie für die Horizontalbewegung nicht mehr so viel Resourcen bereitstellen möchte.


Whatever, ich hoffe nur, dass es bald aufhört.


Die Landschaft ist geil, ich versuche mich damit abzulenken. Einige recht faszinierende Formen von Kakteen stehen am Straßenrand und auf den Hügeln. Die Sonne ist jetzt weg, es ist merklich kühler geworden.


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Dann kommen zu dem Vibrationsasphalt auch noch Querfugen, aber die gehen in dem Gerüttel komplett unter, hat also auch was Gutes. Nach einer Weile habe ich mich tatsächlich etwas daran gewöhnt. Menschen sind zähe Tiere, die gewöhnen sich wirklich an alles…


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Trotzdem wünsche ich mir, dass es endlich aufhört und wir Congress erreichen. Ich zähle die Meilen einzeln runter. Es dauert zwar noch eine halbe Stunde, aber dann endlich haben wir die TS 6 erreicht. Ich halte an und bespreche mich kurz mit Marco. Meine sechs Stunden laut Trainingsplan habe ich zwar jetzt erfüllt, aber ich muss ja mindestens noch eine extra Streber Stunde anhängen.


Bis zur nächsten TS Prescott kommen zwei größere Anstiege, einer davon soll laut Roadbook sehr sehr heftig sein „most difficult climb west of Maryland“. Wir beschließen, dass ich weiterfahre bis ca. zum Fuß des zweiten Anstiegs und wir dann mit dem Auto nach Prescott fahren um dort zwei Nächte zu machen (morgen ist Ruhetag). Prescott ist sicher attraktiver als Congress.


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Congress



So machen wir es dann auch. Kurz nach Congress kommt der Abzweig auf die SR 89. Ein Traum von Straßenbelag. Ich kann mein Glück gar nicht fassen. Und Kurven. Ich bin so begeistert davon Kurven zu sehen, dass ich sie sogar fotografiere.


Es geht zunächst leicht bergauf und dann in einer langen Gerade auf den Berg zu, wo der Yarnell Grade beginnt. Im Juni fährt man hier aus der Hitze heraus, so wie man am „Glass Elevator“ nach Borrego Springs in die Hitze hinein gefahren ist.


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89 in Richtung Norden



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Die Landschaft macht Spaß, der gute Belag gibt extra Motivation, die Beine sind noch ok, ich freue mich auf den Anstieg. Der hat eine amerikanische Note, es sind nämlich zwei Straßen in den Berg gebaut, eine zum Hochfahren, eine zum Runterfahren. Dabei ist hier kaum Verkehr. Aber irgendwie muss der viele Platz ja genutzt werden.


Der Anstieg ist moderat mit recht konstant ca. 6% Steigung. Durch das viele Ergometerfahren die letzten Monate und die vielen flachen (bzw. welligen) Meilen die letzten Tage hatte ich schon fast vergessen wie geil es ist Berge zu fahren.


Auch wenn die Schaltung in den unteren Gängen auf Grund des gebastelten Schaltkäfigs und der „illegalen“ 11-32 Kassette manchmal etwas springt, so kann ich doch die sich bietende Aussicht genießen.


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Yarnell Grade



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Yarnell Grade



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Die Weite Arizonas



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Yarnell Grade



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Ich weiß nicht wie sich dieser Anstieg nach über 20 Stunden ununterbrochenen Radfahrens anfühlen wird, jetzt aber macht er einfach nur Spaß. Marco holt mich kurz vor dem höchsten Punkt ein, der hatte sich ein Mittagessen gegönnt. Ich habe mit der Ensure Trinknahrung ja eine konstante Nährstoffzufuhr und muss mir über sowas keine Gedanken machen :)


Dann ist Yarnell erreicht und es geht auf diesem traumhaften Straßenbelag in die erste richtige (wenn auch sanfte) Abfahrt seit dem Glass Elevator. Geil, einfach nur geil.


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Die Landschaft ist jetzt genau so wie man sie aus Cowboy und Indianer Filmen kennt. Wieder eine neue Facette der Landschaft hier im Westen.


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Jetzt kann ich doch noch ein paar Meter machen, und ich würde am liebsten durchziehen bis Prescott, aber ich bleibe vernünftig, in der ersten Woche nur nicht überdosieren. Außerdem wird mir sehr kalt. So halten wir uns an den Plan und an einer markanten Stelle steige ich um ins Auto und der Fahrradarbeitstag für heute ist beendet.


Aus dem Auto heraus können wir dann die Einschätzung des zweiten Anstiegs, hinauf nach Prescott, wie sie im Roadbook steht nicht ganz nachvollziehen, aber vielleicht sieht das dann auf dem Fahrrad anders aus.


Eine Unterkunft ist schnell gefunden, Einkaufsmöglichkeit gibt es auch und abends im Saloon (alles sehr Cowboymäßig hier) gibt es ein sehr gutes Steak und Bohnen.






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